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Neuer Höhenrekord und Anti-FARC-Demo


 

 

Liebe alle,

mittlerweile bin ich im Zentrum Kolumbiens angelangt, in der hübsch inmitten von Bergen gelegenen Stadt Manizales. Sie liegt am Fuss des Nationalparkes Los Nevados, dessen Vulkane zu den höchsten des Landes gehören. Den höchsten davon, El Ruiz, kann man fast bis zum Gipfel zu Fuss (dh. ohne Steigeisen, etc.) besteigen, was ich mir natürlich nicht entgehen lassen wollte. Mein cooles Hostel hier, "Mountain House", organisierte mir also einen Bergführer, der mich mit ein paar anderen Touristen bis auf 5100m (bis zum Gletscherrand) begleiten würde. Als ich jedoch in voller Wandermontur in den Minibus stieg, musste ich fast lachen: da sassen eine Gruppe von 20 kolumbianischen Touristen, die Frauen mit Handtäschchen, schicken Sonnenbrillen und Ballerinas (es hiess, man solle gute Schuhe anziehen) statt den üblichen Absätzen. Die Männer sassen im T-Shirt da, hatten aber Baseballmütze und Handschuhe dabei (es hiess, man solle warme Kleider mitbringen). Ein bereits in der ersten Kurve kotzendes Kind fehlte natürlich auch nicht. Und eine von ihnen telefonierte mit ihrer Tochter, bis ihr kurz vor dem Parkplatz auf 4800m die Batterie ausging (Empfang hatte man bis auf 5100m: welcome to Colombia...). Bevor wir dorthinkamen, mussten wir jedoch erst mal auf holprigen Strassen die 2800 Höhenmeter zwischen Manizales und dem "End of the Road" zurücklegen, durch eine wunderschöne hügelige Gegend, die einem an die Napflandschaft erinnerte, hätte sich da nicht ab und zu auf einem Hügel eine verräterische Palme eingeschlichen.
Langsam wurde die Gegend karger und ging in Paramolandschaft über, die typisch für Kolumbiens, Venezuelas und Ecuadors Hochland ist. Nun erblickten wir auch zum ersten Mal die riesigen Nevados mit ihren vielen Kratern, sowie die riesige Schlammlawine, die sich nach dem letzten Ausbruch des Ruiz in den 90er Jahren ins Tal wälzte und ein Dorf mit 17.000 Einwohnern lebendig unter sich begrub. Vorbei an den palmenartigen Paramos und den ersten Eiszapfen auf dieser Reise liessen wir auf über 4000m Höhe die letzten grünen Fleckchen hinter uns, und der Bus kurvte nun durch eine Mondlandschaft aus Staub, Asche und Vulkangestein. Zusammen mit dem aufsteigenden Nebel war es recht unheimlich... Schliesslich erreichten wir den Parkplatz mit dem Refugio, wo dann die Hälfte der Tourgruppe beschloss, ihnen sei es zu kalt, sie würden lieber beim Bus auf uns warten und im Refugio einen heissen Zuckerrohrsaft trinken. Die andern, ich inklusive, trabten wacker los, die letzten 325 Höhenmeter zu Fuss zu erklimmen. Das tönt jetzt nach nix, aber auf dieser Höhe (und mit schlechter Akklimatisation) ist das eine echte Anstrengung. Mir ging es erstaunlicherweise sehr gut, obwohl ich ja grad erst aus der Karibik angedüst kam und auch noch (wieder mal) mit Magenproblemen zu kämpfen hatte. Die meisten unserer Gruppe gaben sehr rasch auf (was mich natürlich zusätzlich motivierte), obwohl unser Guide so langsam ging, dass es sogar mir zu langsam war, was eine echte Seltenheit ist. Schliesslich, nach über einer Stunde, erreichte ich die ersten Schneefelder, was mich mit recht heimatlichen Gefühlen erfüllte (und bei den andern Bergwanderern, allesamt Kolumbianer, wahre Euphorie auslöste, da die meisten von Ihnen noch nie Schnee gesehen hatten). Auch für mich waren es die ersten Schritte im sulzigen Schneefeld seit meiner letzten Säntisbesteigung letzten Sommer (das bisschen Schneewehen auf dem Salkantay in Cusco zählt ja wohl nicht als "Schnee unter den Füssen"). Endlich gelangte ich zum Gletscher unterhalb des Gipfels, wo mir eine Tafel bestätigte, dass ich mich auf 5125 Metern über Meer befand, wovor ich mich natürlich gleich in Siegespose warf. Aussicht gabs leider nur aufs Nebelmeer, welches uns bald einhüllte (ausser mir hatten es noch 2 andere aus unserer Gruppe geschafft), so dass ich rasch ein paar blendende Gletscherfotos schoss, bevor wir uns auf dem Rückweg machten zum Refugio, wo es auch für uns noch einen heissen, süssen Zuckerrohrsaft gab. Den Tag beendeten wir, wie es sich in vulkanischen Gefielden gehört, in einem Thermalbad, wo das Wasser schwefelig und heiss aus dem Felsen quoll - wunderbar!
Heute widmete ich einen Tag dem Frieden und marschierte mit unserer gesamten "Mountain-House"-Belegschaft (inkl. allen Gästen) gegen Gewalt, Terrorismus und Entführungen, und vor allem gegen FARC, die mächtigste und gefährlichste der kolumbianischen Guerilla-Organisationen. Es war sehr eindrücklich. Vielleicht habt ihr auch schon davon gehört, denn gemäss Fernsehen war die Demo weltweit (gestern/heute), und auch in Europa, Australien, Asien und den USA (sowie sämtlichen südamerikanischen Ländern) wurde scheinbar demonstriert. Manizales ist zwar nur eine Kleinstadt, aber mir schien als wäre das gesamte Volk auf der Strasse: von der Oma bis zum Kleinkind, vom Kampfhund bis zum Pudel versammelten sich alle und marschierten mit weissen T-Shirts, kolumbianischen Flaggen und Spruchbändern durch die Strassen bis zur Plaza. Ich sah mindestens einen Pudel und einen Kampfhund im weissen T-Shirt mit kolumbianischem Fähnchen am Halsband, ehrlich! Die Schulen marschierten alle versammelt, und niemand schien zu arbeiten, alle, von der Krankenschwester bis zur Müllabfuhr, waren da. Auf der Plaza gab es dann Konzerte, Ansprachen und eine Verlesung der Namen der Leute aus der Region, die entführt wurden und bisher nicht freikamen. Die traurige Liste war sehr lange, und die meisten Leute sitzen seit Jahren fest - der längste über 10 Jahre. Ich hoffe, dass diese weltweite Sympathiebekundigung mit den kolumbianischen Volk etwas nützt und sich dieses wunderschöne Land von der Guerilla befreien kann, aber das ist wohl noch ein langer Weg.

Hier noch ein paar Eindrücke vom Nevado El Ruiz und von der Anti-FARC-Demo:

Fotoalbum Manizales


Peace!
Lg
Kathrin

Kommentare

  1. Liebe Kathrin
    als ich heute morgen im Radio gehört habe, dass etwa 4 Millionen Kolumbianer gegen FARC demonstriert haben, habe ich mir gleich gedacht, dass da mindestens 1 Schweizerin dabei ist!
    Liebe Grüsse, lass Dich nicht verhaften, und geh den Vulkanausbrüchen aus dem Weg!
    Luzia

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  2. Liebe Luzia,

    gebe mir Muehe, nicht verhaftet zu werden;-) Aber etwas unwohl wurde mir dann doch, als mich kuerzlich 2 schwerbewaffnete, kaum volljaehrige Militaers anhielten und meinen Pass sehen wollten, den sie eine halbe Ewigkeit studierten. Ich stellte mich - innerlich seufzend - schon darauf ein, mich mit ein paar Dollars freikaufen zu muessen, als sich herausstellte, dass sie meinen Pass einfach unglaublich cool fanden, weil sie noch nie so einen knallroten, modernen gesehen hatten. Sie fragten mich ganz begeistert ueber all meine Laenderstempel aus und wie es mir in Kolumbien gefalle... Schliesslich hielten wir ein nettes Schwaetzchen ueber Kolumbiens Sehenswuerdigkeiten und sie komplimentierten mein Spanisch, bevor ich mit "Feliz viaje y mucha suerte" entlassen wurde. Nett, oder? Was mal wieder beweist, dass nicht alles immer so schlimm ist, wie man es erst annimmt.
    Liebe Gruesse, Kathrin

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