Antalya, 1. April 2023
Aufgrund der nasskalten Wetterlage in ganz Mitteleuropa entscheide ich
mich ziemlich spontan für einen Flug nach Antalya. Bei strömendem Regen
hebe ich ab in Zürich, bei Sonnenschein und T-Shirt-Wetter lande ich in
der Südtürkei, ganz wie die Werbung verspricht. Nur lege ich mich nicht 2
Wochen an den Strand in einer Hotelburg, wie vermutlich fast alle
anderen in meinem Flugi, nein - ich mache eine Wanderung auf dem
lykischen Weg. Die Ankunftshalle in Antalya ist leider hauptsächlich für
die Pauschaltouristen konzipiert, aber irgendwie finde ich dann doch
noch raus, wo ich ein Ticket für das öffentliche Tram ins Stadtzentrum
kriege. Pro-Tipp: einfach die Kreditkarte am Gate zum Gleis auf das
Kartenlesegerät legen, und durchlaufen. 😆
Mein nächstes Ziel ist eine Gaskartusche für meinen Kocher. Im Zentrum
sehe ich leider nichts dergleichen, und in meiner Pension kann niemand
wirklich englisch. Eine Touri Info finde ich auch nicht.
Outdoor-Geschäfte habe ich daheim bereits abgecheckt, die haben alle zu
oder keine Gaskartuschen auf Lager. Also mal Dr Google fragen. Der
schickt mich zu einem Gas-Verticker in einem definitiv nicht mehr
touristischen Quartier. Dort ist aber zu. Im Hardware store daneben ist
ein älterer Mann sehr hilfsbereit, kann kein Wort englisch aber kommt
gut mit Google translate und Google maps klar. Er schickt mich ans
andere Ende der Stadt. Dafür ist mir der Abend zu schade, ich laufe
weiter und frage nochmals Google. Er schickt mich zum nächsten
Gasanbieter zwei Blocks weiter. Dort haben sie Gaskartuschen, aber
natürlich nur das Modell "Türkische Grossfamilie". Ein Fass also, taugt
nix. Aber die Herren sind ebenfalls sehr hilfsbereit und telefonieren
eine Runde. Schliesslich hält mir einer sein Handy ans Ohr und ich
erkläre mein Dilemma. Zum Glück kann mein unsichtbares gegenüber prima
englisch. Er fragt die richtigen Fragen (welcher Verschluss, Grösse) und
nennt mir einen Preis der durchaus akzeptabel ist. Und hey - er bringt
es mir vorbei. Eine Viertelstunde später fährt er mit dem Roller vor.
Yay, ich kann kochen! Das will ich feiern, am liebsten mit einem
überteuerten Bier beim Hadrians Tor. Dort will mich aber keiner
bedienen, obwohl die Mitarbeiter voll Langeweile haben, also ziehe ich
weiter in die Altstadt und finde kurz darauf eine Bar, wo mir eine junge
Türkin speditiv ein tolles Bier zapft. Danach schlendere ich durch die
Gassen zum Meer, wo ich mich bei herrlicher Aussicht und eher schlechtem
"Seafood" aufs Abenteuer "Lykischer Weg" einstimme.
Ölüdeniz, 2. April
Los geht's! Früh um acht - so glaube ich zumindest - schletze ich mein
Frühstück im hübschen Innenhof meiner Pension (mit blühendem Kirschbaum)
runter. Danach bringt mich ein Taxi zum Busbahnhof, der ziemlich weit
nördlich vom Zentrum liegt. Dort angekommen, realisiere ich dann, dass
mein 9-Uhr-Bus schon lange weg ist - weil mein Handy die Zeit nicht
automatisch umgestellt hat, war ich seit gestern Nachmittag eine Stunde
zu spät dran. So bescheuert. 🤦 Na gut, der nächste Bus geht zum Glück
bald. Die Strecke führt durch die Berge, wo noch viel Schnee liegt, aber
die sind ja auch fast 3000 Meter hoch. Auf 1500m wo die Strasse
verläuft, blühen die Mandeln und es erinnert an Spanien. Nach
dreieinhalb Stunden geht's endlich bergab und wir rollen in Fethiye ein.
Hier ist es so warm, dass mir gleich der Schweiss ausbricht und ich
panisch noch eine zweite 1.5l Wasserflasche kaufe. Danach bringt mich
ein pumpenvolles Sammeltaxi zum Start des Trails hoch über Öludeniz. Der
Einstieg ist nicht vielversprechend, eine staubige Strasse zwischen den
Hotelanlagen. Doch dann stehe ich plötzlich vor dem berühmten Schild
"Lykia Yolu". Jemand macht ein Foto von mir und dann marschiere ich los.
Kozagac, 2. April
Der lykische Weg beginnt zunächst flach, es geht sogar ein bisschen
bergab. Nur langsam steigt der Weg, zunächst ziemlich sanft. Das ist
super, denn ich bin schon sehr am Schwitzen mit meinen 3 Liter Wasser
und Essen für 3 Tage. Vermutlich zuviel, wie immer 🫣. Die Aussicht ist
aber herrlich, ein guter Grund, häufig anzuhalten und zurück zu schauen
auf die Blaue Lagune von Öludeniz. Es dauert eine Weile bis der
Zivilisationslärm auch noch weg ist. Dafür wird die Natur immer schöner.
Vieles blüht am Wegrand. Vor mir kriecht plötzlich eine Schildkröte
über den Weg - sehr gemütlich hier! Ich schwitze noch ein paar Stunden,
bis ich endlich oben bin (für heute) und ins erste Bergdorf komme. Hier
gibt's Gözleme (türkische Pfannkuchen) und frischgepressten Orangensaft,
lecker! Abends laufe ich noch ein paar Kilometer weiter bis zu einem
schönen flachen Fleck mit Aussicht auf das Mittelmeer. Aus der Ferne
singt leise der Muezzin zum Tagesende.
8.5 km Öludeniz - Kozagac
Seydikemer, 3. April
Nach 9 Stunden Schlaf schaffe ich es sogar, mit der Sonne aufzustehen,
etwas Porridge hinunterzuwürgen und um acht loszulaufen. Heute soll es
ein sonniger Tag werden und ich möchte so weit wie möglich laufen bei
gutem Wetter, denn morgen kommt Regen. Anfangs läuft es gut, fast nur
bergab oder flach. Leider führt der Weg oft der Strasse oder Feldwegen
entlang, manchmal aber auch durch die Hinterhöfe der kleinen Dörfer und
zwischen den Feldern und Terrassen hindurch. Es ist interessant, wie
unterschiedlich die kleinen Bergdörfer sind. In den einen wird gebaut
was das Zeug hält, hässliche Rohbau-Villen überall. Irgendwo kreischt
immer eine Säge oder wummert ein Bagger. In anderen Dörflein herrscht
ländliche Idylle wie vor 50 Jahren, völlig ruhig. Die Müllentsorgung ist
auch sehr verschieden. Einige haben alle paar Meter eine Mülltonne, bei
anderen Dörfern geschieht die Entsorgung hauptsächlich im Hinterhof, im
Bachbett und in den Olivenhainen, durch die der Weg führt. Das treibt
mich zwar an, den Ort schnell hinter mir zu lassen, aber wirklich gute
Laune macht es nicht. In einem der sympathischeren Dörfer gönne ich mir
ein leckeres zweites Frühstück mit richtigem Kaffee, die Stimmung hebt
sich. Weiter geht's durch die Terrassen und Felder, mittlerweile ist es
Mittag und brütend heiss. Ein alter Opa bietet frischgepressten
Orangensaft unter schattigen Oliven an, da greife ich gleich zu. Danach
kommt endlich ein schöner Wanderweg, der sich in ein Tal hinein- und am
Ende wieder hinausdchlängelt. Fantastische Felsen ragen aus den
wohlriechenden Kiefern. Der Aufstieg nach Alinca ist steil, aber
herrlich. Immer wieder tolle Aussicht aufs tiefblaue Meer unter mir,
Felswände über mir. Als ich endlich oben ankomme, ist es schon später
Nachmittag. Ich gönne mir das erste Bier auf der Wanderung und laufe
noch etwas in den Abend hinein, auf der Suche nach einem guten
Zeltplatz. Doch die nächsten Kilometer ist der Weg ziemlich ausgesetzt
und steil, was zwar fantastische Bilder im Abendlicht gibt, aber keinen
guten Zeltplatz. Der Wind, der schon den ganzen Tag bläst, mausert sich
langsam zum Sturm, es haut mich fast aus den Schuhen. Windgeschützte
Zeltplätze gibt's keine. Endlich, die Sonne geht gerade unter, finde ich
eine flache Terrasse zwischen den blühenden Obstbäumen. Es dauert eine
Weile, bis das flatternde Zelt steht, und das Pasta-Kochen ist auch eine
Herausforderung bei dem Wind. Endlich liege ich im Schlafsack, doch an
Einschlafen ist nicht zu denken. Der Sturmwind lässt die Zeltplane
knattern und drückt die Trekkingstöcke (meine Zeltstangen) ein - das ist
mir noch nie passiert. Immer wieder muss ich die Stöcke ausfahren, doch
wenige Minuten später sind sie wieder einen halben Meter kürzer. Dafür
braucht es ziemlich viel Kraft! Irgendwann gebe ich auf und lasse dem
Sturm seine Spielchen - ich haue mir Ohrstöpsel rein und kuschle mich in
meinem halbeingestürzten Flunder-Zelt ein. Zum Glück regnet es nicht,
da macht das ja nichts. Nur der Sand, den der Sturm überall (und ich
meine, überall) reinwirbelt, ist weniger lustig. Aber irgendwie geht die
Nacht vorbei.
21 km Kozagac - Seydikemer
Lyk, 4. April
Ich erwache ziemlich gerädert noch vor dem Wecker, es wird gerade hell.
Der Wind bläst ungebrochen weiter, an ein warmes Frühstück ist nicht zu
denken. Daher packe ich einfach schnell zusammen und laufe los, in der
Hoffnung, im nächsten Dorf ein nettes Café mit Frühstück zu finden.
Heute ist der Himmel grau und es ist ziemlich kühl. Vorbei an uralten
Zisternen aus musulmanischer Zeit, durch blühende Wiesen und Olivenhaine
geht der Weg. Manchmal fegt mich der Wind fast davon. Endlich sehe ich
am Horizont ein Minarett - super! Denn wo Minarett, da Moschee und somit
ein richtiges Dorf mit Menschen, die auch Hunger und Durst haben. Dort
gibt es auch tatsächlich ein Café, sogar mit kleinem Ofen. Somit ist es
zwar rauchig aber kuschelig warm, während ich zum Frühstück meine
Gözleme verschlinge. Danach geht's wieder raus. Bald beginnt es zu
regnen. Doch es kommt kein Trübsal auf, denn plötzlich stehe ich vor
einem lykischen Grab - einem gigantischen Steinsarkophag, mitten in der
Pampa, direkt am Wanderweg. Fantastisch! Es werden noch viele solcher
Gräber folgen, aber das erste fasziniert mich natürlich sehr. Über den
lykischen Totenkult ist wenig bekannt. Der Regen wird immer stärker,
Zeit für die volle Regenmontur. Es hört zwar bald wieder auf, bleibt
aber verhangen, sogar richtig neblig, bis am Nachmittag. Da kommt dann
die Sonne nochmals richtig raus und bringt mich im steilen Abstieg
doppelt ins Schwitzen. Heute habe ich mich in eine Pension eingebucht,
weil für die Nacht starker Regen uns Gewitter angesagt sind. Ausserdem
wäre eine Dusche mal wieder nett 😆. In der Pension werde ich freundlich
begrüsst, auch wenn fast niemand englisch kann. Das Zimmer ist zwar
nicht sehr sauber, aber die Dusche ist prima und das selbstgekochte
Abendessen der Mamma schmeckt. Bei rauschendem Regen falle ich bald ins
Bett.
18 km
18 km Seydikemer - Lyk
Kalkan, 5. April
Heute nehme ich es gemütlich und geniesse das Frühstück auf der Terrasse
des Hotels. Der lykische Weg führt die nächsten etwa 60 km nicht sehr
prickelnd durch ein flaches Flussdelta, welches sehr fruchtbar ist. Das
hat Vorteile: so haben sich hier bereits zahlreiche alte Zivilisationen
angesiedelt (Lykier, Griechen, etc), aber natürlich wird die Ebene auch
heute noch stark genutzt und bewohnt. Somit ist es mit Wildnis erst mal
vorbei, der Wanderweg führt hauptsächlich der Strasse entlang. Zunächst
lasse ich mich nicht kleinkriegen und folge dem Feldweg, der durchs
schwüle, fast tropische Sumpfland führt, wo zahlreiche Vögel, Schafe,
Schildkröten und Trilliarden von Winzfliegen leben. Bald aber ist es mit
Natur vorbei, nun laufe ich stundenlang zwischen den
Tomatentreibhäusern dahin. Bei der antiken Anlage Letoon mache ich eine
willkommene Pause und schaue mir die Ruinen an. Ein Amphitheater, drei
Tempel (für Apollo, Artemis und ihre Mutter Leto), eine heilige Quelle,
in der heute die Wasserschildkröten baden, und eine berühmte Stele mit
mehrsprachiger Inschrift, wodurch man Lykisch entziffern konnte. Danach
laufe ich noch einen Kilometer in der Bruthitze, bevor ich den Daumen
raushalte, weil die Strasse einfach bescheuert ist als Wanderweg.
Ziemlich schnell werde ich mitgenommen und schaue mir im nächsten Dorf
das Unesco Weltkulturerbe Xanthos an, eine Stadt der Lykier. Einiges
haben sie selbst zerstört, anderes wurde von den Briten "mitgenommen"
ins British Museum, aber was noch da ist, ist ziemlich cool. Ein etwas
eindrücklicheres Amphitheater, ein paar weltberühmte lykische Gräber,
eine antike Marmorstrasse, ja eine ganze Nekropolis steht da rum. Sehr
spannend. Leider fehlen etwas die Erklärungen. So setze ich mich halt
zwischen den Gräbern hin und lese bei Wikipedia nach. Abends nehme ich
den Bus bis Kalkan und überspringe somit etwa 2-3 Etappen, die durch
diese Tiefebene führen. Morgen geht's wieder in die Berge.
Ca. 16 km gewandert, Rest Bus/Autostopp
Saribelen, 6. April
Ich schlafe gemütlich aus und geniesse das Frühstück auf der Terrasse
mit Meerblick. Heute habe ich keinen Stress, denn die verbleibende
Trekkingroute bis Kaš ist nicht mal mehr 60 km lang. Daher profitiere
ich vom hübschen Hotelzimmer und mache mich erst auf die Socken, als der
nette Rezeptionist aus Burkina Faso etwas zu freundlich wird und mir
plötzlich anfängt die Schultern zu massieren während er mir tief in die
Augen blickt. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert 😆. Nichts wie
los jetzt! Heute geht's eigentlich nur bergauf, denn der lykische Weg
führt zurück in die Berge, auf fast 1000 Meter. Der Anstieg ist, mal
abgesehen von den extrem steilen Strassen aus der Stadt hinaus, ganz
angenehm, und während ich ein Hörbuch zur Ablenkung höre, purzeln die
Höhenmeter. Auf dem ersten Pass holt mich dann die Regenwolke ein, die
ich schon lange sehe, aber gekonnt ignoriere, denn gemäss Wetterbericht
sollte es erst am Abend regnen. Die Regenwolke hält sich nicht an den
Plan, und so stelle ich mich im nächsten Dorf erst mal bei der Moschee
unter, bis das Schlimmste vorbei ist. Danach geht's weiter zum nächsten
Pass, nun wird es doch langsam steil und der Weg verliert sich etwas im
Gebüsch. Auf dem zweiten Pass habe ich dann eine herrliche Aussicht auf
das Hochtal unter mir, allerdings auch auf die schwarzen, tiefhängenden
Wolken. Und plötzlich stehe ich mitten in einem ehemaligen Waldbrand,
nur noch nackte, schwarze Stämme und Äste ragen aus dem Boden. Die
schwarze Erde ist zwar übersät mit winzigen Margriten, trotzdem eine
eher düstere Stimmung. Ausserdem führt der Weg so steil hinunter ins
Tal, und der Weg ist dermassen erodiert, dass ich teilweise auf dem
Hosenboden runterrutschen muss. Als ich unten ankomme, sehe ich aus wie
ein Kaminfeger, und nun kommt der "richtige" Regen, es donnert, blitzt
und schüttet. Meine Motivation, zu zelten, sinkt rapide. Am Abzweiger
nach Saribelen werde ich von einer Meute bellender Hunde in Empfang
genommen. Das passiert einem in der Türkei ab und zu mal, bisher waren
die giftigen Kläffer jedoch immer angebundenen oder wurden von ihrem
Besitzer zurückgepfiffen. Vor den riesigen Hirtenhunden hier habe ich
schon tierisch (haha) Respekt, auch weil sie mit ihren martialisch
anmutenden Halsbändern, mit Eisenkrallen bespickt, wie die wahren
Höllenhunde aussehen. Aber auch diese Begegnungen verliefen bisher immer
total friedlich, die Hunde verhielten sich wie unsere
Herdenschutzhunde: mal höflich desinteressiert, mal kläffendes
Imponiergehabe, aber immer auf Abstand. Dieses Rudel hier sind aber
wahrscheinlich Strassenhunde. Wie ein Empfangskomittee aus der Hölle
rennen sie bellend auf mich zu. Ich versuche ruhig zu bleiben und rede
leise auf sie ein. Ich sage in solchen Situationen immer so putzige
Sachen wie "Ja fein machst du das, du herziger Schnuggiputz", in der
Hoffnung, dass die Macho-Hunde dann peinlich berührt abziehen. Heute
wirkt es nicht, einer schleicht sich auch noch von hinten an. Doch dann
geschieht etwas Überraschendes: der Hund, der sich von hinten
angeschlichen hat, beschnuppert mich einmal kurz, stellt sich dann
demonstrativ an meine rechte Seite und verscheucht die anderen Struppel.
Während ich erleichtert weiterlaufe ins Dorf, weicht er mir nicht von
der Seite und übt seinen Hundeblick. Der erhofft sich jetzt bestimmt
eine Kommission bei der ersten Pension, wo er mich zielstrebig hinführt.
Dort steht auch schon die Pensions-Besitzerin in der Tür und wittert
ihre Chance, denn der Regen fällt nun so stark, dass ich sogar von unten
nass werde. Als sie mich freundlich hereinruft, muss sie nicht zweimal
bitten. Mittels Telefonjoker (ihr Sohn) übersetzt sie mir, was ein
Zimmer mit Abendessen und Frühstück kostet, und ich stimme begeistert
zu. Es ist ein sehr schönes Haus, die Zimmer zwar einfach, aber mit
rundum verglaster Veranda und gemütlichen Möbeln. Dort sitze ich kurz
danach, frisch geduscht, einen heissen Tee in der Hand, und schaue dem
Hagelsturm draussen zu. Es kühlt auch merklich ab. Der Regen prasselt
gemütlich auf's Wellblechdach, während ich mich mit zwei kanadischen
Wanderern unterhalte und ein fantastisches Nachtessen geniesse.
Kalkan - Saribelen, 14 km
Gokceoren, 7. April
Heute ist mein Geburtstag. Das Frühstück in der Pension Karafil ist ein
wahres Fest, der Tag fängt ja schon mal gut an. Allerdings regnet es
noch, und so sitze ich gemütlich mit meinen kanadischen Mitwanderern
beim Zmorge, bis es aufhört. Mit einem Schlag kommt die Sonne raus, Zeit
zum loslaufen. Direkt vor der Tür wartet schon jemand auf mich: der
liebe Hund von gestern. Einen Kumpel hat er auch dabei. Die Kanadier
hatten mir erzählt, dass sie zwei Hunde aus Kalkan den ganzen Tag
begleitet hatten - das müssen die zwei sein. Die Vierbeiner scheinen den
lykischen Weg gut zu kennen, sie laufen vor mir und biegen an jedem
Abzweiger korrekt ab. Am Dorfausgang warten noch ein paar Wauzis, einige
nur, um mich anzubellen, andere schliessen sich spontan an. Als ich das
Dorf verlasse, folgen mir 4 Hunde. Ich frage mich natürlich schon, was
das soll - wieso haben sie sich ausgerechnet mich ausgesucht? Ich bin ja
eigentlich ein Katzenmensch, und versuche, jedes Büsi am Weg zu
streicheln, aber um die Hunde mache ich sonst eher einen Bogen. Naja,
dagegen tun kann ich wenig, sie lassen sich nicht mit Geschrei oder
Stöcke fuchteln vertreiben, im Gegenteil. Und wirklich schlagen oder
Steine werfen bringe ich nicht übers Herz. Also füge ich mich in mein
Rudel. Der Weg ist sehr aufgeweicht, der Schlamm klebt mir zentnerschwer
an den Schuhen. Alle 100 Meter muss ich meine Sohlen vom Dreck
befreien, sonst hätte ich dauernd Plateauschuhe. So komme ich nur
langsam voran, aber da der Weg heute insgesamt ziemlich flach in der
Höhe verläuft, ist das kein Problem. Irgendwann überholen mich die
Kanadier und nehmen die Hundemeute mit. Die Landschaft ist herrlich
heute, es geht abwechselnd durch dichte Macchia und fruchtbare
Hochtäler, wo die Obstbäume und Wiesen in voller Blüte stehen. Im
letzten Dorf für heute kehren alle Wanderer in die Pension dort ein, nur
ich will noch weiter, ist ja erst drei Uhr. Am Dorfausgang stehen dann
wieder Dumbo und Floppy parat (so nenne ich jetzt meine vierbeinigen
Begleiter). Ich versuche, sie zum Bleiben zu bewegen, keine Chance. Was
sie nicht wissen: ich habe nur gerade genug zu essen für mich dabei, und
in diesem Dorf gibt's keinen Laden. Aber das ist den beiden völlig
schnurz, sie haben Lust auf wandern. So gehen wir gemütlich weiter bis
zum Sonnenuntergang, wo ich ein herrliches Plätzchen an einem Bach auf
einer flachen, steinfreien Blumenwiese finde. Traumhafte Abendstimmung!
Allerdings wird es kalt und feucht hier, sobald die Sonne weg ist -
schnell meine Fertignudeln kochen und ab ins Zelt. Den Hunden gebe ich
ein bisschen von meinem ungeliebten Porridge und noch je ein Würstchen,
das muss reichen. Sie gucken jetzt nicht mehr ganz so begeistert, Dumbo
versucht es noch mit traurigen Augen und seufzt, Floppy rollt sich zu
einer Kugel und pennt schon. Ich auch bald. Es wird eine kalte Nacht,
ich schätze, nur wenig über dem Gefrierpunkt. Mein Schlafsack hält mich
zum Glück kuschelig warm, auch wenn am Morgen alles feucht ist. Es ist
wunderbar still, nur ab und zu höre ich ein Käuzchen.
22 km
Kaş, 8. April
Als ich früh erwache, ist alles ziemlich feucht vom Kondenswasser im Zelt, und die Hunde zittern draussen im nasskalten Gras. Die Temperatur war wahrscheinlich knapp über null die Nacht. Für mich gibt's einen Nescafé und für uns drei einen grossen Topf Porridge. Floppy und ich würgen das Zeug runter, Dumbo guckt bloss verächtlich. Selber schuld, ich weiss, dass wir heute wieder ziemlich Höhenmeter machen. Floppy scheint das auch zu ahnen, und Dumbo... Naja. Nomen est Omen. Über eine Stunde steigen wir auf zum ersten Pass. Dort brauche ich eine Pause und werde von einer türkischen Wandergruppe überholt. Die Hunde, völlig treulose Kerle, lassen mich sitzen und schliessen sich dem neuen Rudel an. Die Futter-Aussichten sind bei 8 Wanderern vermutlich besser. Ich geniesse die Aussicht auf das verschneite Taurus Gebirge, aber kämpfe, wie auch die anderen Wanderer, mit der dichten Macchia. Der lykische Weg ist hier fast zugewachsen, und das Gestrüpp links und rechts ist leider fies kratzbürstig und stachelig, es besteht hauptsächlich aus Stechpalmen. Ich lasse tüchtig Federn: meine Leggins, Gaitors und Schuhe strotzen vor Löcher und sind nach dieser Tour reif für die Tonne. Ein fieser Dornenbusch halbiert meine Kopfhörer, somit ist fertig mit Hörbücher, jetzt ist wieder Vogelgezwitscher angesagt. Die Spitze meines Trekkingstockes ist auch irgendwo abgebrochen. Nach einer Weile bin ich etwas entnervt und wünsche mir schon fast wieder einen drögen Feldweg. Endlich erreiche ich den letzten Pass für heute, dort befindet sich die alte lykische Festung Phellos, die wahrscheinlich dazu diente, die Stadt Antiphellos (heute Kas) zu schützen. Das Amphitheater erkenne ich nicht mehr im Gebüsch, aber von der Nekropolis ist noch was zu sehen, ausserdem eine tolle Aussicht auf die Küste und mein Endziel dieser Wanderung, Kas. Bis dahin ist es allerdings noch eine Weile.
Die türkische Wandergruppe habe ich wieder eingeholt, und auch die Hunde. Ich grüsse freundlich und überhole sie wieder. Die Hunde folgen mir eine Weile, dann wittern sie (vermutlich) Wildschweine und zischen ab. Endlich erreiche ich das nächste Dorf, doch leider existiert das Café dort nicht mehr. Die türkische Wandertruppe hat mich wieder eingeholt und weiss von einem kleinen Laden in der Nähe, wo es Snacks gibt, und hält einen Traktor an, auf dem wir alle mitfahren können. Es sollte mich ja nicht überraschen, aber vor dem Laden sitzt bereits Dumbo und guckte sehnsüchtig auf die vielen Leckereien im Lädeli. Woher er wusste, dass dieser Laden existiert, oder dass wir alle hier vorbeikommen (er liegt nicht am Weg und ist auf keiner Karte verzeichnet...)? Mystery. Floppy ist wohl noch bei den Wildschweinen. Nach ein paar Zuckerbomben laufe ich weiter, Dumbo springt freudig auf. Es ist ein bisschen lästig, mit ihm durchs Dorf zu laufen, denn die Dorfhunde drehen fast durch ob dem Neuling, und er ist kein Held. Aber irgendwann sind wir am letzten Haus vorbei und durchqueren nochmals eine schöne Hochebene. Dumbo kriegt meine letzte Salametti, dann verschwindet er im wahrsten Sinne des Wortes am Horizont und lässt mich ohne ein Wort des Abschieds zurück. Ich vermute, ich finde ihn dann unten in Kas wieder in der Hundebar. Endlich erreiche ich den Rand der Hochebene und nach einem letzten Kampf durchs Dickicht stehe ich auf den Felsklippen hoch über Kas und geniesse eine fantastische Aussicht. Jetzt nur noch knapp 600 Höhenmeter Abstieg, dann gibt's endlich das Zielbier, eine heisse Dusche und einen leckeren Sultans Kebab 🤩.
26 km
Kas, 9. April
Ruhetag in Kas. Ich schlafe aus, geniesse ein tolles Frühstück auf der
Dachterrasse meiner Pension und spaziere dann durch die Altstadt von
Kas. Hunderte von Restaurants, Souvenirläden und Touranbieter kämpfen
hier um die Aufmerksamkeit der noch eher wenigen Touristen. Mir ist es
ein bisschen zu anstrengend, so laufe ich der Küste entlang bis zum
ersten Ministrand und verbringe den Nachmittag in einem gemütlichen Café
über dem Meer. Zum Schwimmen ist es noch zu kalt. Gegen Abend besuche
ich noch das Amphitheater zum Sonnenuntergang. Obwohl der Himmel bedeckt
ist, ist die Stimmung dennoch schön dramatisch. Danach gönne ich mir
ein leckeres Znacht und teile meinen Burger mit einem armseligen
Kätzchen.
Liman beach, 10. April
Heute bin ich noch etwas auf dem lykischen Weg weiter gewandert bis zum Liman Beach und dann wieder zurück. Ein schöner Spaziergang zum Abschluss meiner Ferien, mit ein bisschen Abenteuer (der Weg war plötzlich ein Klettersteig) , einem Schuss Gewitter und einem schönen kitschblauen Strand, der jedoch noch zu kalt zum Baden war. Zum Abschluss sogar noch viel Sonne und fast heiss. Dann gemütlich Aperitif in der Beach Bar zurück in Kas und heute Abend koche ich mir mein Abendessen selber auf dem Balkon, um meine wertvolle Gaskartusche wenigstens noch ein bisschen auszureizen.
12 km
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