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Glamping im Regen



Wanderlust 2021, Woche 20: 

Meine Reisequarantäne endet am Dienstag und ich habe ein gedrängtes Programm: PCR-Test machen für die erneute Einreise nach Slowenien, Besuch im Transa (Ausrüstung ausbessern), neuen Trailfood einkaufen, und schliesslich abends um sechs endlich der Hauptakt des Tages und Grund der Heimreise: ich kriege meine erste Impfung im Impfzentrum Herisau. Es fühlt sich sehr befreiend an! Oder, wie Sven mich zuhause begrüsst: “Na, fühlst du auch schon den Nimbus der Unbesiegbarkeit?”




Diesmal klappt alles mit dem PCR-Test, und ich reise am Donnerstag zurück nach Slowenien. Es fühlt sich wie ein Deja-Vu an - die gleiche Zugverbindung, einfach drei Wochen später. Es gibt ein paar Unterschiede. Das Wetter ist bei meiner Abreise furchtbar, der Regen verfolgt mich auch den ganzen Tag im Zug. Dafür steht diesmal das Pfingstwochenende bevor und Österreich hat vor einem Tag gelockert, was man auch im Zug merkt. Es sind mehr Reisende unterwegs, und sie haben es lustig - neben mir feiern zwei Damen ausgelassen mit Prosecco. Viele sind auf dem Weg nach Kroatien. Ich steige vorher aus und freue mich über einen warmen Abend in Ljubliana. Auch hier wurde weiter gelockert - die Restaurants dürfen jetzt bis 22 Uhr öffnen, und es wird wieder Essen aufgetischt auf den Terrassen. Was für eine Freude! Ich genehmige mir ein heimisches IPA in der Altstadt am Fluss, am selben Ort wie vor drei Wochen, aber diesmal mit Stil - am Tisch statt auf der Flussmauer. Danach geniesse ich ein ausgezeichnetes vegetarisches Curry und schaue den Fledermäusen vor meinem Hotelfenster zu.





Am Freitagmorgen bringen mich zwei Busse zurück auf den Pass Kladje, an dem ich vor 10 Tagen die Via Alpina verlassen habe. Beschwingt laufe ich los. Das Wetter ist herrlich, die Blumenwiesen blühen.




Im Wald sehe ich ziemlich sicher einen Uhu, aber leider macht der Zoom meiner Kamera ein Pixel-Salat damit.




Nach ein paar Stunden erreiche ich den Eingang zum ehemaligen Partisanenkrankenhaus Franja, einem Freilichtmuseum. Während ich meine Erdnussbuttertortilla mampfe, überlege ich, ob sich der Abstecher lohnt, denn das geheime Krankenhaus aus dem zweiten Weltkrieg liegt tief in einer Schlucht verborgen, damit es von den Nazis nicht gefunden werden konnte. Schlussendlich überwinde ich mich und bereue es nicht. Bereits der Weg dorthin ist spektakulär, und die vielen Schautafeln bringen einem die Geschichte und Schicksale rund um das Partisanenkrankenhaus und der mutigen Ärztin Franja, nach der es benannt ist, näher. An einigen Orten bin ich zu Tränen gerührt. Ich will euch hier nicht mit Details langweilen, ihr könnt das googeln, wenn ihr möchtet, oder hier nachlesen: www.muzej-idrija-cerkno.si










Nach diesem Abstecher in die Geschichte der Region geht es zur Sache - ich steige über 1000 Meter auf zum Porezen, dem ersten “alpinen” Berg auf der Via Alpina. Er ist über 1600m hoch. Steil führt der Wanderweg durch den Wald, Serpentinen scheint man hier nicht zu kennen. Nach mehreren Stunden erreiche ich eine schöne Alpwiese und mache eine Pause.




Mittlerweile ist es schon später Nachmittag, doch es bleiben noch etwa 2 Stunden Marschzeit. Macht nichts, denke ich mir, es ist ja lange hell, und steige weiter. Mir schwebt ein romantischer Zeltplatz auf der Bergspitze vor, mit Ausblick auf einen spektakulären Sonnenuntergang über den slowenischen Voralpen. Der Gipfel des Porezen liegt direkt vor mir.





Doch als ich den Bergrücken erreiche, nur wenige hundert Meter unter dem Gipfel, machen meine Träume einen herrlichen Bauchklatscher, denn es geht ein eisiger Wind, es zieht sich zu und dunkle Wolken türmen sich am Horizont. Aus dem Sonnenuntergang wird nichts, und kein Zelt bleibt in dem Wind stehen. Daher lasse ich das mit dem Gipfel und mache mich mit letzten Kräften auf den Weg zur Hütte. Diese ist zwar noch geschlossen, aber ich hoffe auf ein windgeschütztes Plätzchen. Endlich taucht die Hütte am Horizont auf, es liegen noch die letzten Schneewehen vor dem Eingang. 





Zwar ist alles verriegelt, aber es hat einen Brunnen vor dem Haus (ich Trottel habe also unnötig literweise Wasser den Berg hochgebuckelt) und weiter hinten einen einfachen Holzschupf mit der Aufschrift “Biwak”. Ich gucke hinein und juble - darin befindet sich ein winziger Verschlag mit einem Bett und Tisch. Es hat sogar ein kleines Fenster, aus welchem ich die dramatische Stimmung draussen beobachten kann, während meine Polenta auf dem Gaskocher köchelt. Die Inschriften an der Wand und im Hüttenbuch lassen erahnen, dass ich nicht die erste Via-Alpina-Wandererin bin, die hier Unterschlupf findet.





Nachts wird es trotz Windschutz sehr kalt, ich muss sogar meine Rettungsdecke auspacken, weil ich so zittere unter meinem Schlafsack. Der Wind heult die ganze Nacht und rüttelt an meinem Holzbiwak, ich schlafe nicht sehr gut. Im Morgengrauen klatscht auch der Regen gegen das Fenster. Seufzend packe ich alles ein, dankbar, dass ich nicht im nassen Zelt bin, und mache mich auf den Abstieg. Der Wind fegt mich fast vom Berg und der Regen klatscht mir eisig ins Gesicht.







Ich freue mich, als ich weiter unten wieder in den Wald eintauche, hier ist es wärmer und auch wieder schön grün - auf dieser Höhe sind die Blätter der Bäume gerade erst am Spriessen.





 Schon vor dem Mittag erreiche ich die Petrovo Brdo Hütte, die zum Glück geöffnet ist, und bestelle gleich eine heisse Gemüsesuppe mit Wurst. Rudi, der Hüttenwart, fragt nach, wo ich herkomme und gratuliert mir zu meiner Via Alpina-Tour, er ruft auch gleich in die Runde, dass ich bis Monaco laufe, und alle klatschen. Mir ist das furchtbar peinlich, denn ich bin ja gerade erst 10 Tage gelaufen. Wir unterhalten uns ein bisschen, während sein Hund sehnsüchtig auf meinen Wurstzipfel starrt, und er rät mir ebenfalls, durchs Soca-Tal zu laufen, was ich auch bereits als mögliche Variante geplant hatte. Ab hier würde die Via Alpina sehr exponiert auf Gräten verlaufen, und auf der Rückseite der Berge liegt noch viel Schnee, auch wenn es von Süden her fast schneefrei aussieht. Auch die Hütten sind noch geschlossen.




 Angesichts des Wetterberichts für die nächsten 5 Tage und der Erfahrung von letzter Nacht fällt mir die Entscheidung leicht, und so laufe ich am Nachmittag ins Tal. Regnen tut es hier zwar auch, aber bei 15 statt 5 Grad, das ist schon angenehmer. Um ins Socatal zu kommen muss ich am Nachmittag noch 10km Strasse laufen, die jedoch wenig befahren ist, und so komme ich trotz Regen gut voran.







 In Koritnica auf dem Campingplatz erwartet man mich schon, denn Rudi hat rumtelefoniert, dass ich komme. Ich entscheide mich schnell für eine Glampinghütte statt der matschigen Zeltwiese, und kriege noch einen Rabatt obendrauf. Super!





Am nächsten Morgen regnet es schon wieder heftig, und so drehe ich mich nochmals um - und verschlafe so richtig. Daher breche ich erst gegen Mittag auf. Auch heute muss ich der Strasse entlang laufen bis Tolmin, danach sollte es wieder Wanderwege geben. Anfangs hält das Wetter halbwegs, es tröpfelt zwar hie und da, aber nie lange. Kurz kommt sogar die Sonne raus und verwandelt alles in eine türkisches Dampfbad. Der Wald dampft, und ich auch.







Doch es hält nicht lange, die schwarzen Wolken, die schon den ganzen Tag über den Bergen hängen und dort vor sich hin rumpeln, holen mich ein und für die nächsten paar Stunden leert es wie aus Gieskannen, als hätte jemand die Dusche angestellt. "Seichnass", wie man bei uns sagt, erreiche ich endlich das Soca-Tal, doch oh weh, die nächste Enttäuschung: die wunderbare Soca, die normalerweise sonst eine richtig türkisblaue Farbe hat, zeigt sich heute nur braun. Kein Wunder, bei dem Wetter.





Ich erreiche endlich den Camping in Tolmin und hoffe, dass ich auch hier wieder eine Glampinghütte kriege. Glücklicherweise ist noch nicht Hochsaison, alles kein Problem, wieder gibt es einen Rabatt. Es hat sogar viele herzige junge Büsi - ich schmelze dahin. Schnell geduscht und alles zum Trocknen aufgehängt, und schon sitze ich bei Pizza und Wein an der Reception und schaffe es sogar, mal eine slowenische Katze zu streicheln, bevor sie Reissaus nimmt vor mir. Mein pinker Regenschirm ist der Hit bei den Kätzchen, er kriegt jetzt sein Fett weg. Es hört endlich auf zu regnen und ich sehe sogar einen Regenbogen. Die nächste Woche werde ich nun der Soca bis zur Quelle folgen und dort wieder auf die Via Alpina stossen. Das Wetter sieht nicht gut aus, aber dafür gibt es ja diese Glampinghütten... 🤩.









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