Antequera, 6. März 2024
Mein Ferien-Timing ist perfekt - genau auf den späten Wintereinbruch daheim fliege ich in den Süden. Bei Schneematsch und eisigen Temperaturen steige ich frühmorgens in den Zug zum Flughafen, und es klappt alles wie am Schnürchen. Ganz entspannt darf ich meinen Rucksack am Schalter abgeben, nicht wie letztes Mal beim Oversize baggage Schalter. Frühstück gibt's gemütlich beim Coop, vor der Sicherheits- und Verteuerungsschleuse. An meinem Gate sitzen vier Junioren-Fussballmannschaften, auf dem Weg ins Trainingslager in Torremolinos, schnappe ich auf. Es geht laut und lustig zu, das Testosteron-Level im Flieger ist entsprechend hoch. Schlimm ist das nicht, das übertönt allfälliges Babygeschrei 😁. Und sorgt für Unterhaltung beim Gepäckband, denn die Junioren haben nicht nur alle denselben Coiffeur, sondern auch dasselbe Koffermodell.
Wir kommen mit etwas Verspätung in Malaga an, aber ich habe ja Zeit. Zuerst muss ich nämlich zum Decathlon, und der ist theoretisch gleich beim Flughafen. Nur ein paar Autobahnen und Zubringer dazwischen... Ein paar Busstops und 20 Minuten Fussmarsch bei Sonnenschein und T-Shirt-Wetter durch die pittoreske Industriezone von Malaga (Ironie) bringen mich zum grössten Decathlon, den ich je gesehen habe. Natürlich kann ich nicht widerstehen und kaufe noch eine neue Daunenjacke, obwohl ich doch eigentlich nur eine Gaskartusche brauchte 🙈. Ein weiterer Bus bringt mich ins Zentrum von Malaga, wo ich gemütlich einen Taco esse und einen Café con leche schlürfe, bevor mein Bus fährt. Gemütlich kurvt der Alsa-Bus durch die Berge hinter Malaga hinauf ins Zentrum Andalusiens, nach Antequera. Überall blüht es zwischen den Felsen und Olivenhainen. Das freut das Auge, denn in Südspanien herrscht eine enorme Dürre, ich habe vertrocknete Landstriche erwartet. Im Busbahnhof von Antequera wartet die Polizei mit einem aufgeregten jungen Suchhund, der sich schwanzwedelnd und topmotiviert ins Gepäckabteil meines Bus stürzt und anfängt, Taschen zu beschnüffeln und durchwühlen. Schnell grabsche ich meinen Rucksack, bevor er zerbissen wird. Doch der herzige vierbeinige Polizist interessiert sich nicht für meinen stinkigen Wanderrucksack, er hat sich schon auf einen Schülerrucksack gesetzt und erhält brav sein Leckerli. Die Polizisten steigen mit dem Corpus delicti und dem zappelnden Hund in den Bus und ich bemittleide den armen Tropf, der sein Gras wohl besser zu Hause gelassen hätte. Wie die Geschichte ausging, hab ich leider nicht mehr miterlebt.
Antequera ist nicht nur eine hübsche Kleinstadt in der Sierra Nevada, sie ist auch historisch bedeutsam. Eine Festung und Dutzende Kirchen, Klöster und Palacios zeugen von den Spuren der Mauren und spanischen Könige. Ich halte es jedoch kurz mit dem Stadtrundgang, denn ich habe Durst und Hunger. Zum typisch späten, spanischen Znacht gibt's einen leckeren lauwarmem Salat mit Langustinas und Gulas (Aale), danach noch ein paar frittierte Pilze und natürlich zwei Gläser vom Hauswein 🐟🍷🥗🍄. Morgen starte ich von hier auf meine Wanderung auf dem Gran Recorrido 7, kurz GR7, der sich durch ganz Spanien zieht. Mein Ziel ist Tarifa, der südwestlichste Punkt von Europa, wo Atlantik und Mittelmeer zusammenkommen und Afrika nur noch etwa 15 km weit entfernt ist.
Valle de Abdalajís, 7. März 2024
Der Himmel ist blau heute Morgen, aber es geht ein ziemlich eisiger
Wind. Ich gönne mir ein leckeres Frühstück aus Café con leche und
Olivenöl-Tomaten-Toast. Dann geht es los auf die Wanderung. Die ersten 6
km wandere ich auf der Teerstrasse aus der Stadt hinaus, nicht gerade
ein toller Anfang. Aber so kann es ja nur besser werden. Endlich, hinter
einem kräftig bewässerten Golfplatz (Dürre? Pfft... 😤), komme ich auf
einen Feldweg. Nun geht es stundenlang durch Olivenhaine über die Hügel.
Antequera verschwindet bald am Horizont. Viele Blumen blühen am Wegrand
und zwischen den Olivenbäumen: Raps, Zistrose, Narzissen - und vieles
was ich nur aus Gärten kenne. Der Wind bläst jedoch immer stärker,
dunkle Wolken ziehen im Eiltempo auf, verschwinden aber auch wieder. Zum
Zmittag finde ich ein halbwegs geschütztes Plätzchen und während ich
mein Picknick mampfe, versuche ich, eine Zeitraffer von den rasch
ziehenden Wolken zu machen. Die Kamera kippt andauernd um vom Wind...
Geduld ist gefragt.
Am Nachmittag geht der Weg weiter wie gehabt,
Olivenhaine, Felder, ein paar struppige Hecken. Nicht sehr aufregend,
aber am Horizont sehe ich schon die Felsen von El Chorro, wo ich morgen
hinkomme. Nur ein paar freilaufende, laut bellende Hunde auf den
einsamen Höfen jagen meinen Puls in die Höhe. Sie sind aber dann ganz
brav. Einmal ist der Weg ganz weg: der Feldweg endet einfach in einem
Acker. Gut gibt's heute offline Karten und ein GPS Track, dem ich folgen
kann, immer schön am Feldrand entlang. Sonst wäre ich hier schön
verzweifelt, denn es gibt keine Markierungen. Nach etwa einem (ziemlich
anstrengenden) Kilometer komme ich wieder auf einen Weg. Die nächste
dunkle Wolke droht am Himmel, diesmal wird es ernst. Also noch schnell
die letzten 5 km im Marschtempo. Natürlich haut's mich dabei auf den
Latz, mit dem schweren Rucksack geht es beim Stolpern immer so schnell
dem Boden entgegen... Zum Glück nur ein Kratzer. Nass werde ich leider
trotzdem noch, die letzten 20 Minuten gibt der Himmel alles. Tropfend
komme ich zum Hotel, und drehe erst mal die Klimaanlage auf Heizen. Nach
einem heissen Tee und Dusche geht's langsam wieder besser.
Antequera - Valle de Abdalajis, 20 km
El Chorro, 8. März 2024
Als ich am Morgen mein Hostal verlasse, ist der Himmel blau. Doch schon
nach 100 Metern muss ich in eine Bar abbiegen - nicht für ein Bier, denn
Frühstück in Spanien auf dem Dorf gibt's nur in einer Bar. Heute wähle
ich Café con leche mit Toast und Marmelade. Dazu läuft
Frühstücksfernsehen, und das ist heute ziemlich spannend: es geht um den
Prozess gegen Puidgemont (ihr erinnert euch vielleicht vage an die
katalanische Unabhängigkeitserklärung vor ein paar Jahren), und danach
um die Vorbereitungen zum 20-jährigen Gedenktag des 11 de Marcho, dem
Terroranschlag der al-Kaida in Madrid, anno 2004. Mir bleibt dann ein
bisschen das Toastbrot im Hals stecken bei der ziemlich emotionalen
Reportage. Als ich wieder auf die Strasse trete, regnet es. Wie bitte?
Für heute war einheitlich nur Sonnenschein angesagt. Missmutig ziehe ich
die Regenausrüstung an und stapfe aus dem Dorf. Glücklicherweise hört
es bald wieder. Heute führt der Weg den Felsen entlang, und ich
beobachte ein Dutzend grosse Raubvögel im morgendlichen Gleitflug.
Später lese ich auf einer Informationstafel, dass dies Adler drin
müssen.
Heute führt mich der Weg ins weltberühmte Klettergebiet von El Chorro,
wo auch der "gefährlichste Weg der Welt", el caminito del Rey, durch die
Schlucht führt. Vor 10 Jahren war ich mit Sven und Urs hier, damals war
der Weg noch unsaniert und "no safe", heute ist es ein berühmter
Klettersteig, den man Wochen vorher buchen muss. Mir ist das zu blöd,
aber diesmal nehme ich die "arabische Treppe", la escalera arabe, ein
steiler Durchstich in den Bergen hoch über der Schlucht von El Chorro.
Bisher war ich sehr einsam unterwegs, doch hier ist alles voller
Kletterer, ich höre alle Sprachen der Welt. Ich schaue ein bisschen zu,
beruhigend zu sehen, dass auch andere manchmal den Elvis kriegen in den
glatten Kalksteinwänden. Da es mittlerweile bereits 3x geregnet hat,
wenn auch nur kurz, steuere ich den Campingplatz von El Chorro an, auch
wenn es gerade erst 14 Uhr ist. Das nächste Dorf liegt 20 km weiter, und
heute Nacht, sowie morgen den ganzen Tag soll es stürmen und regnen.
Wildzelten wäre eher abenteuerlich. Auf dem Campingplatz kriege ich
einen unromantischen Stellplatz, der nach Kanalisation riecht, aber der
Rest ist schön gelegen, mitten im Olivenhain, ganz viel coole Kakteen.
Es ist halt ein Hippie -Kletterer-Zeltplatz, keiner ist wirklich
verantwortlich, aber alle sind sehr nett und ein bisschen bekifft. Und
die Campingkatze kommt vorbei zur Zeltinspektion, cool! Ein
vegetarisches Lasagne zum Znacht gibt's auch, was will ich mehr. Ein
schöner Halb-Ruhetag.
Valle de Abdalajis - El Chorro (via Escalera arabe), 11 km
Ardales, 9. März 2024
Etwa um Mitternacht kommt, wie angesagt, der heftige Regen. Es trommelt dermassen auf's Zeltdach dass ich nicht schlafen kann. Gegen zwei Uhr tröpfelt es mir ins Gesicht, weil sich neben meinem Zelt eine grosse Pfütze gebildet hat, und von unten unters Zelt spritzt. Nicht gut... Ich schlafe trotzdem ein bisschen, aber kurz vor vier Uhr gluckert es unter meiner Luftmatratze. Gar nicht gut, da läuft ein Bach unter meinem Zelt durch! Und bald schwappt es auch über den Rand rein ins Zelt, ich versuche verzweifelt, alles auf der Luftmatratze in Sicherheit zu bringen. Ausserdem stinkt es gottsjämmerlich, ich fürchte, das Wasser kommt nicht nur von oben, sondern auch aus der Kanalisation. Hinter mir rumpelt es auch verdächtigt, der terrassierte Campingplatz ist nicht sehr professionell gebaut und die Erde ist total gesättigt vom Regen. Da ich keine Lust habe, unter einer Schlammlawine begraben zu werden oder in einer Pipi-Pfütze zu schwimmen, beschliesse ich, das Zelt abzubauen. An Schlaf ist eh nicht mehr zu denken. Im strömenden Regen möglichst trocken den Rucksack einzupacken und Zelt abzubauen ist nie spassig, aber morgens um vier im Dunkeln, bei übelstem Gestank und alles voller rotem Schlamm? Ich kann mir vorstellen, dass dies der Tiefpunkt meiner Ferien wird. Es ist eine Riesensauerei, aber immerhin schaffe ich es einigermassen trocken in die Campinküche, wo ich mir etwas frustriert einen Nescafé und Bananenbrot zum Frühstück gönne, aber immerhin noch eine verschlafene Campingkatze streicheln kann. Danach laufe ich los, denn es wird ja nicht besser mit dem Wetter heute. Leider wird es in Spanien um die Jahreszeit erst um acht so richtig hell. Die ersten drei Stunden stapfe ich also fast komplett im Dunkeln durch die Gegend. Zunächst ganz runter an den Staudamm bei der El Chorro-Schlucht, und dann auf der anderen Seite alles wieder hoch. Ich verzichte auf den Wanderweg und steige auf der Teerstrasse auf, bis es hell ist, um die Uhrzeit ist kaum Verkehr. Leider regnet es weiter, nur kurz sind die Regenpausen. Bald gebe ich es auf, die Regensachen auszuziehen, 5 Minuten später muss ich alles wieder anziehen. Die Landschaft, die ich im Dunkeln bzw Morgengrauen durchschreite, wäre vermutlich ein spektakulärer Felscanyon, aber das lässt sich nur erahnen. Als es hell wird, laufe ich eine Weile durch einen richtigen Wald mit Felsen und Höhlen (yay, trockenes Znüni!), dann durch lichte Hügellandschaft, alles sehr grün. Eigentlich schön, doch der Regen und bald auch der eisige Wind lassen mich praktisch ohne Halt durchmarschieren bis Ardales, wo ich glücklicherweise ein Zimmer reserviert habe. Bald ist ist alles voll gehängt mit tropfender Ausrüstung, am Boden bilden sich rotbraune Pfützen. Das Zimmermädchen wird mich hassen... Nach einer heissen Dusche schlüpfe ich unter die Bettdecke, während der Regen weiter an die Fenster trommelt. Ein chilliger Nachmittag im Bett, ganz nett für einen verregneten Samstag ☺️.
El Chorro - Ardales, 19 km
El Burgo, 10. März 2024
Heute morgen nehme ich es gemütlich, frühstücke ausführlich und ungesund
("Desayuno Frankfurt" mit Speck, Würstchen und Eier, aber hey - auch
zwei Tomaten!). So kommt es dass ich erst nach zehn Uhr los laufe. Der
Himmel ist blau, aber es geht ein eisiger Wind, ich überlege fast, die
Handschuhe rauszukramen. Eigentlich will ich heute endlich mal wild
zelten, denn bis ins nächste Dorf ist es weit und dazwischen liegt
gemäss Karte hübsche Berglandschaft mit guten Zeltmöglichkeiten. Doch
obwohl der Wetterbericht mir versichert, heute sei das Wetter gut, werde
ich schon am Dorfausgang das erste mal verschifft. Der eisige Regen
kommt voll von vorne, mit dem Schirm ist es schwierig, bis ich die
Regenausrüstung anhabe, scheint schon wieder die Sonne. Landschaftlich
ist es heute sehr schön und abwechslungsreich. Zwar laufe ich immer noch
auf Strassen (mehrheitlich zum Glück ungeteert), aber ich komme an
einer Burg vorbei und es gibt viel Aussicht auf Berge (mit Schnee oben
drauf), Felswände, und auch urige Bergwälder. Dazwischen immer mal
wieder einsame, hübsche gelegene weisse Bauernhöfe mit Olivenhaine und
Mandelbäumen. Einige wenige tragen sogar noch Blüten. Aber auch sonst
sehe ich viele Blumen. Der Regen von gestern hat die Strasse jedoch
teilweise in eine super klebrige Schlammpiste verwandelt, der Lehm pappt
an meinen Schuhen wie Zement. Und natürlich regnet es etwa einmal die
Stunde. Mittlerweile bin ich schon recht geübt darin, zu erkennen,
welche grauen Wolken sich eisig nass entleeren und welche harmlos sind.
Gegen späteren Nachmittag wird es ziemlich kalt und ich merke, dass ich
trotz der schönen Landschaft einfach keine Lust auf Zelten habe bei dem
unsteten Wetter. Kaum habe ich Empfang, buche ich mir ein Zimmer. Navi
sagt ich komme um acht an, aber ich gebe mir Mühe und schaffe es schon
bis viertel nach sieben. Das Hotel ist gemütlich, ein Feuer brennt im
Kamin. Und weil ich so schnell war, muss ich jetzt warten, bis die Küche
öffnet... 🤣
Ardales - El Burgo, 24 km
Puerto de Lifa, 11. März 2024
Ich geniesse mein schönes Hotel in El Burgo in vollen Zügen, bevor ich
Richtung Ronda aufbreche. Heute ist das Wetter endlich uneingeschränkt
schön, und der Weg führt malerisch dem Rio Turon entlang. Immer tiefer
windet sich der grünblaue Fluss unten im Tal, der Weg steigt an. Heute
begegnen mir erstmals andere Wanderer, obwohl ich vermute, dass die
meisten nur einen ausgedehnten Spaziergang machen. Nach ein paar Stunden
zweigt meine Route plötzlich von der Forststrasse ab, und biegt
erstmals offiziell auf einen richtigen Singletrail ab. Hurra! Meine
Füsse sehnen sich nach weichem Pfad, wo kein Töff und kein Pick-up
hinkommen, und genau das kriege ich heute. Dafür stehe ich eine
Viertelstunde später vor dem ziemlich reissenden Fluss, den ich kurz
davor noch von weit oben bewundert habe, und es gibt keine Brücke.
Humpf. So schnell geht's vom beschaulichen Spaziergang zum
Abenteuer-Urlaub. Aber nach sorgfältigem (10 Sekunden 😂) Abwägen komme
ich zum Schluss, dass ich da jetzt einfach ins kalte Wasser muss,
wortwörtlich. Obwohl die Strömung ziemlich stark ist, kommt mir das
Wasser nur bis zu den Knien, und auf der anderen Seite geht der
Wanderweg ebenso schön weiter. In der Sonne trocknen Schuhe und Socken
bald wieder. Heute führt der Weg über einen richtigen Pass auf über 1100
Metern, und ich bin die grösste Zeit des Tages mit dem Aufstieg
beschäftigt. Ich befinde mich im Naturpark Sierra de las Nieves, es ist
total schön und friedlich. Kurz vor dem Pass stosse ich auf eine Art Alp
mit grossen Schafherden und verbringe fast eine Stunde dort,
hauptsächlich weil ich Wasser filtern muss, aber auch einfach weil
schön. Kurz hinter dem Pass beginne ich, nach geeigneten Zeltplätzen
Ausschau zu halten, aber plötzlich sind alle flachen und geschützten
Stellen abgezäunt, oder es stehen drohende Warnschilder, dies sei
Privatbesitz. Endlich entdecke ich doch noch ein schönes Plätzchen, wo
man nur zu Fuss hinkommt und keiner daran gedacht hat, ein Verbotsschild
aufzustellen. Zum Sonnenuntergang steht das Zelt und im letzten
Abendlicht geniesse ich mein Tütengericht. Die Nacht ist kalt, aber
herrlich ruhig, der Sternenhimmel phänomenal.
El Burgo - Puerto de Lifa, 18 km
Ronda, 12. März 2024
Diesmal klappt es mit dem entspannt zeltle und ich schlafe super, auch
wenn ich jetzt ganz froh bin, zwei(!) Daunenjacken dabei zu haben. Ich
schätze dass es noch knapp über null Grad ist, zum Glück windstill. Bei
Kaffee und Porridge warte ich, dass die Sonne über den Berg kommt und
mich wärmt. Das Tolle an Spanien ist, dass sogar eine Langschläferin wie
ich eine Chance hat, bei Sonnenaufgang alles fertig gepackt zu haben
und loszulaufen - um halb neun ☺️. Es geht jetzt nur noch talwärts,
meine Schatten sind im frühen Morgenlicht riesig. Bald verlasse ich das
schöne Bergtal und wandere durch die windige Hochebene bis Ronda, eine
berühmte Touristendestination in Andalusien. Doch ich muss erst durch
den neuen Stadtteil watscheln, der ist einfach laut und eben eine Stadt.
Dafür finde ich ein billiges Hostal, ganz zentral, sehr nett und das
Beste: ich darf schon am Vormittag aufs Zimmer ☺️. So habe ich bereits
um zwei Uhr alle meine "Aufgaben" erledigt (duschen, Wäsche waschen,
Mittagessen, Ausrüstung putzen) und kann den ganzen Nachmittag Touristin
spielen. Ronda ist wirklich sehenswert, nicht nur die Lage (wie ein
Adlerhorst auf zwei Klippen mit einer berühmten Brücke dazwischen), auch
die maurische Altstadt und die vielen Treppen und Aussichtsbalkone sind
toll. Ausserdem hat es viele Katzen, immer ein Pluspunkt 🥰. Es ist
heute so warm, dass ich mir endlich mal einen eiskalten Tinto de verano
gönne in einem Café 🌞. Währenddessen recherchiere ich die zweite Hälfte
meiner Tour. Leider schaffe ich es wahrscheinlich nicht mehr bis
Tarifa, dazu bin ich einfach zu langsam unterwegs. Aber die nächsten 4
Tage geht es nochmals schön durch die Berge, zuerst durch die Sierra de
Grazalema. Dafür nehme ich mir etwas mehr Zeit und beende meine Tour
dann halt mit dem Bus 😉.
Puerta de Lifa - Ronda (inklusive Stadtrundgang), 12 km
Sierra de Libar, 13. März 2024
Ich geniesse die Stadt und ihre angenehmen Seiten - zum Beispiel ein
Café mit vegetarischen Frühstück! 🥰
Daher ist es später als mir lieb ist, als ich aufbreche. Ich verlasse
Ronda auf einem Jakobsweg mit tollen Aussichten auf die Stadt. Der Weg
folgt einer Weile den Klippen, schön zwischen den Frühlingsblumen führt
er ins Tal und auf der anderen Seite steil hinauf. Diesen Hügel hatte
ich bei der Etappenplanung übersehen, aber das macht nichts, denn der
Wanderweg wird immer schöner. Ich betrete den Naturpark Sierra de
Grazalema, und sehe sogar Steinböcke. Im letzten Dorf für heute tanke
ich 3 Liter Wasser, denn gemäss Wanderkarte gibt's kein Tropfen auf den
nächsten 25 km. Uff ist das schwer! Ich quäle mich ein bisschen den
nächsten Berg hoch, Rücken und Füsse tun mir weh. Zum Glück ist die
Karstlandschaft einmalig schön. Gegen Abend erreiche ich eine Hochebene
mit verwunschenen, riesigen Eichen. Kurz vor Sonnenuntergang finde ich
einen Picknicktisch - ein genialer Zeltplatz, so muss ich meine alten
Knochen nicht auf den kalten Boden setzen zum Kochen. Die Vögel
zwitschern, die Grillen zirpen und Frösche quaken - jawohl, Frösche.
Denn hier oben hat es mehrere Quellen und eine Sumpfwiese, also jede
Menge Wasser. Ich versuche, mich nicht über die lausigen Karten zu
ärgern und geniesse die schöne Abendstimmung.
Ronda - Sierra de Libar, 21 km
Ubrique, 14. März 2024
Obwohl ich mir irgendwann nachts Ohropax reintue gegen die nervige Natur (Zirpen, Quaken, und gelegentlich Kuhglockenbimmeln kann auch den Schlaf rauben), wache ich von alleine im Morgengrauen auf - das Vogelgezwitscher übertönt alles 😂. Trotzdem habe ich herrlich geschlafen und lasse mir viel Zeit beim Frühstück und einpacken, es ist halb zehn, bis ich aufbreche. Irgendwie fliegt die Zeit dahin wenn es gerade so wunderbar erholsam und entspannt ist 😉. Der Wanderweg führt zunächst durch eine Sumpfwiese, was mir zwar nasse Füsse beschert, aber die Wiese ist dermassen übersät mit fantastischen Wildblumen, ich komme eh kaum voran vor lauter fotografieren. Danach führt der Weg steinig und steil über einen Pass ins nächste Dorf, wieder eines der vielen Pueblos blancos, die so typisch sind für die Gegend, und hübsch dazu. Bei Sonnenschein braucht man eine Sonnenbrille, um so ein Dorf zu durchwandern, so gleissend hell erstrahlen sie. Aber ich will noch bis ins nächste Dorf und wandere weiter. Ein Ziegenhirt zeigt mir eine Abkürzung über einen - naja, Ziegenpfad ist wohl das richtige Wort, aber besser als die Strasse, auch wenn ich erstmals wirklich gut auf meine Füsse schauen muss auf der Tour. Nach Ubrique geht's nämlich einfach noch 500 Höhenmeter runter, auf ziemlich direktem Weg 😅. Dort angekommen, bestaune ich eine weitere weisse Kleinstadt. Die Gassen zu meiner Ferienwohnung sind sehr eng, trotzdem quetschen sich da Autos und sogar Lieferwagen durch. Die haben echt gute Nerven. Meine Ferienwohnung ist wunderbar, klein aber herzig, und es hat eine richtige Küche. Obwohl mir Beine und Füsse schmerzen, mache ich mich also nochmals auf zum Supermarkt, um eine riesige Portion Gemüse (frische Spargeln aus der Region, für einmal ganz saisonal um die Jahreszeit 🤤) und Tortellini mit Gorgonzola die zu kaufen. Ein Festmahl! Leider ist die Ferienwohnung fürs kommende Wochenende schon ausgebucht, sonst würde ich glatt hier bleiben. Meine Füsse sehnen sich nach einer Pause. Morgen "muss" ich noch mal 20 km wandern, doch dann buche ich mich gleich für 2 Nächte ein. Ich freue mich schon auf einen Ruhetag! 🥰
Sierra de Libar - Ubrique, 20 km
Cortes de la Frontera, 15. März 2024
Schweren Herzens verlasse ich meine schöne Ferienwohnung und breche zu
meiner (wahrscheinlich) letzten, langen Wanderung auf. Ich habe ein
Hotelzimmer in Cortes de La Frontera gefunden, mein Navi sagt, 20 km auf
Feldwegen. Da ich nun den offiziellen Wanderweg verlasse, studiere ich
die Karte etwas genauer und prüfe auch auf Satellitenkarten, ob die Wege
wirklich existieren. Das sieht alles gut aus, und ich laufe beschwingt
los. Zwar verfranse ich mich bereits am Ortsrand von Ubrique, aber da
kann ich noch lachen. Nach ein paar Kilometern versuche ich die erste
Abkürzung über die Wiese und scheitere bald an einem Stacheldrahtzaun.
OK wieder zurück, zum Glück nur ein paar hundert Meter, und Umweg
suchen.
Ein paar Kilometer geht das gut, ich überquere die Fahrstrasse
nach Cortes und biege in die nächste Schotterpiste ab. Es geht schon
ordentlich bergauf, aber ich komme an vielen Bauernhöfen vorbei, wo alle
möglichen Tiere herumlaufen: Schweine, Esel, Truthähne, Kühe, Hühner,
Gänse, Ziegen, Schafe und natürlich Hunde. An jedem Hof werde ich
angebellt, das ist jedoch in Spanien normal und ich habe mich
mittlerweile daran gewöhnt. Die Hunde sind in 90% der Fälle hinter einem
robusten Zaun und manchmal sogar an Ketten, aber auch die freilaufenden
waren bisher eigentlich ganz lieb, nur etwas übereifrige Kläffer. An
diesem einen Hof jedoch hat es mindestens 5 gigantische Bestien, die
total ausflippen und sich geifernd und sabbernd in ihre (erschreckend
dünnen) Ketten werfen und den Zaun anspringen, dass es richtig wackelt.
Ich hoffe, die Ketten halten, denn sonst hätte mein letztes Stündchen
geschlagen. Weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Ich gehe
schnell weiter. Doch dann kommt die Ernüchterung: jemand hat ein Gatter
aufgestellt und die Strasse abgesperrt. Es ist mit einem dicken Schloss
verriegelt, links und rechts 2 Meter hoch der Stacheldrahtzaun. Dahinter
führt die Strasse hübsch weiter bergauf, aber über den Zaun komme ich
nicht ohne Schäden drüber. Und wer weiss was mich auf der anderen Seite
erwartet. Mehr Höllenhunde, schlimmstenfalls. Frustriert kehre ich um,
mehrere Kilometer wieder zurück bergab. Ich versuche nochmals eine
Abkürzung und lande auf einer Weide voller Stiere. Gopferdammi jetzt
reicht's aber! Die Stiere interessieren sich zwar nicht für mich (uff),
aber mittlerweile ist es fast zwei Uhr und ich stehe auf der
Fahrstrasse, über die es noch 18 km und 600 Höhenmeter sind. Es wäre
schon zu schaffen, viel Verkehr ist nicht, die Landschaft schön, es geht
durch den Nationalpark. Aber ich bin durch meine Verzettelei zu spät
dran, würde erst um 21 Uhr etwa ankommen... Nun, es gibt keinen Bus,
also laufe ich los (Power Walking), und halte bei jedem Auto den Daumen
hoch. Etwa alle 5 Minuten kommt eines, aber obwohl alle viel Platz
hätten, nimmt mich niemand mit. Erst als ich schon fast am verzweifeln
bin, hält ein kleiner Lieferwagen an und fragt mich, ob ich englisch
kann. Äh, ja? In dem Fall soll ich einsteigen, und an der nächsten
Haltebucht schauen wir zusammen auf der Karte, wo ich hin muss, und ob
mein Fahrer, Brad, da auch vorbei kommt. Er ist Engländer, aber lebt
seit 3 Jahren in Spanien, arbeit als Lieferdienst, Zügelauto und hat
auch sonst noch ein paar Jobs. Er ist super gut drauf, fährt zum Glück
in meine Richtung und wir quasseln drauf los für die nächsten knapp 20
km, bis er mich pünktlich zur Siesta in Cortes de La Frontera absetzt.
Endlich jemand zum richtig unterhalten! Ich merke langsam, wie einsam
diese Ferien bisher waren, ich habe so wenig Menschen getroffen...
Wow, was für eine glückliche Wendung, diese Mitfahrgelegenheit! Ich
gönne mir erst mal einen Tinto de verano auf der Plaza des hübschen
Dorfes, bevor ich mein Hotel suche. Und dann chille ich den restlichen
Nachmittag im Park 😅.
Ubrique - Cortes de La Frontera, 12 km (gewandert/ + ca. 16km per
Autostopp)
Cortes de la Frontera, 16. März 2024
Heute ist endlich Ruhetag und Faulenzen angesagt. Ich liege bis mittags im Bett und entscheide mich dann für eine kurze leichte Tageswanderung in die Berge hinter Cortes de la Sierra. Es findet gerade ein mega Trailrunning event statt, natürlich genau auf meiner Wanderroute 😂. Die Fahnen dafür habe ich schon seit Ronda gesehen, es ist ein 100-Meilen-Lauf (zumindest steht das auf den Fähnchen). Hut ab wer das in einem Stück rennen mag, ich brauche dazu fast die ganzen Ferien... Aber die Supersportler schleppen natürlich auch kein Gepäck über die Berge und haben Verpflegungsstände. Dazu werden sie auch noch beklatscht in jedem Dorf, das motiviert schon noch. Das könnte man doch auch für die Wanderer machen, oder? 😅🤔
Ganz oben am Berg habe ich eine super Aussicht auf die Strasse von Gibraltar und Afrika - das Atlasgebirge hebt sich deutlich aus dem Dunst empor, die Meerenge kann man nur erahnen. Trotzdem, coole Sache, viel hätte nicht mehr gefehlt, um die Füsse nass zu machen in Tarifa. Aber hier ist es auch schön, und ich beende meine Wanderung eigentlich lieber in den Bergen als am Strand. Morgen wandere ich nur noch ins Tal zum Bahnhof und fahre zurück nach Malaga. Am Dienstag geht's dann nach Hause 😭.
13 km (Tageswanderung)
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