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Mongolia Extreme, oder: die Hammeldiät

 


 

Liebe Leute,

darf ich hiermit als erstes allen, die meinen, sie kennen die mongolische Küche, weil sie mal im Sagakan oder Han-Restaurant waren, desillusionieren: es ist nicht ganz soooo original! Dies nur als Einleitungssatz für den Reisebericht unseres Mongolei-Abenteuers...

Wir sind wieder zurück in der relativen Zivilisation von Ulan Bator nach 4 Tagen "Adventure" in der Bulgan-Provinz, einem vom Tourismus noch nicht so sehr erschlossenen Teil der Mongolei, ca. 280 km von Ulan Bator entfernt. Einigen von euch habe ich ja bereits im Voraus von unserer "Quest of the last Emperor"-Tour erzählt - für euch die Kurzfassung: wir haben den Kaiser nicht gefunden, aber dafür ein Stück echter Mongolei, von den immer traumhaften Fotobildband-Landschaften (hier wird sogar ein total depperter Knipser zum National-Geographic-Fotografen, man muss nur abdrücken, und schon ist ein Hammerbild im Kasten) bis zum (manchmal) albtraumhaften Essen (Freiwillige vor für ein Stück Aorta! Nicht? Aber wenigstens ein bisschen Knorpel darfs schon sein?).
Fuer alle andern: wir haben eine Tour bei einer Agentur gebucht, welche die Community unterstützt, indem sie Nomaden die Möglichkeit geben, eben Nomaden zu sein, dh. mit ihren Ger (Jurten) und ihren Herden im Sommer draussen im Land zu leben, und trotzdem überleben zu können, indem sie Touristen zu sich in die Jurte aufnehmen, und diese etwas an ihrem Alltag teilhaben lassen, so dass sie etwas dazuverdienen, und nicht gezwungen sind, in der Stadt Arbeit zu suchen (ein wohl hoffnungsloses Unterfangen). Das Geld, welches wir bezahlt haben, geht aber nicht nur an die Familien, welche uns Obdach und Kost boten, sondern auch an gemeinnützige Projekte, wie Schulen, etc. Es hat sich sehr gelohnt, da wir nicht in einem Touri-Bus durchs Land flitzten, nur für einen Fotohalt ausstiegen und in Touristencamps übernachteten, sondern eben wirklich bei den Familien. Dafür gab es halt auch kein sehr organisiertes Programm (das Zusammentreiben der Herde, das Schlachten der Ziege, etc. hatte Vorrang), und oft sassen wir einfach stundenlang herum und mussten uns selber beschäftigen. An die Tatsache, dass die Nomaden nicht nach unserer 24h-Uhrzeit gehen, und selten genau sagen können, wann wir denn weiterreiten zur nächsten Familie, mussten wir uns erst gewöhnen. Dafür haben wir 4 Tage unendlich weite Landschaften stundenlang betrachten können, den Himmel zum Greifen nah, ein Bild wie aus Herr der Ringe (Rohan, Land of the Horse Lords!). Man wird recht poetisch ob solcher Aussichten, und ich versuche erst gar nicht, sie zu beschreiben, denn das würde in totalem Schwachsinn enden, schaut euch die Fotos an (tut mir leid, ich konnte fast nicht aussortieren, es sind ein paar Hundert :-)
Auch den Menschen dort bei der Arbeit zuzuschauen, und unsere Mongolischkenntnisse zu trainieren (kaum jemand sprach gut Englisch, viele gar kein Wort, v.a. die ältere Generation) war sehr interessant. Mongolisch ist unglaublich schwierig (v.a. die Aussprache), und im Gegensatz zu Russisch hat es mit europäischen Sprachen gar nix mehr gemeinsam. Trotzdem schafften wir es jeweils, zu fragen, ob sie einen guten Sommer hatten (den üblichen Begruessungssatz unter Nomaden), und wieviele Pferde, Kamele, Ziegen und Schafe sie hätten (auch sehr wichtig). Mit Händen und Füssen, ein paar Seiten von wichtigen Sätzen und viel Humor konnten wir uns oft verständigen. Wenn das nicht half, so sangen wir ein paar Lieder aus der Heimat (Es Buurebuebli mani nid, Alperose, etc.) und wurden dafür mit mongolischem "Longsong" (einem seeehr langen Lied) belohnt. Auch wenn sich die Konversation jeweils nach ca. 3 Minuten erschöpfte, so kamen die Leute doch immer wieder ins Gaeste-Ger (wir schliefen in einer eigenen Jurte, separat von der Familie, die wir uns jeweils mit andern Ger-To-Ger-Reisenden teilten) um uns kennenzulernen.

Wie aber der Einleitungssatz schon andeutet, hat diese Reise auch einiges an "Opfern" unsererseits erfordert, und obwohl wir das Erlebnis als ganzes nicht missen möchten, so sind wir uns doch einig, dass die mongolische Küche als ziemlicher Tiefflieger bezeichnet werden kann: Hammelfleisch wäre ja noch ok, auch 3x am Tag, aber wenn es dann immer nur die Innereien sind, welche vor Knorpel, Knochenmark, Blutgerinnseln, etc. nur so strotzen, und im eigenen Fett gebraten werden, dann rebelliert auch der abgehärtetste europäische Magen irgendwann (ich meine eigentlich immer, mein Magen hält ziemlich viel aus, aber am 2. Tag hat auch meiner den Geist aufgegeben und einen Aufstand gemacht (sprich: kotz, würg, übel). Auch die Beilagen (Reis, Nudeln, Kartoffeln) sind meist sehr fettig und riechen eben auch immer nach Hammel... Dazu gibts Milch, salzigen Milchtee, oder gegorene Stutenmilch ("Airag", schmeckt wie Sprite mit ranziger Milch gemischt, und hat je nach Gaerungsgrad auch noch bis zu 17% Alkohol drin. Airag gibts meist zur Begrüssung, aber auch schon mal zum Frühstück...). Wir Touristen haben auch normales Wasser bekommen, abgekocht in der Thermoskanne, um uns Tee zu machen (kaltes, frisches Wasser gab es nirgends, da es sehr wenig Wasser gibt, die Wasserstelle weit weg ist, und diese auch noch von den Tieren, die dort trinken gehen, kontaminiert ist - daher abkochen). Leider wird das Wasser im selben Topf gekocht, wie die Milch aufgekocht und entrahmt wird, so dass auch der Tee immer etwas nach Milch und Hammel schmeckt. Wasser zum Waschen gab es nie, und das Teewasser fürs Wasser zu verschwenden, wäre nicht in Frage gekommen. So haben wir denn nach 4 Tagen ordentlich gerochen... (dreimal dürft ihr raten wonach - richtig, Hammel :-) Also Veganer würden hier schon am ersten Tag eingehen, Vegetarier wohl am dritten oder so... Allesfresser überleben es (mithilfe der letzten Schweizer Schoggi, ein paar Micropurtabletten, gelegentlichem Unwohlsein, und der Bereitschaft, auch mal frisch geschlachtete Schafleber zu essen). Zwischendurch gab es aber leckere Brotfladen (ignorierte man mal den Hammelgeruch vom Fett) mit frischer Sahne drauf, und auch die "Schlachtplatte" am letzten Abend, wo man zu unseren Ehren ein Schaf frisch geschlachtet hatte, liess sich gut geniessen, wenn man nicht zu heikel war (und das Highlight: es hatte ein paar wenige Scheiben Karotten drauf). Trotzdem fing ich am 2. Tag in der Sanddüne von einem grünen, knackigen GrannySmith-Apfel zu fantasieren, den ich an einem der seltenen Früchtestände in Ulan Batoor gesehen hatte, und ich bin fast sicher, in den Fotos am letzten Tag kann man in meinen glitzernden Äuglein zwei kleine grüne Äpfelchen sehen (anstelle von Dagobert Duck's Dollarzeichen). Während ich euch diese Zeilen tippe, nage ich übrigens grad das letzte Stück eines solchen Apfels auf, der eigentlich etwas mehlig war, aber ich habe sogar das Apfelbitschgi gegessen, was ich zuhause nie tue. Kleiner Tipp an alle von euch, die in naher Zukunft vielleicht mal schnäderfrässige Kinder haben werden: Ruth und ich finden, die beste Drohung wäre: "Wenn du den Broccoli jetzt nicht sofort auf isst, schicken wir dich 3 Tage in die Mongolei!"
Vor allem für die weibliche Fraktion stellte sich auch das WC-Problem als nicht ganz einfach dar, denn auf die Frage nach dem Plumpsklo zeigte mir beim ersten Ger die Mutter einfach in Richtung offene, platte, Weite. Sprich: mach in der freien Natur, es hat ja genug davon. Dumm nur, dass kein Baum, kein Strauch, ja nicht mal ein Gebüschlein in der Nähe war, und auch nach einem Maulwurfshügel, hinter den man sich hätte bücken können, suchte man vergebens. "Wide open spaces" von den Dixie Chicks bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Wenn man ca. 1 km in die richtige Richtung lief, neigte sich das Gelände etwas, so dass man in der richtigen Kauerposition nur noch die Spitze der Jurte sah und somit hoffen konnte, dass man selber auch unsichtbar war. Zum Glück haben wir erst am letzten Tag gesehen, dass die Alten immer ein Fernglas umgehängt haben, mit dem sie (wie bei uns zuhause) den Nachbarn (die halt 20 km weiter wohnen) zuschauen, was die grad so treiben). So haben wir zum guten Glück die Scheu rasch verloren und die Hosen eben schon nach 50 Metern runtergelassen.
Gestern Abend sind wir dann also voller Eindrücke, erlebter Abenteuer auf Pferde- und Kamelrücken, in Sanddünen, Jurten und Steppen wieder nach Ulan Batoor zurückgekehrt. Die Rückreise hatte fast ebensoviel Action in sich, wie die letzten Tage: erst kam unser Pickup-Auto viel zu spät, welches uns zum Bus bringen sollte, und dann war der Fahrer sturzbetrunken (aber echt so schlimm, wie ich es noch nie gesehen habe - er nickte immer wieder bei 110 Stundenkilometern über dem Steuer ein und fuhr in einem Affentempo Schlangenlinien auf der Strasse), dann war unser Bus natürlich schon weg, und alle Tickets waren ausgebucht, und niemand wollte was dafür können (die Dame der Agentur, die wir telefonisch erreichten, meinte lakonisch: "We are not liable for drunk drivers and public transport" blablabla "This is Mongolia, not Europe, you have to be more flexible" blablabla), bis schlussendlich dann doch noch die Dame auftauchte, der wir 4 Tage vorher unser Geld gegeben hatten für die Tickets, die uns dann ein Taxi besorgte, welches uns kurz vor Mitternacht noch im Hostel absetzte. Wir hatten uns eigentlich wahnsinnig auf einen Salatteller mit Fruchtsalat und ein eiskaltes Bier gefreut, doch leider hatte nur noch ein mongolischer Fastfood offen, der zwar Spaghetti Bolognese servierte, doch das Fleisch roch eben nach ...??? richtig: Hammel!!! (Seufz)
Heute morgen habe ich mir aber 2 feine Cappucinos gegönnt (mit Pain au Chocolat, das man sogar fast als solches bezeichnen dürfte, und das etwas mehr gekostet hat als zuhause), und heute abend wissen wir auch schon, wo wir essen :-) (ihr seht, wir sind schon etwas verwöhnt).
Aber beim Anschauen der Fotos bin ich doch wieder ganz rührselig geworden und muss schon sagen: es war der Hammer und jegliches Unwohlsein, Unbequemsein und Dreckigsein wert. Leider habe ich vorhin fast den ganzen Eintrag verloren und nochmals schreiben müssen, drum bin ich etwas gefrustet gewesen und hab die Fotos noch nicht beschriftet. Aber die meisten sind ja wohl selbsterklärend. Viel Spass!

Ger-to-Ger-Trip: Quest of the last emperor


Hier folgen übrigens auch noch die Fotos von der Zugfahrt entlang dem Baikalsee in die Mongolei und die ersten beiden Tage in Ulanbator, bevor wir ins Ger gingen.

Ulan Bator



Morgen fahren wir nach China weiter, wo wir am Montag ankommen. Es ist mir ein Gerücht zu Ohren gekommen, dass Blogger in China nicht funktioniert, somit könnte es sein, dass dies das letzte ist, was ihr von mir hört auf meinem Trip, der ja in Peking zuende geht (Ruth zieht dann noch weiter). Falls dem so ist, werde ich evtl. halt erst aus der Schweiz dann noch die letzten Fotos/Berichte posten. Aber mal schaun. Oder wir versuchens mal in Facebook, dort findet ihr mich ja auch.


Liebe Grüsse (muss jetzt dringend ein Salatblatt verschlingen)
Kathrin

 

 

 

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