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Alpen in Sicht


 

Wanderlust 2021, Woche 19: 

Als ich in Idrija aufbreche, scheint die Sonne, und das gestern noch triste Minenstädtchen wirkt heute fröhlich, überall sitzen die Leute auf den Terrassen der Cafés. Am Stadtrand suche ich den Weg - es hat keine Markierungen und mein GPS-Track ist hier ungenau. Ein älterer Herr winkt mir zu und ruft "Via Alpina?" Er erklärt mir dann in einem Mix aus slowenisch und italienisch (was ich erstaunlicherweise irgendwie verstehe), dass er der hiesige Wegemacher und -markierer sei und die Via Alpina umgeleitet wurde auf einen neuen Weg, der viel schöner und kürzer sei. Ich folge also seinen Anweisungen. Der Weg ist tatsächlich ein sehr lauschiger Singletrail durch den Wald - doch kürzer heisst halt auch steiler, und so schnaufe ich bald ordentlich. Als erstes steigt die Via Alpina nämlich gleich mal 800 Höhenmeter ins Bergland von Cerkno. Nach den ersten paar Serpentinen komme ich zu einem Aussichtspunkt hoch über Idrija und geniesse einen fantastischen Blick auf die Stadt und die steilen Hügel, die ich vorgestern im Eisregen runtergeschlittert bin. Bei einem alten Minenschacht steht auch ein interessantes Ding am Wegrand, das wie ein Mini-Kamin aussieht. Neugierig gucke ich hinein.



 

Ha! Ein Schnäpschen in Ehren kann niemand verwehren. Beim Fernwandern darf man das auch vor 10 Uhr morgens. Die nächsten paar Serpentinen fallen mir jedenfalls leichter, bis eine Gämse über mir einen Steinschlag auslöst, den der Wald zum Glück rasch bremst. Endlich erreiche ich die Berghöhe, und der Wald lichtet sich etwas. Ich erblicke zum ersten Mal die weiss verschneiten Berge des Triglav-Nationalparks. 





In wenigen Etappen wird die Via Alpina dort drüber verlaufen, doch ob ich sie gehen kann, scheint aufgrund der Schneemassen ungewiss. Ein Schild verrät mir, dass ich mich auf der Wasserscheide zwischen Adria und Schwarzem Meer befinde. Ich wandere auf dem Höhenzug durch winzige, verschlafene Dörfer sowie blühende Wiesen und Obstbäume.






Bereits am frühen Nachmittag erreiche ich den Abzweiger zur nächsten Berghütte mit dem unaussprechlichen Namen Mrzl'k. Da mein Wasser alle ist, mache ich einen Abstecher, doch ich habe nicht viel Hoffnung. Daher bin ich ganz überrascht, dass die Hütte offen ist und ich vom Hüttenwirtepaar freundlich empfangen werde. Wasser haben sie zwar nur aus der Regentonne, dafür aber sonstige, schöngeistige Getränke. Ich freue mich so sehr, endlich eine geöffneten Hütte anzutreffen, dass ich gleich frage, ob ich denn auch übernachten könne. Eigentlich ist das noch nicht möglich, doch als Via Alpina-Wandererin und SAC-Mitglied macht man eine Ausnahme für mich. Für 10 Euro erhalte ich ein richtiges Bett und bin der einzige Gast - keine Mitschnarcher*innen. Da sage ich nicht nein! Mitterweile ist die Sonnenterrasse ordentlich gefüllt von slowenischen Wanderern. Es ist Wochenende und daher der erste Tag, an dem ich so viele andere Wanderer sehe. Leider hält sich die Konversation in Grenzen, da die meisten nicht oder ungern englisch mit mir sprechen. Aber der Hüttenwart gibt sich alle Mühe und erklärt mir die Geschichte der Hütte, sie ist eng mit der Rapallo-Linie verbunden, die hier entlang läuft. Wen's interessiert, kann das hier nachlesen. Die Hütte steht gleich beim Grenzstein 38 und war früher das Grenzer-Häuschen.

Rapallo-Grenzstein




Das nette Hüttenwirtepaar auf der Mrzl'k-Hütte

Am nächsten Morgen verabschiede ich mich und wandere ausgeruht weiter über die Hügel. Ich sehe einige Rehe davonspringen und kann sie sogar fotografieren, wenn auch nur aus der Ferne. 


 
Hier mit Reh-Markierung :-)



 

Auf dem Gipfel des Bevkov (1019m) mache ich eine Pause und unterhalte mich angeregt mit einer etwas älteren Slowenin, die sich nicht scheut, ihr Englisch auszupacken und mich staunend fragt, wie ich mich traue, alleine durch die Welt zu ziehen. Ich finde solche Gespräche immer wieder spannend, auch wenn ich die Frage schon oft gehört habe und mich manchmal auch nerve, wenn die Leute immer wieder fragen, ob ich denn keine Angst hätte, so ganz allein. Natürlich habe ich auch manchmal Angst (und ich behaupte mal, das tun die meisten Alleinreisenden, egal ob Frauen oder Männer, auch wenn viele - ich inklusive - oft das Gegenteil behaupten). Für mich ist das nichts Schlimmes, etwas Angst zu haben, bei mir läuft das unter "Instinkt". Den kann Frau und Mann trainieren, wer regelmässig loszieht, kann sich selber und andere viel besser einschätzen, finde ich. Ich lasse mich von der Angst vor dem Ungewissen nicht abhalten, in die Welt zu ziehen oder das zu tun, was mir gefällt - oder zumindest versuche ich es.

Zum Thema Sicherheit ist mir aufgefallen, dass die Slowenen offenbar sehr viel Vertrauen in ihre Nachbarn haben. In den Dörfern und Weilern, die ich durchwandere, stehen Haustüren und Garagentore oft sperrangelweit offen, und wenn nicht, steckt der Schlüssel mitsamt Schlüsselbund von aussen. Meist ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen, daher wunderte ich mich anfangs schon. Sind sie wirklich so vertrauensselig? Oder haben sie alle Angst, ihre Schlüssel zu verlieren? Oder ist es einfach ein Zeichen für potenzielle Einbrecher, dass es hier eh nix zu holen gibt? Bisher habe ich noch keine Antwort darauf, finde es aber ein sehr sympatischer Wesenszug. Ich fühle mich jedenfalls sehr sicher in einer Gegend, in dem niemand sein Haus absperrt.

 

Mit den Wanderdamen im Hintergrund unterhalte ich mich bestens.



Abstieg nach Cerkno - typische Heuschober in dieser Gegend


Am frühen Nachmittag erreiche ich in Kladje einen Pass, auf dem eine Strasse die Via Alpina quert. Hier ist ein guter Ort, meine Wanderung zu unterbrechen, denn es gibt eine Bushaltestelle. Ich habe nämlich vor ein paar Tagen eine wichtige SMS erhalten: mein erster Impftermin ist am 18. Mai! Anfangs war ich noch hin- und hergerissen, ihn zu verschieben - ich war ja gerade erst in Slowenien angekommen, und Slowenien steht immer noch auf der Quarantäneliste des BAG. Wenn ich jetzt zurückreise, muss ich mindestens eine Woche pausieren (nach 7 Tagen kann man sich freitesten lassen). Doch ich habe den vielen Schnee im Triglav Nationalpark gesehen, und der Wetterbericht für die kommenden Tage ist wenig erbaulich: eine Woche Dauerregen und Temperaturen unter 10 Grad - im Tal. In den Bergen schneit es wahrscheinlich nochmals. Dieser Frühling ist wirklich verhext! Doch es macht mir die Wahl leichter: ich buche ein Rückfahrticket für Dienstag ab Kranj. Da ich einen Corona-Test benötige für den Transit durch Österreich und die Einreise in die Schweiz, recherchiere ich mithilfe von Google Translate, dass es in Skofja Loka, einer Kleinstadt zwischen der Via Alpina und dem nächsten Bahnhof in Kranj, ein Testcenter gibt, in welchem man ohne Termin einfach hingehen und sich testen lassen kann. Dort habe ich auch ein Hotel für heute Abend gebucht und es gibt sogar ein Bus, der sonntags dorthin fährt - es ist ein Schulbus, der offenbar die älteren Schüler hier oben in den Bergen einsammelt und ins Wocheninternat nach Skofja Loka oder noch weiter weg fährt. Da der Bus aber erst in drei Stunden fährt, steige ich noch ab ins Tal nach Cerkno und gönne mir auf dem Dorfplatz ein kühles Bier, denn heute ist es sehr sommerlich und richtig heiss. (Ihr kennt mich ja, für ein Feierabendbier auf der Terrasse gehe ich die Extrameile!) Abends fährt mich dann der Schulbus nach Skofija Loka, einem mittelalterlichen Städtchen, wo ich in einem sehr angenehmen Bauernhof-Hotel am Stadtrand unterkomme. 



Am nächsten Tag spaziere ich durch das malerische Städtchen, erfahre interessante Dinge über die Stadt und geniesse zahlreiche Kaffees auf diversen Terrassen, bis am Nachmittag endlich das Testcenter aufmacht. Man hat hier kurzerhand eine alte Tankstelle zum Testzentrum umgewandelt. Die Schlange ist lang, aber es geht zackig voran. Doch als ich an der Reihe bin, stockt es - denn die Tests sind nur für Slowenen, da man eine slowenische ID und Handynummer braucht, um das Testresultat mitgeteilt zu bekommen. Schlussendlich erbarmt man sich und es heisst, ich erhalte ein Papier mit dem Testresultat - doch ich muss bis Ende des Tages warten, bis sie ihre Tests ins Labor gebracht haben. Nicht so schlimm, ich bummle zurück in die Altstadt, und setze mich ins nächste Café mit einem guten E-Book. Abends erhalte ich tatsächlich einen Zettel, den mir der Ambulanzfahrer persönlich übergibt - so kann ich am nächsten Tag entspannt zurückreisen. 

 











 

Die Rückreise in die Schweiz verläuft, wie bereits die Hinreise, einwandfrei ohne Verspätungen oder andere Probleme. So geniesse ich nun ein paar Quarantäne-Tage in der verregneten Ostschweiz, knuddle die Katze und sortiere meine Ausrüstung und Fotos neu. Nächste Woche geht es zurück nach Slowenien!

Mein letztes Abendessen in Slowenien sieht zwar lecker aus, ist aber eher schwer verdaulich...

Besser drinnen als draussen bei dem Wetter!

Ihn kümmert's kaum, dass ich wieder da bin, aber ich freu mich sehr!

Hier seht ihr, wie weit ich schon gekommen bin: 

Kommentare

  1. Hallo Kathrin! Sehr schöner Blog hier und auf Youtube! Vielen Dank - da steigt die Vorfreude. Ich muss noch drei Wochen warten bis zum Start. Hast du ggf. für die neue Wegführung einen GPX Trail oder Link zur Hand?

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    1. Hi Tim, danke! Nein, ich tracke meine Tour nicht, daher kann ich nicht mit GPX dienen. Aber ich hab ein paar Screenshots von meiner Kartenapp gemacht.
      Überblick:
      https://photos.app.goo.gl/4pxRZejgDzkaiN52A

      Detail 1 Ortsausgang Idrija:
      https://photos.app.goo.gl/AgdNkE8QU1mgkW1P9

      Detail 2 bis man wieder auf Via Alpina trifft:
      https://photos.app.goo.gl/3HrBGR6x7565ffDd6

      Vom Aussichtspunkt (den du bereits in der Stadt sehen kannst wegen der grossen Slovenien-Fahne) gehst du in Richtung des roten "Schnapskamins" den Berg hoch. Danach ist es ein schmaler Pfad, aber du kannst ihn eigentlich nicht verfehlen. Im Zweifelsfall, wo andere Wegspuren abgehen, folge den Wanderwegmarkierungen (es hat eigentlich immer welche, wenn man lange genug die Bäume anstarrt).

      Hoffe das hilft, ich habe den GPX Track kurz vor meinem Start von der Via Alpina website runtergeladen, dort kennt man den neuen Wegverlauf offenbar noch nicht.

      Guten Start wünsche ich dir! Vielleicht sehen wir uns ja unterwegs irgendwo - du bist glaubs schneller als ich :-)

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