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GR221, Mallorca, Teil V: im Süden angekommen


 

 

GR221, Tag 11, 31.12.2019: Estellencs - Grand Pas


Am Morgen bringt mich der Bus wieder nach Estellencs, von wo aus ich meine Wanderung fortsetze. Ich plane, bis in die Nähe des Refugi ses Fontanelles zu wandern, und hoffe, dort einen schönen Zeltplatz sowie Wasser zu finden. Zunächst führt der Weg einer Nebenstrasse entlang aus Estellencs hinaus bis zum Col des Pi. 
 
 
Hier macht der Wanderweg wieder eine sinnlose Schlaufe (und ebenso sinnlose Höhenmeter) in den Wald, nur um ein paar hundert Meter auf der Hauptstrasse zu umgehen. Ich kann mir vorstellen, dass dies in der Hauptsaison Sinn macht, doch an Silvester herrscht kaum Verkehr, also gehe ich den halben Kilometer auf der Strasse. Das ist offenbar schlecht fürs Wanderkarma, denn ich trete irgendwo in Hundekacke.
Der Weg steigt nun recht steil zum Refugi Coma d'en Vidal an. 
 

 
Die Hütte ist geschlossen, aber ich hoffe, dass es einen Brunnen gibt. Das tut es auch, doch der Brunnen ist verriegelt mit einem monströsen Vorhängeschloss. Gemein! Der auf der Karte verzeichnete Bach und Quelle ist auch trocken. So verlasse ich die ansonsten schön gelegene Hütte mit etwas Groll und esse mein Picknick auf dem windigen Coll des Pinotells. 
 

 
Es ist zum Glück kühl, daher brauche ich weniger Wasser als angenommen. Auf dem Pass verlasse ich den offiziell markierten GR221, der hier direkt ins Tal nach Es Capdella führt und dort endet. Ich will aber bis ans Meer gehen und nehme daher den traditionellen, aber nicht ausgeschilderten Weg nach Sant Elm. Es geht nun auf schmalem aber gut auffindbarem Weg um den Moleta de s'Esclop herum. Die Landschaft wird nochmals nahezu alpin und ziemlich wild. 
 

 
Das Meer wirkt spektakulär blau, ich geniesse jeden Schritt, auch wenn ich den Weg im hohen Dissgras manchmal suchen muss. 
 

Ich treffe auf Andreas aus Deutschland, einen anderen GR221-Wanderer, der seit über 20 Jahren auf Mallorca lebt und arbeitet. Er wohnt unten im Tal, will heute Abend noch nachhause. Wir machen eine Zvieripause auf dem höchsten Punkt des Tages, bevor der Abstieg nach ses Fontanelles beginnt. Die Sonne scheint wieder, und die Aussicht ist phänomenal. Man sieht bis zur Isla Dragonera, dem Ende der Wanderung, das ich morgen erreichen will.
 

 
Der Weg ins Tal hat es in sich. Bis hierher hatte ich nicht verstanden, wieso diese Etappe im Wanderführer schwarz markiert ist, doch nun geht durch sehr karstiges und grösstenteils wegloses Gelände, hier sollte man gut achtgeben. Mittendrin ist eine Felswand, die es am Pas d'en Ponsa, einer Spalte im Fels, zu überwinden gilt, und die man von oben nicht gut sieht. Wenn man immer vertrauensvoll den Steinmännchen folgt und die Steinmännchen irgendwann aufhören, sollte man genau oben an der Spalte stehen. Der Fels färbt sich leicht rötlich am Einstieg (bestimmt von Blut und Schweiss der vorangegangenen Wanderer), wenn man an die Kante tritt, sieht man die von Baumstämmen zugeschüttete Spalte und gleich rechts davon die kurze, leichte Kletterpassage.
 
 
Von unten ist es einfacher zu finden.  



Ich steige vorsichtig ab, klettere über und unter den Baumstämmen durch, stolpere durchs hohe Gras und folge blindlings meinem Navi, weil hier die Steinmännchen nicht mehr sichtbar sind. Endlich sehe ich unter mir die Alp Ses Alquerioles. Hier finde ich sowohl eine gemütliche Feuerstelle als auch einen altertümlichen Ziehbrunnen und nehme mir Zeit, all meine Flaschen mit frischem Brunnenwasser zu füllen. Der Platz wäre ein schöner Biwakplatz, flach, mit Wasser, eine Sitzbank neben der Feuerstelle. 
 

Doch es ist noch kaum 16 Uhr, und die Sonne strahlt vom Himmel. Ich bin auch noch nicht total erschöpft und kann sicher noch ein, zwei Stunden wandern. Also gehe ich weiter. 
 

Der Weg bleibt abenteuerlich und teilweise schwer auffindbar, es ist volle Konzentration gefordert. Dafür sehe ich viele Bergziegen in allen Farben, auch fast neugeborene Bergziegenbabies. 
 

In den letzten Sonnenstrahlen erreiche ich den Grand Pas, die letzte Steilstufe, bevor es wieder in "richtigen" Wanderweg übergeht. 
 

Es ist nun nicht mehr weit bis Ses Fontanelles und zur Strasse, und ich beginne, nach einem geeigneten Zeltplatz Ausschau zu halten. 
 

Bei einer schönen Wiese mit verfallenem Stall halte ich kurz inne, doch der Platz ist von weither sichtbar. Also steige ich weiter ab in den Wald. Dort finde ich eine schöne Höhle, doch sie ist voller Knochen und Ziegenkacke, und die Zivilisation ist mir zu nahe - ich kann Stimmen hören von den Gehöften an der Strasse. Also kehre ich im Eindunkeln wieder um und marschiere nochmals eine Viertelstunde zurück den Berg hoch bis zur Wiese neben der eingefallenen Scheune. Ich gehe davon aus, dass mich im Dunkeln keiner sieht, und hier am Silvester abends niemand mehr vorbeikommt. 
 

Ich sollte recht behalten. Zwar bellen die Hunde von den Bauernhöfen weiter unten, denn die sind ja nicht doof. Auch realisiere ich irgendwann, dass meine Taschenlampe im Dunkeln wohl genauso weit leuchtet wie die Lampen, die auf den Bauernhöfen rundherum angehen. Doch nun bin ich wirklich erschöpft, und die Nachbarschaft ist mir egal. Ich mixe mir ein Tütengericht (es wird kein Feiertagsmenü, so viel sei gesagt). Dazu eine Tasse Tee und ein bisschen Schokolade, dann ab in den Schlafsack, bevor es bitter kalt wird. Denn bereits kurz nach Sonnenuntergang schleicht sich wieder der fiese Waschküchen-Nebel vom Meer hoch und legt sich wie eine nasskalte Decke über alles. Ich liege also bald im Schlafsack und höre eine Weile den Bergziegen zu, wie sie im Nebel herumirren und ab und zu blöken oder Steinschlag auslösen. Doch heute Nacht will ich schlafen, also stopfe ich mir Oropax rein und falle bald darauf in süssen, tiefen Schlaf. Happy New Year!



GR221, Tag 12, 1.1.2020: Grand Pas - Sant Elm (- Paguera)


Dank Oropax schlafe ich endlich auch im Zelt gut. Den ersten Kaffee geniesse ich im Morgengrauen. Es ist wunderbar still und gemütlich, also gönne ich mir noch einen zweiten Kaffee, während ich zusammenpacke. Alles ist feucht: Zelt, Schlafsack, Kleider und Schuhe. Auch der Himmel ist heute Morgen eher grau als blau. Ich breche auf, zunächst auf einem Feldweg, der auf der Karte wie eine Abkürzung aussieht, in Wirklichkeit aber über Privatgelände führt und am anderen Ende an einem Tor endet, welches ich überklettern muss. 
 

Danach führt der GR221 ein paar Kilometer der Strasse entlang, was an diesem Neujahrsmorgen kein Problem ist, denn es hat kaum Verkehr. Die wenigen Motorradfahrer winken freundlich. Leider liegt am Strassenrand viel Abfall, und ich ärgere mich gewaltig, denn der Mammut-Anteil davon sind Energieriegel- und Energy Gel-Verpackungen, wie sie hauptsächlich Rennradfahrer benutzen. Auf 1.5 km Anstieg zu einem "Pass", der gerade mal 350m über Meer liegt, sammle ich soviel Abfall wie ich tragen kann. Und natürlich hat es oben einen Parkplatz mit Mülleimer... Solche Radfahrer nennen sich dann Sportler und Outdoorfreunde. Mein Empör-o-Meter geht durch die Decke und es ist wohl gut, dass mich nur die vielen Bergziegen schimpfen hören. 
 

 

Danach wird der Weg wieder einsam, er führt durch die kargen Berge, teilweise hoch über den Klippen. 
 

Nach ein paar Stunden erreiche ich den Col des Basses und geniesse eine der schönsten Aussichten auf dem GR221 auf die Isla Dragonera und das verlassene Kloster La Trapa. 
 

Diese Aussicht ist auf fast jedem Wanderführer oder Prospekt vom GR221 abgebildet, obwohl der offizielle Weg hier gar nicht durchführt, dies ist nur eine schlecht ausgeschilderte Variante. Schade, denn der Abstieg nach La Trapa, dem verfallenen Kloster am Südwestzipfel von Mallorca, ist eine Augenweide auf einem prima Wanderweg. Ab La Trapa ist der Wanderweg auch plötzlich stark begangen, es fühlt sich mit einem Schlag so an als wäre die ganze Insel unterwegs zum Kloster und seinen Grillplätzen. 
 

Der Weg verläuft ein Stück abenteuerlich durch die Felsen, die von den vielen Wanderern rutschig wie Schmierseife ist. Das wird mir fast zum Verhängnis, denn ich verlasse mich nach über einer Woche blind auf meine rutschfesten Trailrunners. 
 

Der letzte Kilometer durch den Wald flutscht dahin und schon bin ich in Sant Elm. Ich habe nur ein Ziel: direkt ans Meer laufen und Füsse ins Wasser. Daher nehme ich die erstbeste Treppe zwischen den Häusern hinunter an den Strand. Der ist hier sehr dreckig, denn der Strand am westlichen Ende von Sant Elm ist rauher, scharfkantiger Fels, er sieht aus wie ein kaputter Schwamm oder tote Korallen. 
 

Das interessiert mich jetzt noch nicht, ich balanciere zwischen Hundekot auf den Felsen bis zum Wasser. Erst als ich die Schuhe ausziehe, um ins Wasser zu waten, wird es unangenehm, als ob man barfuss über Lego geht. Doch jetzt gibt es kein zurück mehr, ein anderer Strand kommt nicht in Frage, es muss dieser hier sein. Zwar gibt es kein Schild, keine offizielle Bestätigung, doch ich weiss es: genau hier bin ich wieder aufs Meer gestossen, seit ich vor knapp 10 Tagen in Port de Pollensa aufgebrochen bin. Also eiere ich über den scharfkantigen Felsen ins Wasser und lasse meine 
heissglühenden Füsse vom Mittelmeer umspülen. 
 

Ich versuche, den Moment, den Triumph, das Glücksgefühl zu geniessen, doch es ist dermassen ungemütlich, dass ich nur schnell ein Foto und Beweisvideo mache, dann nichts wie rein in die Schuhe - welche Wohltat. 
Zurück auf der Strasse strecke ich beim ersten Auto den Daumen raus und werde gleich mitgenommen. Ein einheimischer Wanderer, der auf dem Heimweg nach Palma ist, nimmt mich mit und fährt mich sogar bis ins Zentrum von Paguera, einem Strandort etwa auf halbem Weg zwischen Sant Elm und Palma. Unterwegs unterhalten wir uns prima, er kennt alle Wanderwege, die ich gegangen bin, und noch viele mehr - er gibt mir so viele Empfehlungen, dass ich noch wochenlang weiterwandern könnte.
In Paguera angekommen, gehe ich zielstrebig zum Hostal Amistad. Es ist der einzige Ort in der Südwestecke von Mallorca, der über Booking ein verfügbares Hotel anzeigt. Hier will ich mich bis ans Ende der Ferien niederlassen, denn es gibt noch ein paar Wanderwege in der Umgebung, welche von hier gut zu erreichen sind. Auch Palma ist nicht weit und es gibt einen direkten Flughafenbus von hier. Ich erhalte ein schönes Zimmer mit Veranda - prima zum Zelttrocknen und Schlafsacklüften. Der Hostal-Besitzer ist sehr nett und erklärt mir den Weg zu den drei Restaurants, die um diese Jahreszeit offen haben. Bevor ich schlemmen gehe, gönne ich mir erst mal ein Bier und eine Dusche. Danach geniesse ich einen fantastischen Tintenfisch im ausgezeichneten Restaurant Los Poetas.




GR221, Tag 13, 2.1.2020: Paguera/Palma (Ruhetag)

Da mein Rückflug erst am 4. Januar geht, geniesse ich einen Ruhetag in Paguera und mache einen Ausflug mit dem Bus nach Palma. Dort verbringe ich den Tag hauptsächlich beim Shoppen (natürlich brauche ich dringend neue, ultraleichte Outdoor-Ausrüstung nach dieser harten Tour 😂).

GR221, Tag 14, 3.1.2020: Sant Elm - Port d'Andratx (- Paguera)

An meinem letzten Tag vor der Heimreise fahre ich nochmals mit dem Bus zurück nach Sant Elm und wandere noch die letzte, halboffizielle Etappe des GR221 nach Port d'Andratx. 
 

Es ist eine kurze Wanderung, die auch nicht - wie beim Morgenessen angedacht - verlängert wird bis Paguera, denn als ich gegen Mittag Port d'Andratx erreiche, geht ein eisiger Wind und es sieht nach Regen aus. Ich mache es mir also nochmals im Hotelzimmer gemütlich und geniesse ein weiteres gutes Abendessen im Las Poetas. 
 
 
 


 


GR221, Tag 15, 4.1.2020: Heimreise

 
Es gibt nicht viel von der Heimreise zu berichten - der Flieger bringt mich effizient, aber langweilig nachhause. Eine Nacht auf der Fähre nach Barcelona, gefolgt von einer 20-stündigen Bahnfahrt in die Schweiz wäre sicher erlebnisreicher gewesen - hätte mein Sitzfell aber arg strapaziert. Vielleicht klappt's ja beim nächsten Mal mit dem Zug. 

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