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Round the Mountain - einmal um den Berg herum

 


 

Whakapapaiti Hut, 6.12.24


Tag 26

Die Nacht im Hostel in Auckland ist kurz, denn mein Zimmer hat kein Fenster und ich muss den Ventilator die ganze Zeit brummen lassen. Am Morgen bin ich einfach nur froh, gehen zu können. Es ist nicht weit zur Bus Station und unterwegs finde ich noch einen prima Kaffee und ein Ricotta-Spinat-Croissant. Mein Bus ist gut gefüllt und fährt pünktlich ab. Es hat noch ein paar andere Backpacker, die ebenfalls nach National Park fahren, sie sehen allerdings nicht wie Te Araroa Wanderer aus. Ich nutze die Zeit, um meinen Blog zu aktualisieren und schaue hin und wieder auf die Te Araroa App. Bis Hamilton verläuft der Trail nämlich meistens in unmittelbarer Nähe oder sogar neben dem Motorway. Das ist die Hauptachse von Neuseeland und hat entsprechend viel Verkehr. Ich kann gut verstehen, dass viele diese Etappen im Bus überspringen. Gerade super spannend ist die Landschaft auch nicht, könnte auch zwischen Züri-Bern irgendwo sein. Der Waikato River schlängelt sich gemächlich durch Schafweiden und Industrie. Hinter Hamilton verlässt der Te Araroa die Hauptstrasse (wir sind jetzt nicht mehr auf dem Motorway und es geht gemütlich weiter). Mein Bus fährt direkt nach Waitomo, dann Te Kuiti und Taumanurui. Landschaftlich wird es etwas spannender, vor allem hügelig und kurvig. Und dann plötzlich reckt sich ein mächtiger Schneegipfel hinter den grünen Schafhügeln hervor: der Ruapehu-Vulkan. Gleich dahinter kommt der braune Kegel des Tongariro zum Vorschein. Wow, cool, richtige Berge! Sie werden schnell grösser und schon sind wir im Ort "National Park" (heisst tatsächlich einfach so). Ich erwische noch den letzten Shuttlebus des Tages zum Skigebiet Whakapapa, wo meine etwa 5-tägige Wanderung namens "Round the mountain" oder kurz RTM startet. Sie umrundet den weissen Riesen Ruapehu. In Whakapapa erkundige ich mich beim DOC, wir weit es denn zur ersten Hütte sei, denn der Campingplatz ist gestossen voll. Etwa 3 Stunden, meint die Rangerin. Es ist ein strahlend schöner Tag, die Sonne geht erst um halb neun unter, also nichts wie los. Der Weg ist super gepflegt, kein Matsch, schöne Holzbohlen führen über den Moorboden, und auch im Wald wirkt der Weg wie frisch gepudert. So schön! Aber die Landschaft ist ganz anders, es erinnert mich stark an Patagonien. Ganz andere Pflanzen als oben im Norden. Coole neue Farne. Ich geniesse diesen Trail. Kurz vor der Hütte kommt noch ein Wildbach ohne Brücke, da werden die Schuhe und Hosen nass, denn mit dem schweren Rucksack hüpft es sich nicht so leicht. Macht nichts, gleich bin ich da. Vor der Hütte sitzen etwa zehn junge Frauen und ein Paar in meinem Alter auf der Holzveranda in der Sonne und geniessen ihre Fertiggerichte. Ich plansche noch kurz im Bach und setze mich mit meinen Nudeln dazu. Die Abendsonne lässt den Ruapehu leuchten und es wäre zauberhaft, aber natürlich hat es auch hier Mücken. Also nichts wie rein in die gemütliche Hütte. Neuseeländische Hütten sind gemütlich, aber sehr einfach: Stockbetten mit Matratzen, ein Tisch und eine Fläche zum Kochen, eine Regentonne und ein Plumpsklo. Und ein Ofen für den Winter. Alles andere muss man selbst mitbringen: Schlafsack, Kocher, Essen, Wasserfilter. Heute ist es auch ohne Ofen gemütlich warm in der Hütte und ich liege schon in meiner Koie bevor es ganz dunkel wird. Endlich schlafen!

Whakapapa - Whakapapaiti Hut, 9 km



Blyth Hut, 7.12.24

Tag 27

Trotz ziemlich voller Hütte schlafe ich gut (war ja auch erschöpft genug). Die zehn Mädels aus Hamilton sind früh wach, denn sie wollen in vier Tagen um den Berg. Ich stehe auch auf, nehme es aber gemütlich, ich habe mehr Zeit. So lerne ich noch gleich das Hütten-Protokoll in Neuseeland: alle Matratzen werden an die Wände gelehnt (so bleiben sie sauber, falls es Mäuse hat), Tische abgewischt, und der letzte kehrt den Boden mit dem Besen. Um acht laufe ich los. Es geht steil bergauf. Nach 10 Minuten piepst das Handy - ich habe endlich auch Netz und chatte kurz mit Sven. Gestern Abend hatten alle anderen einen Funkbalken. Das sorgte für Gelächter und Spott, denn die anderen Gäste wohnen in Hamilton oder Auckland und haben daheim weniger Netz als hier auf dem Ruapehu. Es sei wegen dem Skigebiet, meinen die jungen Frauen. Neuseeland ist teilweise wirklich sehr rückständig. Schwaches Netz sogar in urbanen Gegenden ist Alltag. Was mich jedoch noch viel mehr überrascht, ist die Tatsache, dass die meisten Leute hier kein Trinkwasser haben, bzw nur die grossen Städte eine Trinkwasser-Leitung offerieren. Wer auf dem Land wohnt (also etwa 90%), hat einen eigenen Regenwassertank an der Dachrinne montiert. Wer es sich leisten kann, installiert einen Filter, die anderen halten ihre Dächer sauber.
Mein Wanderweg ist nun über der Baumgrenze, ich bin etwa auf 1300 Meter. Wolkenfetzen hängen über dem Gipfel des Ruapehu und zwischen dem kargen, schwarzen Lavagestein. Hier wurden zahlreiche Szenen aus Herr der Ringe gedreht, aktuell wähne ich mich gerade in Emyn Muil und es würde mich nicht wundern wenn ein hässiger Gollum hinter den Felsen hervor schleicht und mir an die Gurgel springt. Der Wanderweg zieht sich im Prinzip im Kreis rund um den Ruapehu, aber was man auf der Karte nur ahnt: es ist sehr hügelig. Zahlreiche riesige Flusstäler, von früheren Lahars (vulkanische Schlammlawinen) tief eingegraben, müssen durchquert werden. So geht es stundenlang steil hoch, über einen windigen Bergrücken, steil runter, durch einen Bach, und wieder von vorn. Es gibt keine Brücken. Viele Bäche können auf grossen Steinen überquert werden, aber meistens fehlt genau ein Tritt, um trockene Füsse zu behalten. Die Steilstufen bestehen aus rutschigem Moorboden oder losem Schotter. Huuuu das ist mega anstrengend. Oft sind die Tritte hüfthoch und ich weiss manchmal kaum, wie ich da hochkommen soll. Aber das Wetter ist prächtig und der verschneite Gipfel präsentiert sich regelmässig zwischen den Wolken in aller Pracht. Gegen 14 Uhr erreiche ich die erste Hütte, doch ich will noch bis zur nächsten, sonst schaffe ich es nicht in 5 Tagen. Das sind nochmals 4 Stunden... In der brütenden Hitze klettere ich in den scharfkantigen Felsen neben einem Wasserfall hoch. Die Treppe nach Mordor, sozusagen. Doch die Bestie Shelob zeigt sich nicht, zu grell blendet die neuseeländische Sonne. Oben angekommen, ist dann wirklich nur noch Vulkangestein, Mordor halt. Noch ein Kilometer durch die schwarzen Felsen, dann bin ich an einer Strasse, welche hoch zum Bergsteiger-Parkplatz führt. Es ist Mitte Nachmittag, eine gute Zeit für Autostopp. Eine Bergsteigerin nimmt mich talwärts mit bis zum nächsten Wanderweg. Sie erzählt von ihrem Gipfelsturm und dass es für die Jahreszeit ungewöhnlich viel Schnee hat. Scheint ein weltweites Phänomen zu sein dieses Jahr. Jedenfalls braucht es noch Steigeisen und Pickel.
Auf dem Wander Parkplatz 3 km weiter lässt sie mich raus. Ich zähle die wenigen Autos und bin erleichtert, denn die nächste Hütte ist von hier aus in 2 Stunden zu erreichen, ein beliebter Wochenende-Ausflug für Gemütlichwanderer (es ist ja Samstag). Wenig Autos heisst, es hat Platz in der Hütte. Die meisten Hütten hier in Neuseeland sind unbewartet und man kann sie daher nicht reservieren. Es gilt: first come, first served. Wenn alle Betten besetzt sind, kann man seine Schlafmatte auf dem Hüttenboden ausrollen oder neben der Hütte zelten, doch es wird ziemlich frisch nachts hier oben. Gemäss Wetterbericht sind die Nachttemperaturen etwa 5 Grad, ohne Windchill. Muss nicht sein... Der Weg ist wieder super gepflegt bis zu einem Wasserfall (daher die Wanderautobahn). Danach ist es wieder ein "Standard Tramping Track" (neuseeländische Bewertung der Wege) und das heisst: Anstrengend. Aber nun habe ich es fast geschafft, nur noch eine Stunde bergauf. Der Weg führt zum Ende des Tages nochmals durch Herr der Ringe Kulissen, denn an diesen lauschigen Bergbächen und Wäldern wurden Szenen mit Gollum, Frodo und Sam in Ithilien gedreht. Die letzten Höhenmeter sind so steil, man hat netterweise eine Treppe eingebaut. Endlich stehe ich vor der knallroten Blyth Hut. Ich höre schon von weitem eine aufgeregte, quiekende Kinderstimme und stöhne innerlich. Keine Ruhe heute Abend. Eine 3-Generationen Familie sitzt da mit einem 5-jährigen, der das erste mal auf einer Hütte ist. Er dreht im wahrsten Sinne fast durch vor Aufregung. Juhuuu...
Wenigstens hat es zwei Schlafkammern und so kann ich ausweichen. Die anderen zwei Gäste sind ebenfalls Te Araroa Wanderer auf Abwegen. Aber irgendwann wird es dunkel und still in der Hütte. So simpel die Hütten hier auch sind, alle Räume haben mehrere riesige Fenster, so dass es hell und luftig wirkt. Von meinem Bett aus kann ich den Ruapehu im Mondschein leuchten sehen.

Whakapapaiti Hut - Blyth Hut, 23 km



Rangipo Hut, 8.12.24

Tag 28.

Heute schaffe ich es mal wieder zum Sonnenaufgang. Naja also fast, mittlerweile geht sie um halb sechs auf. Aber auch um viertel nach sechs hat es noch schöne pink-orange Streifen am Himmel. Die heutige Etappe sollte kürzer sein als gestern, gemäss Navi bin ich um drei in der übernächsten Hütte. Tönt prima. Die ersten paar Stunden geht der Weg durch fantastischen Bergwald mit zauberhaftem Moos, Flechten knorrigen Bäumen. Hier müssen die Entmänner leben (wo die Entfrauen sind, weiss ja niemand mehr). Sorry für die vielen Herr der Ringe Stories, aber das ist hier wirklich Fantasy-Wandern vom Feinsten. Bonus: ganz ohne Orks. Heute hat es auch Hängebrücken über die tiefsten Täler, so dass ich nicht in jedes Tobel runter klettern muss. Nach ein paar Stunden komme ich zur ersten Hütte und geniesse meine Käse-Wraps. Auf dem Wegweiser steht noch 5.5 Stunden zur Rangipo Hütte. Das ist ein bisschen länger als gedacht und ich werde erstmals misstrauisch gegenüber meinem Navi. Die DOC Wanderzeiten sind hier ziemlich verlässlich für mein Schneckentempo (die anderen Te Araroa Wanderer lachen nur darüber).
Nun ist fertig mit Wald und vor mir liegt die Rangipo Wüste. Nur noch Sand, Kies und schwarzes Lavagestein, ein paar hübsche Flechten. Kein Hauch von grün mehr. Ich bin nun auf der Ostseite des Ruapehu angelangt, wo es angeblich nicht so viel regnet, aber der Wind bläst dafür ziemlich kräftig hier. Nach ein paar weiteren Stunden durch die Wüste ist klar: flach ist es hier auch nicht. Tiefe Flusstäler haben sich eingegraben, und ich muss durch alle durch. Die Abstiege sind steil und rutschig auf den runden Vulkankieseln. Wir könnten auch fast auf dem Mond sein. Als ich mal wieder aus so einem Wadi rauskomme, haut mich der Wind fast um. Die Windstärke hat ordentlich zugenommen. Puh, schnell das Käppi festhalten und dagegen stemmen. Der nächste Abstieg wird noch abenteuerlicher, denn der Wind, der direkt vom Gipfel des Ruapehu zu kommen scheint, bläst mich fast wieder bergauf. Unten hat es eine gute gesicherte Hängebrücke, aber im Aufstieg knallt mir der Wind nun in den Rücken. Was für Velofahrer ein Traum wäre, ist beim Wandern auf schmalen rutschigen Wegen eher ein Alptraum. Endlich bin ich aus dem Wadi raus,aber nun muss ich noch 2 km über die flache Hochebene zur Hütte, voll gegen den Seitenwind. Man kann sich die Kräfte, die das braucht, fast nicht vorstellen. Ich lehne mich voll gegen den Berg und laufe total schräg, wie eine Besoffene. Da der Wind in Böen kommt, kippe ich auch mehrfach um. Der Sturm wirbelt Sand auf, der in meinen Augen und Ohren landet, ich werde ziemlich schmerzhaft sandgestrahlt. Nur lautes Fluchen bewahrt mich vor dem heulen und verzweifeln. Ich hoffe dass ich es zur Hütte schaffe. Mehr als eine Stunde ackere ich die zwei Kilometer ab. Der Wind wird immer stärker, mehrfach denke ich, dass ich nicht mehr weiter komme. Dann endlich bin ich bei der Hütte. Mit einem letzten Fluch falle ich regelrecht mit der Türe ins Haus. Die anderen beiden Wanderer sehen auch ziemlich fertig aus. Schnell Türe zu und ein Topf heissen Tee kochen. Meine Güte! Sowas habe ich noch nicht erlebt. Den ganzen Abend rüttelt der Wind an der Hütte, es beginnt zu regnen. Der Gang zum Plumpsklo, etwa 30 Meter, wird zum Abenteuer. Aber bei dem Wind ist eine Toilette besser als ungeschützt vor die Hütte pinkeln, und nachher im eigenen Pipi eingesprüht werden. Nun liege ich im kuscheligen Schlafsack und will hier gar nicht mehr weg.

Blyth Hut - Rangipo Hütte, 20 km


Waihohonu Hut, 9.12.24

Tag 29.

Obwohl der Wind die ganze Nacht heult und die arme Hütte durchrüttelt, schlafe ich tief und fest. Gegen Morgen wird es langsam ruhiger, nun prasselt nur noch der Regen. Ich nehme es ganz gemütlich, denn ich muss heute nur 5 Stunden wandern und dann komme ich in eine bewartete Great Walk Hütte. Da man diese reservieren muss, habe ich ein Bett auf sicher, wobei heute wohl eh viele absagen werden. Das Wetter ist echt bescheiden, aber der Regen ist mehr ein heftiges Nieseln statt ein Wolkenbruch und der Wind ist fast nur noch ein Lüftchen im Vergleich zu gestern. Gegen neun Uhr breche ich auf, das Schlimmste scheint vorüber. Den Ruapehu sehe ich heute gar nicht, die Wolken hängen tief und die Sicht ist vom Regen verschwommen. Dafür komme ich gut voran und bin auch nach Stunden noch recht trocken in meinem zerrissenen Regenrock (jaaaa ich habe schon wieder einen Regenrock geschrottet... 🫣). Nach einer Stunde durchquere ich eine Lahar-Gefahrenzone, wo es übel nach faulen Eiern stinkt (Schwefel) und ein wilder Fluss durchrauscht. Zum Glück gibt's hier auch eine super Hängebrücke. Danach führt der Weg durch mehrere Flusstäler, und langsam kommt wieder Vegetation in Sicht. Den ersten Baum fotografiere ich noch begeistert, bald kämpfe ich mich wieder zwischen den tropfnassen Büschen durch und werde nun pitschnass, es ist wie in der Autowaschanlage. Mittlerweile regnet es sich auch richtig ein und ich freue mich, als mit eine Familie entgegen kommt und meint, es sei nur noch eine Stunde. Tatsächlich bin ich schon eine halbe Stunde später da. Der Anblick der riesigen Hütte ist ein Segen, und der Kamin wird gerade angefeuert. Die Hüttenwartin begrüsst mich freudig, zeigt mir gleich wo ich meine tropfenden Regensachen aufhängen kann. Ich bin eine der ersten, darf mir das beste Bett aussuchen. Schnell schlüpfe in trockene Kleider (das Waschen lasse ich heute aus, ich war ja schon in der Waschanlage 😂), und geniesse den Nachmittag in der Hütte beim Quatschen mit den anderen Te Araroa Wanderern. Doch die eine deutsche TA Wandererin ist so blutjung und - wie wir vermutlich alle in dem Alter- dermassen ahnungslos, überheblich und von sich eingenommen, dass ich mich uralt fühle und mich bald ausklinke aus der Diskussion. Manchmal ist es schrecklich, wenn ich realisiere, dass ich nun die Alte bin, vermutlich älter als deren Eltern, und nicht mehr verstehe, wovon die reden. Andererseits muss ich mich auch beherrschen, nicht laut zu prusten, wenn die jungen Deutschen nicht wissen, dass Bonn früher die Hauptstadt war, mich beim Ausdruck "neue Bundesländer" angucken als ob ich von fernen Galaxien spreche, und nicht verstehen, wieso es für einen von ihnen begehrten AI Masterstudium in Stockholm zwingend drei Mathekurse braucht. Hmmm. Naja, vielleicht bin ich doch noch nicht sooo alt, denn ich bin definitiv auch noch ein bisschen überheblich 😂. Dass ich teilweise sehr ahnungslos bin, gebe ich aber gerne zu 🤪.
Da es kein Netz gibt, lese ich die Trail-Beschreibung für die nächsten Etappen und ein altes E-book von einem Paar, welches Te Araroa vor etwa 10 Jahren gewandert ist, als die vielen Wälder im Norden noch begehbar waren, weil die Kauri Bäume noch nicht so krank waren. Interessante Beschreibungen von tagelangem Kampf Mensch gegen Schlamm. Vielleicht ist das verpönte Roadwalking um die Wälder herum heutzutage doch nicht so schlimm...
So ein halber Ruhetag auf einer verregneten Hütte tönt romantisch, ist aber sehr lang. Ich trinke viel Tee, immer mehr Gäste kommen an, tropfen alles voll und es wird immer lauter. Bald summt und brummt es wie auf einer SAC Hütte, nur dass hier jede/r sein Essen selber zubereitet. Die meisten schleppen dafür die teuren Trekkingmahlzeiten mit, die nur heisses Wasser benötigen. Manche schleppen aber Bratpfannen und Kochtöpfe mit und brutzeln sich wahre Gourmet Mahlzeiten. Es ist spannend zum beobachten. Natürlich wird auch einiges abgebrannt, nicht alle können mit Gas kochen. Später gibt's ein Talk von der Hüttenwartin, wo ich erfahre, dass das frische Quellwasser, welches ich gestern gefiltert habe, direkt vom Vulkan kommt und vermutlich von Schwermetallen wie Arsen und Schwefel verunreinigt ist. Dagegen kommt mein ultra light Filter natürlich nicht an. Ups. Naja, bisher geht's mir gut...
Ich gehe wie üblich um neun ins Bett, aber die anderen Gäste sind keine Weitwanderer und feiern noch bis spät in die Nacht hinein. Naja, morgen habe ich hoffentlich wieder ein Einzelzimmer...

Rangipo - Waihohonu, 13 km


Whakapapa, 10.12.24

Round the mountain Runde geschafft! Ich bin wieder in Whakapapa.
Apropos, kleines Detail am Rande. In Neuseeland werden Ortsnamen, die mit "Wh..." beginnen, wie "F..." ausgesprochen. Also Whangarei spricht man Fangarei. Und Whakapapa? Naja. Ihr ahnt es schon... Richtig. F... a papa 😂. Aber es kommt noch schlimmer. Wer von hier den Te Araroa drei Tage weiter wandert, kommt nach Whakahoro... 🫣.

National Park, 10.11.24

Tag 30.

Als ich um sechs aus meiner Schlafkoie krieche, regt sich noch kaum jemand. Nur die Te Araroa Wanderer sind schon am Packen. Es ist ein Frühaufsteher-Hobby 😉. Die drei wollen heute wenn möglich bis zur Blyth Hütte. Die meisten Te Araroa Wanderer sind mittlerweile so fit, dass sie die RTM Runde in 3 Tagen locker schaffen. Ich geniesse den herrlichen Ausblick aus dem riesigen Stubenfenster. Direkt vor mir glüht der Mount Doom (Schicksalsberg) in der ersten Morgensonne, traumhaft schön. Ich habe gestern die grosse Karte studiert und festgestellt, dass der schöne Bilderbuch-Vulkan aus Herr der Ringe gar nicht Tongariro heisst (wie die berühmte Tageswanderung), sondern Ngauruhoe. Da niemand weiss, wie man das aussprechen soll, nennen ihn halt jetzt alle Mount Doom. Dumm gelaufen, wenn man als Filmkulisse berühmt ist. Jemand erzählte mir, dass der Wanderweg auf den Ngauruhoe gesperrt wurde, wegen all der Touristen, die da hoch klettern und einen Ring in den Krater werfen. 🤭 Der Tongariro ist ein kleiner Krater dahinter, den sieht man erst auf dem Tongariro crossing. Das spare ich mir für die Ferien mit Sven.
Als ich um halb acht aufbreche, stehen die meisten Wanderer gerade erst auf. Ich fühle mich wie eine Ultra Lärche hier....
Meine Sachen sind ziemlich gut trocken dank Kaminfeuer und heute ist das Wetter wieder top, auch wenn ein eisiger Wind geht. Heute laufe ich über den endlos breiten Sattel zwischen den Vulkanen Ruapehu und Ngauruhoe und vollende meine Runde in Whakapapa. Doch die Strecke zieht sich wie Kaugummi, mir ist trotz bergauf laufen kalt von der eisigen Bise. Immerhin ist es ein Genuss für die Augen, links und rechts zwei hübsche Berge zum Fotografieren. Ich fand es schwer, eine Auswahl zu treffen. Endlich bin ich auf dem vermeintlichen "Pass" und es geht abwärts. Langsam kommen mir auch immer mehr Tageswanderer und Jugendgruppen entgegen. Ich mache noch einen Abstecher zu einem schönen Wasserfall, der nach der kargen Hochebene Balsam für Augen und Ohren ist. Dort treffe ich Karen wieder, eine Lehrerin, die gestern auch auf der Hütte war. Ihre Schüler gingen auf den RTM Track, sie läuft heute wieder zurück nach Whakapapa. Dort wird sie von ihrem Mann abgeholt und ich ergattere mir somit gleich eine Mitfahrgelegenheit nach National Park. Während wir am Wasserfall picknicken, erzählt sie mir, wieso ihre Schüler und die anderen Jugendgruppen diese Wanderung freiwillig machen: "They are going for Gold!" Häh? Es handelt sich aber nicht um eine olympische Disziplin oder Goldwaschen, sondern um den Duke of Edinburgh award, den es in Bronze, Silber und Gold gibt, und der Jugendliche zu sinnvoller Freizeitgestaltung motivieren soll (wobei Outdoor-Unternehmungen wie Trekking wichtig sind, aber auch Sozialdienst und Sport allgemein). Und ich vermute mal, so ein Gold award macht sich auch gut auf einem Lebenslauf hier. Nach ein paar hübschen Kilometern durch den Bergwald erreiche ich Whakapapa, wo ich gleich bei Karen ins Auto verfrachtet und nach National Park gefahren werde. Dort habe ich ein winziges Einzelzimmer gebucht, aber das hat eine Heizdecke! Genial, denn ich bin durchgefroren. Der Nachmittag fliegt dahin mit Wäsche, Körperpflege, Einkaufen, Essen und natürlich Trinken. Die "Schnapps Bar" tönt nach einer ganz schrecklichen Absteige, ist aber eine gemütliche Skihütten-Beiz, wo es Bier und Nachos gibt, und zum Abschluss ein Glühwein. Es hat sogar ein kleines Plastik-Weihnachtsbäumchen auf dem Tisch.

Waihohonu Hütte - National Park, 15 km (+16 km hitch)


Palmerston North, 11.12.24

Tag 31

Ich geniesse meine Heizdecke bis eine Viertelstunde vor Check-Out. Ist das herrlich! Ich fürchte, für nächsten Winter daheim muss ich mir so was auch anschaffen, auch wenn es kompletter Energie-Blödsinn ist... Dann spaziere ich eine Ewigkeit durch die Drei-Strassen-Stadt National Park und suche Kaffee. Neben der Tankstelle hat eine Maori einen Foodtruck mit super Flat Whites und Gipfeli. Ich muss noch eine Stunde totschlagen bis eines der beiden Restaurants zum Mittagessen öffnet und ich den restlichen Nachmittag bis 15 Uhr drinnen abhängen kann, denn erst dann fährt mein Bus. Endlich ist es halb zwölf und ich ziehe um ins Park Hotel, wo ich tausend Dinge erledige, und nebenbei was esse. Te Araroa ist mit viel Organisieren und Planen verbunden, mehr als jeder andere Weitwanderweg, den ich kenne. Und dabei lasse ich die richtig komplizierten Abschnitte wie ein 5-tägiger Kanu Trip oder ein zweitägiges Bike Abenteuer noch aus. Heute muss ich mir ein Versorgungspaket aus einem Supermarkt zusammenklicken und in drei Tagen in ein Outdoor Center liefern lassen (sonst müsste ich essen für 6-9 Tage schleppen, das ist ein Chrampf). Ausserdem habe ich die restliche Route bis Wellington geplant und festgestellt dass ich über Weihnachten dort bin. Das ist natürlich einerseits schön, dass ich Weihnachten in einer Stadt bin, wo es Internetz hat (E.T. nach Hause telefonieren), aber eine spontane Unterkunft finden scheint mir etwas gewagt. Ich suche mir also eine zentrale Ferienwohnung, von wo aus ich die letzten Etappen der Nordinsel als Tageswanderungen gehen kann und auch noch eine Weta Workshop Tour und ein paar coole Museen besuchen kann. Dann brauche ich Transport zurück nach Auckland und eine Unterkunft am Flughafen, um Sven abzuholen. Und schwupps, ist es schon 15 Uhr und ich muss losrennen, um den Bus noch zu erwischen. Der hat natürlich Verspätung. Die Route ist wunderschön, entlang eines tiefen Tals mit wildem Fluss, der sich fast wie ein Canyon eingegraben hat. Es ist nicht der berühmte Whanganui, auf dem meine Te Araroa Kollegen paddeln, sondern ein kleines Flüsschen, aber sehr pittoresk. Mit meinem Schrotthandy kann ich leider keine schönen Bilder machen. Und ausserdem kurvt es so fest, dass mir fast schlecht wird. Bald erreichen wir die Stadt Whanganui, ab hier geht's ebenaus nach Palmerston North. Auch der Te Araroa folgt hier wieder vielen Strassen, wenn auch nicht die Bundesstrasse, auf der mein Bus fährt. Kein Wunder, ist dies eine der unbeliebtesten Strecken des Trails. Der Bus hält in Palmerston North auf der zentralen Plaza, und ich laufe los in Richtung Motel. Dies ist zweifellos die amerikanischste Stadt Neuseelands, die ich bisher gesehen habe. Doppelspuren in beide Richtungen, endlose Motel-Strassen, für den Geldautomat muss ich in ein Mega Kaufhaus und mein Abendessen geniesse ich im Navajo Steak Saloon. Aber immerhin: es hat Radwege und Elektrobusse. Und auch ein paar E-Autos. Naja, morgen geht's wieder hinaus auf's Land und in den Wald.

National Park - Palmerston North, 5 km (+ 200 km Bus)








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