Am Sonntag wollen wir als Erstes mal das tolle E-Bike testen, welches ich mir geliehen habe für 2 Wochen. Susanne, unsere Bike-Verleiherin (Su Bici, super empfehlenswert!!), gibt uns ein paar coole Tipps für unsere erste Tour und so radeln wir schon bald die steilen Strassen hoch durch San Antonio und San José. Es ist eine ländliche Gegend, kleine Dörfer und einzelne Höfe. Am Strassenrand wuchern Geranien wie Unkraut, und überall wachsen palmen- und kakteenartige Gewächse, die uns faszinieren. Fast jedes Haus hat einen Garten mit gigantischen Kürbissen oder gleich einen ganzen Obsthain mit Avocados, Orangen und exotischen Früchten, deren Namen wir noch nicht kennen. Auch bellt uns Radfahrer aus fast jedem Garten ein Hund an. Die steilen Strassen, die Hunde, die exotischen Pflanzen erinnern uns irgendwie an Guatemala. Bald lassen wir das letzte Dorf hinter uns und kurbeln in endlosen Serpentinen den Berg hoch Richtung Refugio Pilar, einem Picknickplatz auf der Bergkette, welche die Insel in Ost und West teilt, der Cumbre Vieja und Cumbre Nueva. Die Landschaft wird bergiger, es kühlt merklich ab. Statt Avocado-Bäumen säumen nun Kiefern den Strassenrand, und die Erde ist schwarz und rau. Sogar der Strassenbelag scheint aus Vulkangestein zu sein. Nach mehreren Stunden erreichen wir einen Aussichtspunkt auf 1320 Metern und beschliessen, dass es reicht für den ersten Tag. Wir geniessen die Aussicht auf die Gipfel und Dörfer tief unter uns, dann sausen wir wieder ins Tal, bis die Bremsen glühen. Ein weiterer Regenbogen strahlt über der Küste, fast unwirklich schiebt sich dahinter eine schwarze Regenwand über die Steilhänge und verpasst uns auf magische Weise. Wir fahren noch etwas weiter, vorbei an den für die Kanaren typischen Drachenbäumen und besuchen das sehr hübsche Kolonialstädtchen Mazo mit mörderisch steilen Kopfsteinpflaster-Gassen, bevor wir zurück nach Los Cancajos flitzen.
Am Montag starten wir unsere Inselumrundung im Uhrzeigersinn und geniessen den grössten Teil des Tages starken Rückenwind. So fährt es sich leicht, trotz vielen Höhenmetern. Am südöstlichen Ende der Insel durchqueren wir eine Gegend namens Malpais, man erkennt hier gut die vulkanische Vergangenheit der Insel. Zwischen erstarrten Lavaströmen spriessen grüne Wiesen, auf denen ein paar Kühe weiden, und überall wurden Mauern und Terrassen angelegt, um den fruchtbaren Boden zu nutzen.
Am Nachmittag erreichen wir Fuencaliente, das grösste Dorf im Süden der Insel auf fast 800 Metern. Wir geniessen eine leckere Kaffeepause bei der hiesigen, offenbar beliebten Bäckerei, danach fahren wir zu unserer Unterkunft im Weiler Los Quemados. Diese liegt, wie wir mit Schrecken feststellen, etwa 300 krass steile Höhenmeter tiefer als das Dorf, und hat gemäss Google weder Restaurant noch Einkaufsmöglichkeiten. Da wir erneut eine Ferienwohnung gebucht haben, ist das kurz ziemlich frustrierend. Doch wir sind bald abgelenkt von dem tollen Apartamiento (Surf House La Palma, günstig und supernette Besitzer), welches etwas eigenwillig in Schwarz-Weiss und voll im Surfer-Motto gestaltet ist, und zwei sehr herzige Kätzchen bereit hält, ebenfalls in schwarz und weiss. Sie verfolgen uns auf Schritt und Tritt und sind sehr verschmust. Am Abend machen wir einen Spaziergang und entdecken doch noch einen Tante-Emma-Laden, bei dem wir uns mit Abendessen und einem wohlverdienten Bier für die Dachterrasse eindecken können. Abends kochen wir uns einen kreativen Eintopf aus exotischem Inselgemüse (weisse und rote Süsskartoffeln sowie die gurkenähnliche Chayota, dazu Chorizo und eine einheimische Gewürzmischung namens Mojo cilantro). Lecker!
Am Dienstag planen wir einen Ruhetag vom Radfahren (was bei uns meist bedeutet, dass wir eine Wanderung machen, die schlussendlich oft anstrengender ist als ein Tag auf dem Velo). An diesem Tag wollen wir auf den Vulkan steigen, den wir von unserer Dachterasse sehen, den Volcan San Antonio, und dann hinunter bis ans Meer zu einem Leuchtturm und Salinen wandern. Der Anstieg zum San Antonio ist anstrengend, der Wanderweg auf dem Vulkansand eine sehr naturgetreue Umsetzung des Sprichwortes "Zwei Schritte vor, einer zurück". Als wir fast oben sind, fängt es an zu regnen und der Wind macht auch fröhlich mit. Hier auf La Palma ist der Regen etwas anders als daheim. Er kommt meist sehr schnell und ist auch rasch vorbei, ausserdem ist es ein sehr feiner Sprühregen, der einem im ersten Moment ganz harmlos erscheint, und im nächsten Moment ist man total durchnässt. Wir erreichen das Besucherzentrum des Vulkans schon arg durchnässt, und der Wärter am Eingang meint bewundernd: "Also, dass Sie nicht erfrieren..." (ich bin ganz optimistisch mit Kurzarm-Shirt und Wanderrock losgelaufen, und hab nur den Schirm aufgespannt). Ich gebe ihm recht, und schlottere mich erst mal durch die Ausstellung zur Vulkanlandschaft, bevor wir uns auf die Wanderung zum Kraterrand machen. Dort scheint dann wieder die Sonne und wir geniessen eine sagenhafte Aussicht auf den erst 300 Jahre alten Vulkankrater des San Antonio, sowie den noch viel jüngeren Vulkan Teneguia weit unter uns, der erst anfangs der Siebziger Jahre entstanden ist. Erneut zeigt sich ein wunderbarer Regenbogen. Ob dies hier ein tägliches Spektakel ist?
Zurück beim Besucherzentrum stehen wir vor der Qual der Wahl: wir können nun entweder mehrere Stunden durch die fantastische "Herr-Der-Ringe"-Landschaft trekken und in der unbeständigen Witterung unser Picknick knabbern (etwas Brot und Käse), oder wir können kurz die Strasse hoch zu einer vielgerühmten Bodega mit Restaurant gehen, wo der berühmte kanarische Malvasia-Wein ausgeschenkt wird, den bereits Shakespeare lobte, und der zum Besiegeln der amerikanischen Unabhängigkeit getrunken wurde. Es ist eine schwierige Entscheidung (haha), die uns glücklicherweise durch die erneut aufziehenden Regenwolken erleichtert wird. So sitzen wir kurz danach im Trockenen und laben uns an kanarischen Spezialitäten wie geräuchtem Ziegengrillkäse und Schrumpelkartoffeln mit Salzkruste und Mojos in allen Farben (Saucen aus Paprika, Peterli oder Koriander). Dazu lassen wir uns einen bernsteinfarbenen Wein kredenzen, der uns sehr schmeckt und uns danach wunderbar beschwingt über die sandigen Wanderwege trägt.
Nach erneutem kurzem Sonnenschein brechen im Himmel von La Palma die letzten Schleusen und wir ziehen innert Rekordzeit unsere gesamte Regenausrüstung an. Trotzdem besuchen wir noch einen den Ureinwohnern von La Palma heiligen Felsen mit mysteriösen Petroglyphen und wandern einer uralten Wasserleitung entlang durch die Weinreben, die hier fast am Boden entlang auf dem schwarzen Vulkansand wachsen, zurück in unser Surferparadies. Die Katzen erwarten uns schon sehnlichst.
Am Mittwoch scheint wieder die Sonne, und es ist endlich auch etwas wärmer. Ein Bad im Meer lockt uns aufs Velo und wir flitzen die steilen Hänge hinunter, erst durch endlose Bananenplantagen, dann durch eine karge aber eindrückliche Vulkanlandschaft. Der Teneguia-Vulkan hat hier vor knapp 50 Jahren neues Land geschaffen, auf welchem wir nun radeln.
In dieser wilden Landschaft an der Südspitze von La Palma verbergen sich zwei natürliche Pools, in denen man geschützt vor Wind und Wellen baden kann. Sie sind türkis, mit gelbweissem Rand, mitten in den schwarzen Lavatrümmern, ein fantastisches Bild. Das Wasser ist angenehm warm, doch der Ein- und Ausstieg ins Wasser über die scharfkantigen Felsen wagen wir nur in Turnschuhen.
Auf dem Rückweg fahren wir über eine Schotterpiste mitten durch die Weinreben, die in dieser Vulkanlandschaft gedeihen.
Am Donnerstag fahren wir weiter nach Los Llanos, der grössten Stadt auf La Palma. Hier herrscht tatsächlich Verkehr, und wir sind ein bisschen geschockt, wo all die Leute herkommen. Bisher waren sogar die Hauptstrassen sehr ruhig und äusserst angenehm zum Radfahren.
Unser Apartamiento "Lovely Home" liegt auf einem Hügel und hat die steilsten Strassen, die wir bisher gesehen haben (Guatemala kann einpacken). Wir fürchten uns, die Quartierstrasse zur Ferienwohnung mit den Velos zu fahren und schieben, während die Einheimischen seelenruhig ihre Karren in der Strasse parken. Fotos können dies nur bedingt wiedergeben. Es hat auch eine Dachterasse, und wenn wir uns auf ein bröckeliges Mäuerchen stellen, können wir sogar den Sonnenuntergang sehen. Aber hey, die Wohnung hat eine Heizung, wofür wir sehr dankbar sind, denn leider brauchen wir sie auch - am Abend wird es auf La Palma manchmal schrecklich kalt. Abends geniessen wir einen Bummel durch die Altstadt mit ihrer schönen Plaza de España, sowie andere Vorzüge einer Stadt: wir überfressen uns masslos beim hiesigen Mexikaner und ich geniesse einen Schoko-Tequila. Ja, das gibt es offenbar.
Der Freitag wird wieder ein velofreier Tag, wir wollen von hier aus eine Wanderung in die riesige Caldera de Taburiente machen, eine der weltweit grössten Calderas, die auf einer Seite offen (weil erodiert) ist. Normalerweise durchziehen Dutzende Wanderwege die Caldera, doch leider sind fast alle gesperrt wegen Erdrutschen von den starken Regenfällen kurz vor unserer Ankunft. Dafür kommen wir in den Genuss vom hiesigen Bus- und Taxidienst und sehen zum ersten Mal das typische Wetterphänomen von La Palma: an der Cumbre (dem Kamm, der sich über die ganze Insel zieht) stauen sich die Wolken vom Nordosten und fliessen wie eine endlose Welle über den Kamm, bevor sie sich im Nichts auflösen. Im ersten Moment dachte wir noch: Das war's mit dem sonnigen Tag, jetzt sind wir gleich eingenebelt. Doch die Wolken fliessen den ganzen Tag über den Berg und erreichen die Westseite von La Palma dennoch nie - sehr eindrücklich.
Wir wandern nur eine kleine Runde durch die Caldera und geniessen die phantastischen Aussichten. Es wirkt wie ein riesiger, bewaldeter Gran Canyon.
Ein frecher Rabe observiert uns beim Picknicken und wetzt seinen mächtigen Schnabel keine zwei Meter von uns. Wir teilen unsere Chäsbrötli freiwillig, bevor er uns die Augen aushackt. Mangels Wander-Alternativen laufen wir die 7 km zum Besucherzentrum zu Fuss zurück, statt erneut ein Taxi zu bestellen, was auch ganz schön ist. Der Wald besteht hauptsächlich aus kanarischen Fichten, die eine besondere Eigenschaft haben: bei Waldbränden sterben sie wegen ihrer dicken Rinde nicht ab, nur die langen Nadeln verbrennen. Nach dem Brand schlägt der Baum einfach wieder neu aus dem Stamm aus.
Weil wir den Bus gerade verpasst haben, geniessen wir noch einen Kaffee in einer Bar mit sehr kreativen Wandbildern: hier hat sich ein Künstler ausgetobt und die kanarische Echsenjungfrau geschaffen. Wer braucht schon Meerjungfrauen?
Am Samstag fahren wir zum Hafen von Tazacorte, denn wir haben eine dreistündige Whale-Watching-Tour auf dem Boot "Flipper" gebucht. Erst wird Fieber gemessen, dann dürfen wir an Bord. Zunächst tuckern wir gemütlich der Küste entlang und besuchen eine Höhle, die Cueva Bonita, in die unser Kapitän sogar mit dem Schiff reinfährt, sowie einen alten Schmugglerhafen unter der Steilklippe, der heutzutage im Sommer ein beliebter, weil kühler, Badeplatz ist. Heute ist nicht viel los, denn es ist immer noch recht frisch - niemandem ist nach Baden zumute.
Nun schippern wir aufs offene Meer hinaus, auf der Suche nach Delfinen und Walen. Doch so sehr die mitfahrenden Meeresbiologen-Studentinnen auch durch den Feldstecher starren, ausser einem Thunfisch, der seinen weissen Bauch zeigt und einmal auf den Rücken klatscht, sehen wir nichts. Die Tour geht schon fast dem Ende entgegen, und wir trösten uns damit, dass es ja auch so ein schöner Tag war: Sonnenschein, blaues Meer, blauer Himmel, wir geniessen nochmals einen fantastischen Einblick in die Caldera vom Meer aus, und keiner ist seekrank geworden. Wir bestellen uns noch zwei Bier, in der Hoffnung, dass das die Partystimmung hebt, und siehe da: kaum ist der letzte Schluck weg, da taucht ein Finnwal auf, begleitet von einer Delfin-Familie mit Jungtier. Während der Finnwal bald wieder abtaucht, begleitet uns der Flipper-Papa eine ganze Weile und schwimmt vor unserem Bug. Grosse Begeisterung!
Zurück im Hafen, geniessen wir einen leckeren Meeresfrüchte-Teller, bevor wir uns wieder auf den steilen Weg hoch nach Los Llanos machen. Abends geniessen wir nochmals typisch kanarische Küche auf der Plaza España. Dabei lernen wir auch das Wort "chupito" - ein "Kurzer", oder ein Schuss (Schnaps oder so). Das neue Vokabular wenden wir gleich an und geniessen noch einen Frangelito, bevor es zurück in unser Apartment geht.
Die erste Woche ist bereits vorbei - in der zweiten Woche wollen wir die nördliche Hälfte der Insel erkunden und so unsere Umrundung von La Palma vollenden.
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