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Lustig ist das Zigeunerleben - Zeitreise durch Siebenbürgen

Bevor wir die Südkarpaten überquert haben, gondelten wir einige Tage durch Siebenbürgen (auch bekannt als Transsilvanien). Hier ist das deutsche Erbe noch weit verbreitet, auch wenn die meisten Deutschen nach der Wende ausgewandert sind. Nach tollen Radeltagen in den Apuseni Bergen und einer Wanderung durch die Turzii Schlucht (Hammer Klettergebiet!) machen wir einen Abstecher nach Sighisoara (Schässburg). Hier treffen wir zum ersten Mal auf so was wie "Massentourismus", unterhalten uns prima mit zwei deutschen Motorradfahrern und sehen sogar eine Gruppe von Radfahrern. Die gut erhaltene Altstadt auf dem Hügel mit ihren alten Zunfthäusern, Stadtmauern und Wehrtürmen gehört zu Recht zum UNESCO Welterbe.
Hier steht auch das Geburtshaus von Graf Vlad Dracul "der Pfähler", der historischen Vorlage von Bram Stokers Dracula. Entsprechend gruftige Souvenirs  gibt es hier zu kaufen. Auf dem Campingplatz hat es einen riesigen Swimmingpool mit frischem Flusswasser, so dass wir uns prima abkühlen können - es ist nun richtig heiss und fast täglich müssen wir mit Gewittern rechnen. Beim Radeln sind wir daher um jeden Bach und Brunnen zum Abkühlen froh.
Brunnen gibt es jede Menge in Rumänien, oft noch mit Pumpen oder wir müssen das Wasser mit einem Eimer an der Kette aus der Tiefe holen. Dafür schmeckt es prima. Auch die einheimische Bevölkerung holt sich ihr Trinkwasser mit Flaschen, Eimern und Töpfen vom Brunnen. Leute aus der Stadt fahren oft kilometerweit für gutes Trinkwasser. Natürlich haben alle fliessend Wasser, aber das ist oft ungenießbar und Mineralwasser ist teurer als Bier. Letzteres erklärt die vielen Bierstuben! Auch wir trinken zum Mittagessen oft ein Radler, weil es das günstigste Erfrischungsgetränk ist.
In Siebenbürgen gibt es auch sehr viele Kirchenburgen, die von den "Donauschwaben", den im Mittelalter eingewanderten Deutschen, erbaut wurden. Diese evangelischen Kirchen sehen eher wie Burgen aus und sind wahre Festungen, um die Kirchen gegen die Invasionen der Türken zu schützen (man hatte aus den Debakeln mit den Mongolen gelernt). In Biertan nahe Sighisoara steht so eine Kirchenburg, die wir besichtigen.
Wir haben Lust, etwas mehr über die Gegend und die Einheimischen zu erfahren und kontaktieren daher eine rumänische Familie, die wir über Warmshowers finden. Wir können bei Cristina, Greg und ihren drei Söhnen im Garten zelten. Von ihnen lernen wir viel über das Alltagsleben in Rumänien. Zwar verdienen sie beide als Lehrer nur 200 Euro im Monat, dennoch haben sie ein altes Haus in traditioneller Bauweise mit natürlichen Materialien schön restauriert. Zum Haus gehört wie bei den meisten rumänischen Wohnhäusern ein riesiger Garten, Obstbäume und ein kleiner Stall mit zwei glücklichen Kühen und ein paar Hühnern. Die beiden Kühe werden jeden Morgen von einem Hirten abgeholt und zusammen mit den anderen Kühen des Dorfes auf die Weide gebracht. Abends kriegen wir dann die frische Milch in den Kaffee und selbstgemachten Käse aufs Brot. Eigentlich tönt das alles sehr romantisch, aber die beiden arbeiten Vollzeit, zum Glück helfen die Söhne fleissig mit.
Wir dürfen auch den Kindergarten und die Schule besuchen. Cristina bekommt zum Glück für den Kindergarten Spielzeug aus der Schweiz gespendet, denn die Gemeinde hat kein Geld. Die Regierung zahlt nur einen kleinen Snack für die Kinder. So steht halt im Kindergarten von Bradeni eine Schweizer Kinderpost zum spielen (Modell PTT:-) und Globibücher hat es auch.
Bei den Grossen ist die Situation ähnlich desolat: es hat zuwenig Schulbücher, also müssen sich die Schüler zu zweit oder zu dritt eines teilen. Es gibt zwar einen recht modernen Computerraum, aber keinen Informatiklehrer :-(. Da es kein duales Bildungswesen gibt, hat es auch keine Lehrstellen und es fehlt an Know-how.
Wir kommen auch auf das Zigeuner-"Problem" zu sprechen. Viele Rumänen äussern sich negativ über sie, sie betteln, seien faul, etc. Wir haben schon etliche Zigeunerdörfer durchfahren und haben viele verschiedene Zigeuner gesehen: blonde Zigeunerfrauen mit bunten, weiten Röcken, aber auch halbnackte, vor Dreck starrende Kinder, die uns anbetteln, Männer, welche mit Stolz ihre Tracht tragen und zerlumpte Taugenichtse, die morgens um 10 schon betrunken sind. Alle wohnen jedoch in Häusern, sie ziehen schon lange nicht mehr umher. Viele arbeiteten früher für die Deutschen und führen nun, da diese weg sind, ein Lotterleben.  Andere sind offensichtlich wohlhabender und fleissiger. Ihre bunten Kleider sind jedenfalls ein schöner Bestandteil der rumänischen Kultur.

Über Sibiu (Hermannstadt), welches heute noch einen deutschen Bürgermeister hat und eine schmucke Altstadt besitzt, erreichen wir bei strömendem Regen den Fuss der Karpaten. Hier in Saliste hat es einen schönen Camping mit hauseigenem Kirschbaum, von dem wir so viel essen können wie wir wollen. So warten wir auf besseres Wetter. Im Wald finden wir Heidelbeeren, Himbeeren und Walderdbeeren, so dass uns die Wartezeit schön versüsst wird. Beim Wandern treffen wir ein paar lustige Senioren, die uns vom Kloster Horezu und der Umgebung dort vorschwärmen. Wir sind begeistert und beschließen, dort noch ein paar Tage abzuhängen, bevor wir nach Bulgarien fahren.

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