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Der Himmel weint

 


 

Hallo miteinander,

wir sind heute zu sehr ungastlicher Stunde (3.41h Lokalzeit, 1.41 Moskauer Zeit) in Ekaterinburg angekommen, wo es in Strömen goss. Gottseidank ist man hier auf nächtliche Besucher eingestellt und das Cafe am Bahnhof hat 24 Stunden offen, wo wir uns schlaftrunken die nächsten 2 Stunden vertrieben, bis es hell genug war, um durch die halbe Stadt zu pflotschen (mittlerweile unter einem halben Wolkenbruch, die Strassen waren total überschwemmt und unsere Hosen/Schuhe bis über die Knie durchnässt) bis zu unserem Hotel. Dort durften wir netterweise bereits unser Zimmer beziehen, wo wir erst mal den Teppich eingeweicht haben mit unseren pitschnassen Sachen. Das Hotel ist aber jeden einzelnen seiner teuren Franken wert, die wir dafür bezahlt haben, denn wir haben praktisch eine Suite! Sehr gediegen! Nach einem ersten kurzen Schnupperspaziergang und Frühstück haben wir nun gemütlich in der Badewanne aufgetaut, Wäsche gewaschen, nachgeschlafen und die Geister wiederbelebt. Mittlerweile nieselt es auch nur noch und wir konnten einen ersten ungetrübten Blick auf die 2. russische Stadt dieser Reise werfen. Zwar nicht ganz so bunt wie Moskau, aber dennoch schöner als im Reiseführer beschrieben. Wir hoffen, es wird morgen noch etwas besser, so dass wir durch die schönen Boulevards flanieren können oder einfach mal ein bisschen im Park hängen. Viele Sehenswürdigkeiten bietet Ekaterinburg nicht - die Romanovs (die letzten Zaren) wurden hier erschossen, danach wollte man sich ihrer Leichen entledigen, indem man sie in einen Minenschacht vor der Stadt warf und eine Granate gleich hinterher, was leider nicht den gewünschten Effekt hatte - der Schacht stürzte nicht ein. Also hat man sie wieder rausgeholt (mittlerweile schon etwas lädiert) und sie kurzerhand mit Saeure übergossen, damit ja nix von ihnen übrigbleibt. Auch das hatte nicht den gewünschten Effekt, so dass man sie schlussendlich mühselig in ein Loch warf und zubuddelte. Erst vor ein paar Jahren hat man sie wieder ausgegraben und mittels DNA-Analyse die doch stark malträtierten Überreste identifizieren können. Mittlerweile selig gesprochen und ordentlich in Petersburg begraben, kann man hier noch das Loch anschauen, wo sie verbuddelt waren. Das war dann in etwa das touristische Highlight, aber wir sind ja v.a. hier, um nicht in einem Rutsch bis nach Sibirien zu fahren, und zwischendurch einfach noch etwas Durchschnitts-Russland kennenzulernen.

Mittlerweile können wir den ersten Eindruck bestätigen, dass die allermeisten Russen sehr nett und überaus zuvorkommend zu uns sind, auch wenn viele kein Wort englisch sprechen. Ein Beispiel: der Typ vom Internetcafe hat ganz begeistert eine Übersetzungs-Internetseite aufgerufen, wo wir ihm reinschreiben dürfen, was wir wollen, und dies ihm dann auf kyrillisch/russisch übersetzt wird. Zwar braucht es eine Weile, bis die Leute lächeln, und wenn sie es tun, ist es eher scheu, aber wir sehen ihnen an, dass sie sich freuen und es auch amüsant finden, wenn wir mal wieder mit dem Russisch-Wörterbuch rumwedeln und einen neuen Satz ausprobieren wollen.

Unsere erste Zugfahrt war übrigens auch ganz spannend, nie kam Langeweile auf. Wir teilten das Abteil mit einer jungen Mutter und ihrer 6-jährigen Tochter Olga, die gerade vom Urlaub am Schwarzen Meer zurückkamen - eine insgesamt dreitägige Zugreise!
Zwar sprachen sie kein Wort englisch, doch Olga machte es sich zur Aufgabe, uns alles, worauf sie zeigen konnte, auf russisch beizubringen. Leider vergassen wir fortlaufend wieder, was Fenster, Tasse, Nase heisst, und sie stemmte dann jeweils streng die Hände in die Hüfte, so a la: Jetzt habt ihr schon wieder vergessen, was Ohrläppchen heisst, dabei hab ichs euch doch grad beigebracht! Seid ihr denn total deppert?

Den Tag haben wir uns prima vertrieben mit Lesen, Nudelsuppe schlürfen, Kaffee trinken und aus dem Fenster schauen, wo winzige russische Dörfer mit typischen Holzhäusern vorbeizogen, dann wieder ewig lange nur Birkenwälder oder Sümpfe. Gegen Abend wurde die Landschaft leicht (mit Betonung auf seeeehr leicht) hügelig - wir hatten die Ausläufer des Urals erreicht und stellten unsere Uhren zum 2. Mal eine Stunde vor. Mittlerweile sind wir ca. 1300km von Moskau entfernt.

Es ging sehr geruhsam zu in unserem Zug, immer wieder kam die Provodnitsa vorbei, um unser Abteil zu staubsaugen oder die Vorhänge neu zu drapieren, so dass man die goldenen Bänder schön sah (zu ihrer Verzweiflung schoben wir diese danach immer wieder beiseite, weil uns die Aussicht doch mehr interessierte als schön drapierte Rüschchen). In unserem Wagen waren wir glaub ich die einzigen Ausländer, sonst waren v.a. russische Familien und ein paar Militärs unterwegs. An den wenigen Haltestellen gab es jeweils leckere Beeren, Tomaten, Gurken, aber auch Knoblauch, Kartoffeln, gekochte Eier und getrockneten Fisch zu kaufen. Natürlich gabs auch Vodka und Bier, sowie tonnenweise Plüschtiere. Olga bekam von ihrer Mutter an jeder Haltestelle ein neues Plüschtier, welches sie danach stolz uns und dem ganzen Wagen vorführte. Anfangs lustig, dann immer nerviger wurde ein rosa Schweinchen (russisch Swinka!), welches auf Knopfdruck zu zappeln und quieken begann, und wir hofften, die Batterie möge keine Duracell sein ;-)

Hier noch ein paar Fotos von unserem ersten Transsib-Abschnitt:

Transsib Moskva-Ekaterinburg


Bis bald in Irkutsk!
lg
Kathrin

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