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GR221, Mallorca, Teil III: durch Orangen- und Olivenhaine



GR221, Tag 6, 26.12.2019: Port de Soller - Soller, 9 km
Trotz meiner extremen Schnarchnachbarin schlafe ich doch irgendwann ein. Und sogar recht lange. Auch das Frühstück im Hostel schmeckt sehr lecker. Ich mache mir einen gemütlichen Vormittag und ziehe erst gegen Mittag los. Der Outdoor Laden in Soller hat zu, daher versuche ich es mit Postkarten, die Mission gelingt. Irgendwie habe ich mir Soller grösser vorgestellt, an der Plaza angekommen, kriege ich schnell das Gefühl, ich hätte schon alles gesehen. Da es der zweite Weihnachtstag ist, hat fast alles geschlossen. Also steige ich spontan ins Ruckelträmli (der nostalgische Orangenexpress) nach Port de Soller. Es ist irgendwie herzig, obwohl natürlich eine totale Touristenattraktion.
 

 

Auch Port de Soller wirkt ausgestorben, alles hat zu, auch der dortige Outdoor Laden. Immerhin flanieren recht viele Leute am Quai, es gibt sogar ein paar mutige Schwimmer. Der Hafen ist aber auch bildhübsch! Daher gönne ich mir einen überteuerten, aber leckeren Wrap und Saft, bevor ich gemütlich zurückwandere nach Soller. Ruhetag, haha - mir tun schon wieder die Füsse weh.
Abends mache ich mir einen leckeren Salat und geniesse einen gemütlichen Abend am grossen Tisch, mit einem halben Liter Rotwein und guten Gesprächen. Hoffentlich klappt's diese Nacht besser mit schlafen.

 

GR221, Tag 7, 27.12.2019: Soller - Deja, 12 km
Die zweite Nacht im Hostel in Soller wird leider nicht besser als die erste. Meine Bettnachbarin zersägt einen ganz Urwald, leider nützen die Oropax nichts gegen ihr jaulendes Geschnarche. Als sie endlich Ruhe gibt, wirken die Oropax dann doch, und ich verschlafe selig bis weit nach neun Uhr. Ich schaffe knapp den Check-out um 11, dann setze ich mich erstmal in eine Bar auf einen Cortado und schreibe die Postkarten, da der Wanderweg direkt an den Correos vorbei führt. Heute nehme ich eine Abkürzung: statt dem GR221 über den Leuchtturm bei Muleta (d.h. essentiell nochmals hin und zurück nach Port de Soller) nehme ich den Camino del Rost direkt nach Deia. Er steigt gemütlich an durch die Olivenbäume bis zur Finca Son Nico. 
 

Dort wartet ein herziges aber durchtriebenes Kätzli auf mich. Es weiss genau, dass fast alle hier picknicken, weil es etwa die Hälfte des Weges ist, und dass alle Wanderer zuviel zu essen dabei haben und es füttern, weil Kätzli unwiderstehlich sind. Also mache ich dort Pause, ist ja klar. 
Der Abstieg nach Deja hat ab und zu herrliche Aussichten auf die wilde Küste. Eigentlich ist der Weg gesperrt wegen einer eingestürzten Mauer, doch es kommen mir so viele Leute entgegen, dass ich einfach weiterlaufe. Den ersten frage ich, ob es problematisch sei, er meint, kein Problem, vielleicht ein bisschen mühsam mit dem Rucksack - ok, geht klar. Es dauert noch über eine Stunde, bis ich wirklich in die Nähe der Sperre komme, da kommen mir zwei durchtrainierte Typen mit Trekkingrucksack entgegen, die mir etwas herablassend mitteilen, der Weg sei gesperrt. Ach wirklich? Und sie sind auch durchgekommen? Ja klar, aber ich soll es nicht schaffen? Etwas hässig laufe ich weiter, und als die Absperrung kommt, hebe ich sie einfach hoch, bzw hieve mich und meinen Rucksack einfach drüber am anderen Ende. Idioten! Aber etwas Wut verleiht auch extra Kräfte...
 

 
Am Ende des Tages kürze ich ab und bleibe 10 Minuten länger auf der Strasse, statt nochmals eine Stunde in ein Tal runter und wieder hoch zu steigen. Irgendwie komme ich heute nicht so recht auf Touren, und es wird auch kälter - ich will nur noch ankommen. Im Refugio treffe ich Susa wieder, die ich schon in Soller im Hostel getroffen habe, und lerne Maria kennen, zusammen gehen wir im Dorf Bier trinken in der Bar und unterhalten uns prima. Mein Spanisch entrostet sich nur sehr langsam. Im Refugio gibt's einen Gewaltsteller voll Gemüsereis. Ich hoffe auf eine ruhigere Nacht als die letzten zwei.

GR221, Tag 8, 28.12.2019: Deia - Valldemossa - Mola de sa Comuna, 14 km
Ich versuche, früh loszukommen, da ich heute eineinhalb Tagesetappen laufen will, weil es in Valdemossa, dem nächsten Ort, kein Refugio und kein (zahlbares) Hotel gibt. Obwohl es wieder fast 9 Uhr wird, bis ich loskomme, fühlt es sich noch sehr früh an, da es erst um 8 richtig hell wird und Deja noch im Schatten der Berge liegt. 
 

 
Das wird auch den ganzen Morgen so bleiben, denn der Aufstieg beginnt gleich hinter dem Refugi und geht unerbittlich, teilweise sogar steil den Berg hoch. Erst geht es durch verwilderte, mit hohem Dissgras überwachsene Terassen hoch, dann in den Steineichenwald und die Felsen rein. Alles ist sehr feucht, obwohl es nicht geregnet hat und die ganze Zeit sehr schönes Wetter war. Das Meer bringt über Nacht einfach sehr viel Feuchtigkeit an diese steilen Berghänge, alles tropft und es ist teilweise sogar glitschig. Dafür ist alles wunderbar grün, fast dschungelartig.
Bald geht der Weg in die Felswände rein. Ich wurde gewarnt, der Weg sei gefährlich, doch mir scheint der Wanderweg wunderbar - die Felsbänder sind breit, und sie bieten atemberaubende Aussichten, die man unten im Wald nicht hatte. 
 

Endlich, gegen Mittag, komme ich oben über die Klippe und finde mich auf einem breiten Bergrücken wieder, fast eine Art Hochplateau. Ich steige noch ein bisschen weiter, bis zum Es Cargoli. Dort winkt mir von Weitem eine lachende Susa zu - was für eine Überraschung! Ich wusste, dass sie heute weiterzieht Richtung Valdemossa, aber nicht, dass sie von der andern Richtung dieselbe Wanderung wie ich macht. Die Aussicht auf dem Es Cargoli ist prächtig - steil unter uns das Meer, und in der Ferne alle Gipfel, die ich in den letzten Tagen umrundet habe, und auch diejenigen, welche ich noch vor mir habe. Ich bin wieder mitten drin in der Sierra de Tramuntana.
 

 
Susa verabschiedet sich - dieses mal wird es das letzte Mal sein, dass wir uns treffen. Ich steige noch eine Weile über die Bergrücken bis zum Puig Gros auf dem Höhenweg des Erzherzogs Ludwig Salvator, einem frühen Mallorca-Fan und Naturschützer. Nebenbei war er noch der Cousin von Sissi. 
 

Bald beginnt der lange Abstieg nach Valdemossa. Erst geht es in schönen Serpentinen bis zu einem geschlossenen Refugi, welches angeblich ebenfalls bereits vom Erzherzog errichtet wurde. Schade, dass es nicht für die Wanderer geöffnet ist. Danach führt der Wanderweg auf eine steinige, steile Strasse, die sehr anstrengend zu gehen ist. Auch die Aussicht ist mal wieder weg, da ich mich nur noch im Wald bewege.
Der Abstieg zieht sich, und ich erreiche Valdemossa erst recht spät. Dort fülle ich meine Wasserflaschen auf, denn bis Esporles ist keine Quelle und kein Brunnen mehr eingezeichnet. Auch eine lokale Süssspeise und ein Cortado liegt noch drin, dann lasse ich Valdemossa, welches ziemlich touristisch daherkommt, hinter mir und beginne den gleich von Anfang an steilen Aufstieg auf den Mola de sa Comuna. 
 

Ich bin schon ziemlich geschafft von der Tagesetappe, doch oben auf dem Berg sollte es Biwakplätze geben - bis dahin steige ich im steilen Wald hoch, ohne Aussicht wie üblich. Nach einer Stunde kommen die ersten Felsen in Sicht und ich quetsche mich durch eine enge Spalte hindurch. Ich stelle fest, dass es doch Wasser gehabt hätte - neben einem eingefallenen Haus gibt es eine überdachte Zisterne voll Wasser, das sogar ziemlich sauber aussieht, welches man aber filtern sollte. Da ich nun ja eh sauberes Wasser hochgeschleppt habe, gehe ich weiter.
 

 
Bald befinde ich mich am höchsten Punkt (ich bin immer noch im Wald, aber ich merke, dass der Weg ausebnet und sich langsam nach unten neigt. Es geht durch einen letzten Hohlweg, und ich klettere auf die Felsen. Die Aussicht ist fantastisch, ich befinde ich mich sozusagen auf einer Klippe und sehe unter mir ein grünes Tal, sehe, wie sich die Klippe über den Berg zieht, und in der Ferne Palma und die Bucht von Palma. Fantastisch! Wenn ich doch hier nur einen Zeltplatz finden könnte...
Da erblicke ich etwa 50 Meter unter der Felsklippe ein winziges Plätzchen, genau passend für meine Dackelgarage von Zelt, daneben eine alte Feuerstelle - ich bin nicht die erste, die hier lagert. Im letzten Abendlicht klettere ich dort hinunter, baue rasch mein Zelt auf und geniesse die fantastische Aussicht.
 

 
Bald jedoch steigt Nebel auf und die Sicht ist weg. Nun wird es zum Märchenland, die Nebelfetzen ziehen vom Meer hinauf durch den Wald und über die Klippen. Ich geniesse mein leckeres Abendessen aus der Tüte, ein veganes Risotto, Geschenk von Antonia, das ich mit Butter und Käse anreichere (sorry, liebe Veganer). Danach schlüpfe ich in den Schlafsack, denn es wird kalt und ungemütlich feucht. Ich lese noch ein bisschen in einem viel zu aufregenden Thriller, der mich nun nicht mehr schlafen lässt, weil jedes Geräusch im Wald wie ein sich anschleichender Terrorist tönt.
Pro-Tipp: wenn du alleine im nebligen Wald zeltest, lies doch einen kitschigen Liebesroman oder ähnlich, der dich sanft ins Reich der Träume geleitet und dich nicht jede meckernde und stolpernde Bergziege mit Herzrasen aus dem Schlafsack juckt.
Mehr Fotos hier: GR221, Teil III






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