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Grenzwertig-Tour - Der Südosten. Teil 4: Ein bisschen Sentiero Roma.

 


 

25.  Juli 2022. Nächste Etappe: Sentiero Roma mit Chantal! Wir fahren nach Chiavenna und verbringen einen gemütlichen Abend im hübschen Städtchen, essen eine leckere Pizza und geniessen einen lauschigen (aber sehr warmen) Sommerabend auf der Piazza. Morgen früh geht's los!


 26. Juli 2022. Die Bahn bringt uns bis Novate Mezzola, von wo der Sentiero Roma startet. Am ersten Tag müssen wir erst mal in die Berge kommen, denn wir starten auf knapp 200 Meter über Meer. Schon am Morgen ist es brütend heiss.


 

Läckdumier, war das ein anstrengender Tag. Unverhofft dazu noch... Diese Hitze ist einfach abnormal. Der Schweiss fliesst schon auf den ersten Metern, obwohl wir noch grösstenteils im Schatten laufen können. Gnadenlos steil führen endlose Steintreppen hinauf nach Codera. 


 




Die Eidechsen lieben es, wir eher weniger. Wir brauchen eine Ewigkeit und werden immer langsamer, bald fürchten wir, dass dieser erste, eigentlich leichte Wandertag nicht zu schaffen ist bei der Hitze. Aber 1100 Höhenmeter bei 36 Grad im Schatten ist kein Pappenstiel. Das Blut kocht, der Puls rast, der Rucksack ist schwer, obwohl ich nur das Allernötigste eingepackt und weder Zelt noch Schlafsack dabeihabe. Wir schleppen beide einen Klettersteiggurt, Mittagessen für eine Woche sowie viel Wasser mit. Das ist auch gut so, denn die wenigen Brunnen im Aufstieg sind trocken. Erst in Codera finden wir kühles Wasser und Schatten im Rifugio. Das herzige Steindörfchen, welches nur zu Fuss erreichbar ist, können wir kaum richtig schätzen. Im Schatten der Kirche schlafen wir über eine Stunde lang, bevor wir uns aufraffen und weiterschleichen. Diese Bruthitze ist von einem anderen Stern, abnormal. Wenigstens geht's nicht mehr so steil bergauf. Endlich wird es marginal kühler, wir sind langsam etwas in der Höhe, ein kühler Bergwind geht. Gegen halb sechs erreichen wir endlich das Rifugio Brasca, viel später als erwartet. Hoffentlich geht das morgen besser! Immerhin ist die Hütte nicht voll, nur ein knappes Dutzend Leute sind da. Es gibt ein leckeres einheimisches Hopfengetränk und ein super Risotto zum Znacht, und abends gewittert es, was endlich Abkühlung bringt. Nach dem kurzen Hagelschlag rauschen die Wasserfälle wie wild über die Felsen über uns. Wir schlafen herrlich, der Schlaf der Erschöpften. Novate Mezzola - Rifugio Brasca, 13 km


 


 

27. Juli 2022. Heute ist es leicht bewölkt und angenehm kühl, als wir am Morgen loslaufen in Richtung Passo del Barbacan. Die heutige Wanderung ist, wie schon gestern, im Wanderführer als T2 angegeben, erst ab morgen kommen dann die schwierigen Pässe mit den Klettersteig-Passagen. Dennoch sind es über 1400 Höhenmeter und es ist nach wie vor schwül. Schon beim Aufstieg durch den Bergwald schwitzen wir daher wieder wahre Bergbäche. Doch es geht viel leichter als gestern, der Weg ist schön, und bald erreichen wir die Baumgrenze. Unvermindert steil geht es weiter, über eine verlassene Alp, hinauf zu einem scheinbar unüberwindbaren Felskamm. 



 

Der Wind kühlt nun schön, und wir rätseln, welche der Scharten wohl unser Pass ist. Irgendwann erkennen wir, wo wir hinauf müssen, aber es ist noch ewig weit. Chantal erspäht ein paar Gemsen, ein guter Grund für eine Verschnaufpause. Davon müssen wir immer mehr einlegen, der Weg wird immer felsiger und unscheinbarer. Zusätzlich zur Anstrengung kommt noch mühsame Wegfindung und hohe, brüchige Tritte hinzu. 


 

Die letzten Höhenmeter brauchen wir Hände und Füsse, und die Rucksäcke sind echt ein bisschen schwer für diese Passagen. Endlich, endlich sind wir oben. Was für ein schönes Gefühl! Es ist ein Hammer Pass, die Aussicht ist fantastisch, auch wenn kaum Platz für zwei Personen ist da oben. Trotzdem machen wir eine kleine Fotosession. 






 


Wir sehen schon die Gianetti-Hütte unter dem Piz Badile, sieht gar nicht mehr weit aus. Doch der Abstieg ist furchterregend, grad abe geht's - auf dem Hosenboden, mangels guter Tritte und Griffe. Während ich mich zittrig bergab hangle, macht sich meine Wasserflasche selbständig und nimmt die Direttissima ins Tal - bis sie etwa nach 100 Metern zur Einsicht kommt, dass solche Kopf-Voran-Alleingänge nicht so gut kommen, und ordentlich lädiert, aber noch ganz, in einem Distel-Busch den freien Fall unterbricht. Uff! Glück gehabt. Bald ist der Abstieg geschafft, nun sollte es gemäss Karte gaaanz flach noch ein paar Kilometer bis zur Hütte gehen. Tja, denkste. Der "flache" Wanderweg zappelt wild auf und ab, wir brauchen noch eine ganze Weile, bis wir endlich, völlig fertig, über die Schwelle der Gianetti-Hütte stolpern und nach einem Zielbier lechzen. Der kühle Wind ist nun eisig geworden und innerhalb kurzer Zeit bin ich am Schlottern draussen in der Sonne. Wir sind beide völlig erschöpft. Der weitere Weg wäre um ein Vielfaches anspruchsvoller als heute, da weiter und auch viel technischer. Chantal möchte absteigen, und als es zu regnen beginnt (und auch die nächsten Tage regelmässig gewittern und regnen soll), ist für mich auch Schluss mit lustig. Wir geniessen noch den Abend auf der Hütte, aber morgen werden wir absteigen. Rifugio Brasca - Rifugio Gianetti, 10 km


 

28. Juli 2022. Als ich am Morgen aufwache, trommelt der Regen aufs Hüttendach und ich bin richtig froh, dass wir nicht weitergehen bei dem Wetter. Nach dem Frühstück steigen wir im Nebel ab ins Val Masino - immerhin regnet es kaum mehr. Aber der Weg ist nass und rutschig, jede von uns macht mal einen uneleganten Platscher. Ich krache voll auf den Rücken, wo mich zum Glück der vollgepackte Rucksack abfedert, Chantal kann sich noch fangen, aber die Sonnenbrille muss dran glauben. Vier Stunden brauchen wir für den Abstieg, der eigentlich mit 2 h angeschrieben war. Doch es ist ein schöner Weg, vorbei an mächtigen Felsen und einem rauschenden Bach. Und wir haben ja Zeit, denn das Postauto fährt erst am Nachmittag. Die letzten Kilometer auf der Strasse nimmt uns ein nettes französisches Paar mit bis nach San Martino. So können wir sogar noch einen leckeren Kaffee trinken, bevor wir uns auf den Weg nach Chiavenna machen.


 











29. Juli 2022. Ein schöner fauler Tag! Nach gemütlich frühstücken und Käfele in Chiavenna fahren wir mit dem Postauto nach Montespluga ins Rifugio Stuetta. Es schüttet gerade kübelweise Nass vom Himmel, aber am Abend machen wir noch einen kleinen Spaziergang zur Staumauer, wo ich letzten Sommer auf der Via Alpina durchkam. Zum Znacht gibt es leckere Pizzocheri. 


 



30. Juli 2022. Wir haben Glück und ergattern noch das letzte Zimmer im Hotel Vittoria, trotz Wochenende und Hochsaison. So können wir sogar unser Gepäck deponieren, bevor wir loswandern. Heute steigen wir auf zur Bochetta di Ferré und zum Bivacco Val Loga auf fast 2800m. 


 


Es ist ziemlich frisch heute, ein eisiger Wind bläst uns entgegen. Aber mit leichten Rucksäcken ist es schon viel angenehmer aufzusteigen, und im Bivacco hat es ein paar Wolldecken zum aufwärmen. Am Nachmittag kommt dann doch noch die Sonne raus, wir bestaunen den Gletscher des Piz Ferré und steigen wieder ab nach Montespluga. Hier geniessen wir ein winziges aber herziges Zimmer mit super Nachtessen.

 


 





 
 

31. Juli 2022. Heute steigen wir nochmals ein bisschen weiter hoch zu ein paar schönen Bergseen, bevor wir nachhause fahren. Bald lassen wir den nervigen Verkehr auf der Passstrasse hinter uns. Der Aufstieg zum Lago Azzurro hat es aber in sich, ich bin etwas unmotiviert... Der Weg ist ziemlich steil und anstrengend. Der erste See wäre sehr schön, nur blöd, dass die Sonne gleich verschwindet, kaum sind wir da. Dann windet sich der Weg auch noch mühsam um jeden Zipfel des gar nicht so blauen Lago Azzurro, ich bin jetzt definitiv in Stänkerlaune. Endlich geht's bergab zum zweiten See, der einfach nur Bergseeli heisst. Hier scheint wieder die Sonne, und da wir sowieso noch auf's Postauto warten müssen, machen wir eine schöne Siesta in der Sonne (Sonnenbrand inklusive). Nun ist es nicht mehr weit bis zum Splügenpass, von wo aus uns das Postauto nach Hause bringt.
 

 




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