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Auf dem Israel National Trail durch die Negev-Wüste




Eilat, 1. -2. Januar

Gut gelandet am Roten Meer in Eilat! Die Sonne scheint, es ist angenehm warm, und so verbringen wir unseren ersten Urlaubstag am und im Wasser, oder besser gesagt: unter Wasser. Die wahre Schönheit von Eilat offenbart sich nämlich in den Korallenriffen. Wir schnorcheln am Coral Beach bis wir vor Kälte schlottern. Abends gibt's ein leckeres Mezze und Pasta. 
Am nächsten Tag machen wir noch mal einen Ausflug unter Wasser. Weil das Schnorcheln mit dem Wind und entsprechend Wellengang doch etwas ungemütlich ist, gehen wir ins Underwater Observatory, eine Unterwasser-Aussichtsplattform direkt über dem Korallenriff. Das Ding ist aus den Siebziger Jahren (so sieht's auch aus), aber mega cool. Man läuft auf einem Steg raus zu der riesigen Boie und steigt dort über Treppen in die Unterwasser-Aussichtsplattform hinab. Wir sind hin und weg, kleben eineinhalb Stunden vor den etwas zerschrammten Scheiben und staunten über die vorbeiziehenden Fische und die Pracht der Korallen. Die Fische, für welche wir gestern noch viel Salzwasser geschluckt und uns den Ar... abgefroren hatte, können wir nun gemütlich bestaunen und sogar fotografieren. Wobei die Fotos leider nicht so toll wurden (Schummerlicht und zerkratztes Plexiglas). Aber ihr müsst euch jetzt trotzdem durch eine Tonne Blaulicht-Fisch-Fotos kämpfen, ich habe schon aussortiert. Ausserdem gab es eine tolle 3D-Show über Buckelwale, ein paar traurige Meeresschildkröten und Stingrays in trüben Becken, im Gegensatz dazu das neuere, riesige Haifischbecken mit Rochen und Hammerhaien, ziemlich cool. Die Haie werden mit einer Art Kettenhandschuh "gestreichelt" und finden das sichtbar angenehm, man könnte fast meinen, die lächeln und schnurren. Zum Feierabend gehen wir noch ins Irish Pub und ich probiere ein israelisches Bier namens Alma, den Witz verstehen nur Bibliothekare. Abends kochen wir uns leckere russische Pelmeni mit Gorgonzola. Morgen fahren wir zum Wandern in die Wüste und sind ein paar Tage offline.
 
 

 
 

Raham-Etek Campsite, 3. Januar

 Wir fahren mit dem Bus aus Eilat raus bis zum Red Canyon, direkt an der ägyptischen Grenze. Von hier wollen wir nach Neot Semadar wandern, 5 Tage mit dem Zelt durch die Negevwüste. Der Red Canyon ist ein beliebtes Ausflugsziel in den Eilat Mountains, denn es führt eine kurze, aber abenteuerliche Wanderung durch den engen Slot Canyon. Von der Bushaltestelle geht's erst mal gemächlich bergab durch die Steinwüste, weg vom hässlichen Grenzzaun. Langsam gräbt sich der Canyon in den Fels, das Flussbett und der Wanderweg werden immer enger. Bald steigen die roten Felswände hoch über uns auf. Der Weg wird zu Eisentritten und Leitern und führt immer tiefer hinunter. Fantastisch! Leider viel zu früh ist der Canyon vorbei und die meisten Leute kehren um, zurück zum Auto. Wir aber folgen dem Canyon weiter talabwärts ins Wadi Shani. Das Tal weitet sich und wir wandern gemütlich im kiesigen, trockenen Flussbett. Die roten Felswände sind nun plötzlich gelb, dann wieder rot, später grün und weiss. Wahnsinn, diese Farbpalette! Von Weitem sieht die Wüste einfach braun aus, doch von Nahem ist sie sehr bunt. Wir sehen auch die ersten wilden Tiere, zunächst nur ein paar Vögel, dann ein einzelnes flauschiges Rock Hyrax, und plötzlich ganz viele von denen. Der Weg führt nun über grosse Boulder, oder um riesige Felsbrocken herum, wir müssen auch ab und zu mal ein bisschen die Hände zu Hilfe nehmen. Dummerweise sind unsere Rucksäcke heute sehr schwer, mit Essen für 5 Tage und etwa sechs Liter Wasser. Da fehlt etwas die Eleganz beim Kraxeln. Aber die fantastische Landschaft entschädigt für die schmerzenden Schultern und Hüfte. Auch Versteinerungen hat es viele, ein Geologentraum hier. Jeder Stein ist wunderschön, man möchte am liebsten alle einpacken. Gut sind unsere Rucksäcke schon schwer genug, da kommt man gar nicht auf so dumme Ideen. Am Nachmittag sehen wir dann noch eine Herde nubischer Steinböcke (die sehen eigentlich fast so aus wie unsere), inklusive Jungtiere - jööö! Wir sind hin und weg. Allerdings müssen wir noch eine Weile kraxeln und wandern bis zu unserem Night Camp, und so reissen wir uns los von den herzigen Steinböcken. In der Negev darf man nicht einfach überall wild campen, sondern nur in bestimmten Night Camps. Diese haben in der Regel einen Wassertank und ein Plumpsklo, das ist ziemlich cool. Denn trotz der Regenfälle im Winter ist die Negevwüste furztrocken. Natürliche Quellen gibt's so gut wie keine, hie und da mal ein schlammiges Wasserloch. Kurz vor Sonnenuntergang sehen wir noch mal ein paar lustige Rock Hyraxe beim Klettern und Rennen. Sie sehen ein bisschen aus wie Murmeltiere, aber flauschiger und viel schneller! Ausserdem leben sie in den Felsen. Endlich sind wir angekommen im Nachtlager, am Rand des mittlerweile sehr breiten Flusstal. Der Wassertank ist voll, so haben wir unnötig viel Wasser gebuckelt heute, aber lieber so als Durst leiden. Wir kochen uns einen Feierabend-Kaffee und danach ein leckeres Gemüsecouscous. Um fünf wird's dunkel und kalt, und so sind wir schon sehr früh im Schlafsack und versuchen zu schlafen. Ein wunderbarer erster Wandertag! Red Canyon - Raham-Etek night camp, 17 km
 
 
 

Timna Park Visitor center, 4. Januar

 
Morgens um sechs wird's hell, und wir kochen gemütlich Kaffee, während die Sonne langsam über den Berg steigt und uns wärmt. Zum Frühstück gibt's Reste vom Couscous mit Dattelsirup. Die Ranger kommen vorbei und füllen den Wassertank, aus der Ferne sehen wir auch einen anderen Wanderer. Bald sind wir auch wieder auf dem Shvil unterwegs. So heisst der Israel Trail auf hebräisch, Shvilistim nennt man die Wanderer. Der Shvil ist ein Weitwanderweg durch ganz Israel, etwa 1000 km lang. Wir folgen ihm für etwa 70 km in den nächsten Tagen. Wir wandern heute Morgen weiter im breiten, sandigen Flussbett, bestaunen bunte Kiesel und windschiefe Bäume mit langen Dornen. Durch den kürzlichen starken Regen blüht und grünt es in den Wadis. Nach einer Weile verlassen wir unser Tal und steigen eine menschgemachte Abräumhalde hoch, die jedoch auch sehr interessant ist, da die Felsen und der Sand hier kunterbunt zusammengeschaufelt wurden. Wie ein grosser bunter Sandkasten. Hinter der Abräumhalde liegt der Timna National Park. Wir freuen uns auf ein feines Zmittag im Timna Café. Leider ist die Bedienung total unmotiviert und das Essen wird in einem halben Dutzend winziger Plastikboxen serviert. Aber es schmeckt immerhin, auch wenn wir noch ein Cookie nachlegen müssen. Gut gestärkt laufen wir weiter. Am Nachmittag geht's hoch auf den ersten Berg, den Timna Peak. Zunächst gemütlich, dann immer steiler hoch klettert der Weg. Puh, anstrengend! Auch wenn die Rucksäcke heute bedeutend leichter sind. Ausserdem geraten wir im Aufstieg mitten in eine riesige Gruppe Teenager auf Schulausflug, die lautstark den Berg hoch und runter krakeelen. Ein paar einheimische Wanderer laden uns kurz vor dem Gipfel auf einen Kaffee ein (wir erfahren von ihnen, dass Israelis immer ihren Kaffeekocher mitschleppen). Nach einer gemütlichen Pause nehmen wir die letzten Höhenmeter in Angriff, auf allen Vieren geht es fast vertikal nach oben. Der Gipfel des Mount Timna ist dann hingegen flach, ein richtiger Tafelberg. Wir geniessen die herrliche Aussicht auf die Felsformationen des Nationalparks und die Tafelberge am Horizont, die wir morgen erklimmen. Dazwischen weit und sandig das Timna Valley. Fantastisch! Leider müssen wir wieder genauso senkrecht vom Berg runter, immer noch inmitten von riesigen Schulklassen. Es geht über Eisentritte und schmale Felskanten runter, dann über schottrige Rutschpartien, plötzlich wieder eine 3 Meter hohe Felskante, die es irgendwie runterzuklettern gilt. Nicht alle Wanderer sind gerüstet für den durchaus anspruchsvollen Abstieg, und die Teenager haben wenig Geduld mit den ängstlicheren Ausflüglern. Und wir mittendrin mit unseren Riesenrucksäcken... Ziemlich stressig. Der Abstieg zieht sich in die Länge, aber die marsähnliche Landschaft verzaubert uns im Abendlicht. In Israel geht die Sonne früh unter, und wir erreichen das Visitor center am Park-Eingang beim letzten Tageslicht. Dort empfiehlt uns der Ranger, gleich hier zu campen, statt noch weiter zum Night Camp zu wandern, was uns auch recht ist. Es hat fliessend Wasser, Toiletten, Strom und ein paar Picknicktische für die Wanderer. Rasch steht unser Zelt, und wir zählen unsere Vorräte durch. Wir realisieren gerade, dass es knapp werden könnte mit dem Essen, da taucht im Dunkeln noch ein polnischer Radfahrer auf, der sich ebenfalls über den netten gratis Zeltplatz freut, und viel zu viel Essen dabei hat. Und erst noch leckere Sachen, selbst dehydrierte Trekking-Menüs wie Linsensuppe, Pasta oder Süsskartoffelbrei. Er bietet uns spontan ein paar seiner Mahlzeiten an, wir revanchieren uns mit Kaffee. Leider finden wir jedoch keine Nachtruhe bis sehr spät, immer wieder treffen Auto-Camper ein, schlagen Türen und machen Lärm, auch eine Alarmanlage geht mehrfach los. Irgendwann stopfe ich mir frustriert die Oropax rein und schlafe endlich ein. Raham-Etek night camp - Timna Park Visitor center, 16 km
 

 

 Be'er Milhan campsite, 5. Januar

 
Heute haben wir die Wahl: entweder eine sehr lange oder eine recht kurze Etappe bis zum nächsten, bzw übernächsten Nachtlager. Da wir jetzt mehr als genug Essen dabei haben, und nach der unruhigen Nacht auch nicht wirklich früh loskommen, ist der Fall klar: kurze Etappe 😉. Die hat es trotzdem in sich, denn heute ist es ziemlich warm und wir müssen aufs Plateau hinauf steigen, etwa 600 Höhenmeter. Wir schwitzen ordentlich und die Wasservorräte verdunsten irgendwie schnell heute. Aber die Landschaft ist absolut spektakulär, eine Mischung zwischen dem Südwesten der USA und dem argentinischen Altiplano. Steil ragen die Canyon Wände auf, die Felsen leuchten in allen Farben. Wieder hat es viele bunte Steine und interessante Versteinerungen. Tiere sehen wir keine heute (ausser ein paar Vögel abends), Menschen hat es auch nicht viele. Erst gegen Nachmittag kommen uns Wanderer entgegen - fast alles blutjunge Israelinnen, die den Shvil Israel in seiner ganzen 1000km Länge laufen und bald am Ende ihrer 2-3monatigen Wanderung angelangt sind. Entsprechend fröhlich lachend kommen die Mädels uns entgegen. Nur noch ein paar Tage wandern bis zu ihrem Ziel (und der grossen Party) in Eilat am Roten Meer. Ich beneide sie ein bisschen, erinnere mich wehmütig an meine Via Alpina Wanderung und das unbeschreibliche Gefühl am Ende einer so langen Reise, man möchte gleichzeitig weinen und jubeln. Wir haben endlich die Hochebene erreicht und blicken ein letztes Mal zurück auf den Timna Park, bevor wir in eine ganz andere Landschaft eintauchen. Fast wie auf dem Altiplano in Bolivien. Die letzten Kilometer zum Night Camp ziehen sich, die Aussage der topfitten Shvilistim Mädels, "ihr seid gleich da!", trifft auf uns nicht ganz zu. Dennoch erreichen wir das Camp vor Sonnenuntergang und geniessen einen schönen Abend. Es hat noch andere Wanderer hier, die uns gleich zum Kaffee einladen. Ein wunderbarer Sonnenuntergang, der Vollmond und eine leckere polnische Mahlzeit versüssen die eisige Nacht und trösten darüber hinweg, dass das Wasser aus dem Plastiktank schrecklich schmeckt. Timna Park - Beer Milhan, 13 km
 
 

Shaharut Night camp, 6. Januar

 
Nachts wird es eisig, am Morgen ist das Kondenswasser im Zelt gefroren und wir kratzen Eis von der Zeltplane. Igitt... Winter in der Wüste! Es dauert eine Weile bis wir warm werden. Glücklicherweise kommt die Sonne hier oben auf der Hochebene früher als unten im Canyon. Die Vögel betteln von den Frühstücksflocken und ein etwas grösseres Tier hat nachts den Müllbeutel unserer Zeltnachbarn zerfetzt und übers halbe Night Camp verteilt. Die haben aber auch lecker gekocht gestern Abend, mit Thunfisch und selbstgemachtem Tahine. Da hatte wohl ein Wüstenfüchslein oder Koyote eine kleine Party. Wir buckeln unsere Rucksäcke, hauen ein bisschen Elektrolytepülverchen ins gruusige Wasser und marschieren los in die karge Landschaft. Heute ist die Landschaft wieder ganz anders. Sanfte Hügel aus unterschiedlich bunt gefärbtem Kies ist das Motto heute. Der Weg wellt fest, hoch über einen Pass, runter ins nächste Wadi, hoch über den nächsten Pass... Repeat. Plötzlich stehen wir wieder an einer Abbruchkante und blicken runter ins weite Arava Tal, unten der Highway 90 und die vielen Plantagen der Israelis, drüben erheben sich die jordanischen Berge, im Süden funkelt ein letztes Mal das Rote Meer. Plötzlich hat es kugelrunde Felsen am Wegrand, wie gigantische Lindorkugeln. Wo die wohl herkommen? Heute treffen wir nur eine riesige Senioren-Wandergruppe, ansonsten sind wir ganz alleine. Kurz vor dem Tagesziel führt der Weg nochmals durch ein schönes Wadi und an einem tiefen Canyon vorbei, dann sehen wir plötzlich wieder Zivilisation - eine Strasse und Stromleitungen. Ganz in der Nähe befindet sich unser Night Camp, schön ruhig in einem kleinen Seitental, aber mit richtig fliessend Wasser, Holz und Toiletten, dazu netten Leuten. Ein junger Shvil Wanderer hat Besuch erhalten von seinen Eltern zum Shabbat, sie sind mit dem Auto abgereist, zelten hier mit ihm und wandern dann gemeinsam mit ihm am nächsten Tag eine Monster-Etappe bis zum Timna Park. Aber da die ganze Familie super sportlich ist (alles Marathon-Läufer), ist das für die so wie für unsereins eine Säntis-Wanderung. Wir kochen uns eine leckere Mahlzeit von dem polnischen Radfahrer und werden danach ans Feuer der Israeli eingeladen, wo es leckere Brownies und eine Schüssel Pasta zum Frühstück gibt. Am Feuer sehe ich eine Wahnsinns-Sternschnuppe, bin dann aber unsicher, ob es nicht eher eine Rakete war - rundherum sind israelische Armeegebiete, wo geballert wird. Nachts höre ich Koyoten oder Schakale heulen. Ansonsten schlafe ich aber herrlich in der Wüste. Beer Milhan - Shaharut, 20 km
 
 
 

Neot Semadar, 7.-9. Januar

Unser letzter Wandertag. Der Anfang ist sehr desolat, topfeben geht's durch die Steinwüste, am Horizont flimmert die Luft. Nur ein paar komische Antennen und Wasserleitungen ragen aus der kargen Landschaft. Es würde mich nicht wundern wenn gleich R2D2 angepiepst käme, oder ein Raumschiff landet. Noch einmal geht es über einen Berg, bevor wir definitiv wieder in Zivilisationsnähe kommen. Der Shvil führt ab hier einige Tage lang der Strasse entlang, ziemlich monoton. Abfall säumt die Strasse, aber auch 4000 Jahre alte Ausgrabungen. Ein Leopardentempel wurde schön ausgegraben, die restlichen "Mauern", wahrscheinlich ebenso alt, werden von der Wüste langsam zugedeckt. Nach ein paar Kilometern kommen wir an den Kasuy Dünen vorbei, richtig schönen Sanddünen, so wie aus der Bilderbuch-Wüste. Hier sind auch einige Shabbat-Ausflügler unterwegs mit Pick-up und Sandboards. Wir geniessen die Sanddünen von unten. Eine "Abkürzung" nach Neot Semadar, die nicht der Strasse entlang führt, lassen wir nach einem Kilometer durch Sand waten bleiben, geniessen ein letztes Picknick in der Wüste und marschieren dann noch etwa drei Stunden der Strasse entlang. Natürlich hätten wir stöppeln können, und irgendwann tun auch sie Füsse weh, aber mit guter Musik geht's auch vorbei. Endlich, kurz vor Sonnenuntergang, erreichen wir die Kreuzung mit dem bekannten Vegi-Restaurant des Kibutz, in dem wir heute bleiben wollen. Es ist sogar noch offen und so kommen wir noch zu einem Zielbier, bevor wir zum Kibutz weiter gehen. Shvil Wanderer dürfen dort kostenlos übernachten und essen, aber dafür ist es erwünscht, dass man einen Tag als Volunteer im Kibutz mithilft. Alle Wanderer, die uns entgegen kamen, haben das gemacht und schwärmten davon. So ein Kibutz-Aufenthalt gehört zu einer Israelreise einfach dazu wie der Hummus. Wir finden den Wanderer-Campingplatz und irgendwann auch den Knopf für den Boiler der Dusche, ansonsten ist es sehr still hier - immer noch Shabbat. Irgendwann spät abends tauchen ein paar Mädels und eine verschmuste Katze auf und erklären uns wie der Kibutz funktioniert und dass der Arbeitstag morgen früh um sechs anfängt. 😱 Nichts wie ab ins Bett in dem Fall!  
Shaharut - Neot Semadar, 24 km
 

 
 
Während zwei Tagen arbeiten wir im Kibutz mit. Der erste Tag beginnt chaotisch, keiner fühlt sich für uns zuständig, die Küchenchefin erbarmt sich schliesslich und gibt uns ein paar Kartoffeln zum waschen. Danach decken wir den Tisch und bereiten das Frühstück vor. Der Tagesablauf hier ist ziemlich schräg, um 6 Uhr beginnt der Arbeitstag, um halb neun gibt's Frühstück. Das ist ausserordentlich lecker und reichlich, viel Gemüse, Brot, Tahine, Oliven, Käse, Eier... 🤤🤤🤤 Danach findet eine Versammlung statt und die Arbeiten, für die es noch nicht genug Freiwillige hat, werden verteilt. Noch immer haben wir keine Ahnung wo wir uns nützlich machen sollen, da taucht endlich Eylal auf und nimmt und mit in die Food factory. Hier werden Bio-Oliven, Biosaft, etc hergestellt. Heute ist Zitronen schnippeln angesagt. Die kommen dann zusammen mit Chilischote und Pfeffer in die Olivenfässer für den Geschmack. Wir halbieren den ganzen Tag frische Zitronen, eine ganze Palette voll. Ein toller Job, es duftet herrlich, auch wenn wir alle niesen müssen, wenn wieder ein frischer Sack Chili geöffnet wird. Auch die Hände sind irgendwann nur noch schrumplig und rissig. Trotzdem macht es Spass, wir lachen viel und schwatzen mit den anderen Volunteers. Um halb eins ist Mittagspause, aber das Mittagessen gibt's erst um 15 Uhr. Da ist dann auch Feierabend für uns volunteers. Das Essen schmeckt wieder ganz toll. Das Gemüse wird fast alles hier angebaut, es gibt dazu Kartoffeln, Reis, Kichererbsen und Linsen. Alles ist vegetarisch, es gibt keine industriell verarbeiteten Lebensmittel hier. Wir besichtigen das Art center, geniessen einen kitschigen Sonnenuntergang vom Dach und streicheln die Katzen. Beim Abendessen sind wir immer noch ziemlich satt, aber das ist die einzige Mahlzeit, ab der Gespräche erlaubt sind, darum setzen wir uns natürlich dazu und erfahren etwas mehr über die andern Bewohner des Kibutz. Etwa 200 Leute leben hier, davon über 70 Freiwillige. Die andern sind Künstler, aber auch Alteingesessene (einige Volunteers bleiben einfach hängen 😉), und ein paar sind im Rahmen von Ausbildungen hier. Nachts heulen die Koyoten. Kurz vor Tagwache beginnt es eiskalt zu regnen, blöd - wir haben alle unsere Sachen verstreut und müssen im Dunkeln rumtapsen. Der zweite Arbeitstag ist anstrengender, heute wird Saft abgefüllt. Da geht's laut zu, alle Maschinen sind in Betrieb. Das Packen ist unser Job, das gibt Muskelkater, und mit Plaudern ist heute nicht viel. Nach dem Essen nehmen wir den Bus zurück nach Eilat, wo wir noch einen Ruhetag (und für mich Genesung, weil Schnupfen) einlegen bevor es nach Jerusalem geht. 


 

 

Jerusalem, 11.-14 Januar

 
Eine lange Busfahrt mit Hindernissen und Umwegen via Tel Aviv bringt uns nach Jerusalem. Knapp erkennen wir das Tote Meer aus der Ferne. Unser Airbnb in Jerusalem ist zum Glück in einem schönen ruhigen Wohngebiet.
 

 
 
Am nächsten Tag besichtigen wir die Altstadt von Jerusalem, hier befinden sich fast alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, und fast alle sind hochheilig - entweder für die Christen, Moslems, Juden oder alle zusammen. Wir schliessen uns einer Stadtführung an und bekommen so einen tollen ersten Eindruck des armenischen, jüdischen, arabischen und christlichen Viertels. Guide Yani weiss viele Details und erzählt sie auf unterhaltsame Art und Weise, getreu den "Guide rules", "don't ruin a good story with historical facts". Mit der Regel "don't talk about politics" wird es schwierig in Jerusalem, wie er selbst zugibt (und das Thema recht elegant einbringt). Er weist uns auch regelmässig auf die Hauptgefahren in Old town Jerusalem hin: von einer Taube verschissen werden oder über eine der unregelmässigen Stufen stolpern. Sven wird Opfer der Tauben, mich hauts dafür mehrfach fast auf den Latz. In wirren Kreisen und durch den verwinkelten Souk geht's in 2 Stunden wieder zurück zum Jaffa Gate. Danach brauchen wir erst mal eine Stärkung in einem der vielen Kebabstände im Souk. Nach einer leckeren Mahlzeit und einem überteuerten Tee schauen wir uns die Klagemauer von Nahem an, quälen uns durch die Security und beobachten - getrennt nach ♂️♀️- das andächtige Beten. Danach wollen wir weiter zum Felsendom, doch die knappen Besuchzeiten für Nichtmuslime sind schon vorbei - und öffnet auch nicht wieder bevor wir abfliegen. Die israelische Polizei schickt uns ziemlich rabiat weg. Mist. Na gut, wir versuchen es beim österreichischen Pilgerhospiz, dort gibt es nämlich eine schöne Dachterrasse und ein gemütliches Kaffeehaus ganz ohne Trubel. Wohltat! Auf dem Dach hat man eine tolle Aussicht auf den Felsendom (die berühmte goldene Kuppel) auf dem Tempelberg und die Al Aksa Moschee dahinter. Ein junges Palästinenserpärchen macht Fotoshooting. Sie erzählen, dass es für sie eine besondere Gelegenheit ist, hier zu sein, da sie spezielle Papiere brauchen, um hierher zu kommen. Die Moschee ist die drittwichtigste im Islam, nach Mekka und Medina, von hier ist Mohammed in den Himmel aufgestiegen. Aber auch Abraham hat hier seinen Sohn Isaak geopfert (bzw. natürlich Rettung in letzter Sekunde durch Gott), somit ist der Ort auch von Juden und Christen heiss begehrt und der Status der Beziehung "ist kompliziert". Als wir den jungen Palästinenser erzählen, dass wir morgen nach Betlehem wollen (was in Palästina liegt), geben sie uns einen Tip: "Glaubt keinem ein Wort, sobald ihr den Check Point hinter euch habt!" Das tönt abschreckend, aber es sollte sich traurigerweise als sehr wertvoller Tipp herausstellen. Gut gestärkt versuchen wir unser Glück bei der Grabkirche, doch die ist so gestossen voll dass nicht mal mehr ein Spaghetti reinpasst. Stattdessen streicheln wir einen liebeshungrigen Kater vor der Kirche, der mit aufdringlichen Schmuse-Attacken über die erschöpften Touristen herfällt. Wir verschieben alle weiteren Sightseeing-Pläne auf den nächsten Tag und ziehen uns in eine Expat Bar zurück, bevor wir abends den Yehudine Market besuchen. Heute ist der Abend vor Shabbat und somit Ausgangsnacht der Jugend. Der Foodmarkt wird gerade aufgeräumt und überall erscheinen Pop up bars, Strassenmusikanten und die Jugend ist in Festlaune.
 

 
 
Tags darauf wollen wir auf eigene Faust nach Betlehem, hauptsächlich um die berühmten Graffiti von Banksy zu sehen. Gemäss Internet keine grosse Sache. Mit dem Tram zum arabischen Busbahnhof ist noch ein Klacks, dann geht der Ärger schon los. Jemand erzählt uns, der Bus, der bis ins Zentrum von Betlehem (in Palästina) fährt, geht heute nicht, nur der Bus bis zum Checkpoint 300 an der Grenze. Also steigen wir eben dort ein. Die Fahrt dauert keine halbe Stunde, und den Checkpoint passieren wir ohne Probleme, allerdings müssen wir durch einige düstere Gänge und Drehkreuze, das ganze erinnert stark an der Grenze zwischen USA und Mexiko in Tijuana. Uns wird auch klar, dass wir auf dem Rückweg nicht so locker-flockig durchkommen. Hinter dem Checkpoint warten eine halbe Hundertschaft Taxifahrer, die sich wie die Geier auf uns stürzen. Jeder will uns weismachen dass wir hier unmöglich zu Fuss durch können (Quatsch), dass wir in die falsche Richtung laufen (Gugus), dass sie uns kostenlos rumführen und beraten (haha), dass wir den Banksy ohne sie unmöglich finden (hallo Google). Es ist extrem nervig und aufdringlich. Erst nach ein paar hundert Metern sind wir sie los. Wir spazieren direkt an der gewaltigen Mauer entlang. Sie ist viel höher als man im Fernsehen erahnt, und hier ist sie bunt bemalt und besprayt. Nicht alles ist Kunst, manches ist doof, aber einige Sprayereien lassen einem schmunzeln oder machen nachdenklich. Einen Banksy sehen wir noch nicht, aber das Walled Off Hotel kommt in Sicht. Ein Kaffee und ein WC wäre jetzt nett, gern auch drinnen, denn draussen ist es kalt und vor allem laut, da direkt an der Strasse. Das Hotel verlangt jedoch Eintritt, und so drehen wir frustriert um, es nervt uns zu sehr. Zurück geht es noch langsamer, denn obwohl wir mit unseren europäischen Pässen keine Probleme haben, ist dieser Checkpoint eine richtige Schikane. Die Palästinenser sind allerdings auch keine Engel, es wird geschubst, gedrängelt und gejammert wo nur geht. Unsere Laune ist schon ziemlich im Keller, bis wir zurück in Jerusalem sind. Dafür ist heute in der Grabeskirche wenig los und wir können uns die angebliche Kreuzungsstelle und das Grab von Jesus anschauen. Viel sieht man natürlich nicht, man muss halt glauben. Es ist auch alles total zugebaut, in typischer Christenmanier: eine Kathedrale über der Kapelle über dem Schrein über der Krypta über dem eigentlichen bisschen Fels. Hier haben sich alle Konfessionen gleichzeitig ausgetobt. Die orthodoxen Mosaike und Malereien gefallen mir am besten. Die Grabeskirche wird regelmässig ausgeräuchert von zwei ziemlich schroffen orthodoxen Priestern, die auch die Touristen einweisen für die Schlange vor dem engen Grab Jesus (es hat genau Platz für dreieinhalb Personen, aber vier werden aufs Mal reingelassen - ich bin Nr. 4 und kann kaum stehen). Eindrücklich ist eher, wie sehr das alles gewisse Menschen bewegt, es geht ähnlich zu wie an der Klagemauer. Wir sind danach ziemlich kaputt und ganz begeistert, als wir feststellen, dass das Irish Pub von Jerusalem auch am Freitagabend geöffnet hat und es dort Fish'n'Chips gibt!
 
 
 
 
Was macht man an einem regnerischen Shabbat? Museum! Wir spazieren an unserem letzten Ferientag durchs Regierungsviertel an der Knesset und der Nationalbibliothek vorbei zum Israel Museum. Dort besuchen wir die Qumran-Rollen, das "Jerusalem-vor-2000-Jahren-Miniatur", die Kunst- und Archäologie-Ausstellung. 
 
Nach zwei spannenden, aber sowohl körperlich als auch mental anstrengenden Wochen in Israel freuen wir uns auf daheim.
 
 
 

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