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Tod den Moskitos!




Hola muchachas (y muchachos),

bin zurück aus dem Dschungel, ziemlich erschlagen und arg zerstochen. Anscheinend gibt es zu wenig Frösche im Dschungel (obwohl man das nachts nicht meinen würde, die Viecher machen einen enormen Krach), denn diese fressen die Moskitos, und von denen hat es eindeutig zu viele für meinen Geschmack. Mein süsses Blut hat sie angezogen wie der Pol die Kompassnadel, und trotz Moskitonetzen, langen Ärmeln und Hosenbeinen (bei dieser Hitze ein echtes Opfer) und einer ganzen Dose Antibrumm forte (sonst reicht mir eine solche Dose für 2 Jahre...) sehen v.a. meine Beine und mein Hinterteil aus, als hätte ich die Masern. Und so fühle ich mich auch, denn es juckt unerträglich, nix hilft ausser tief durchatmen und Willenskraft ("Nicht kratzen, nicht kratzen, nicht kratzen...").
Die Dschungeltour war ein grenzwertiges Abenteuer, nicht weil es besonders hart war (ausser den Moskitos), sondern weil uns die widersprüchlichen Aussagen und leeren Versprechungen, bewussten Fehlinformationen und ausweichenden Antworten unseres Guides zu schaffen machten. Zwar bin ich es mir mittlerweile gewöhnt, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was man mir hier in Peru verspricht, aber irgendwie hat sich hier alles etwas kumuliert, angefangen bei den Gummistiefeln, die man in der Selva dringend braucht ("Wir haben alle Grössen" - ausser meine, natürlich), den Handtüchern ("haben wir auch" - natürlich nicht), bequemen Betten ("superdicke Matratzen, beste Qualität!" - daumendicker Schaumstoff, d.h. so gut wie auf dem Bretterboden liegen) etc. etc. Nun hoffe ich sehr, dass wenigstens das eine Versprechen ("in unserem Camp gibt es keine Malaria!") stimmt...

Am Samstag sind wir also in aller Herrgottsfrühe aufgebrochen in unser Camp. Ich hatte mich am Abend vorher von den Spaniern und Rachel gebührend verabschiedet (d.h. mit Kartenspielen und einer Flasche Rum) und hätte fast verschlafen. Auf unserer 5-stuendigen Fahrt ins Camp konnten wir aber bereits viele bunte, exotische Vögel sehen, die sich mit meiner langsamen Kamera leider kaum fotografieren liessen, sowie riesige Seerosen mit 2m-Durchmesser, die eine Last bis zu 20 kg tragen können. Die weibliche Hälfte unter euch kennt sicher die berühmten herzig-kitschigen Anne-Geddes-Baby-Fotos von den Neugeborenen auf der Seerose, das ist also kein Trick.
Im Camp angekommen, nach einer Siesta, gingen wir auf unseren ersten Dschungelspaziergang mit unserem Guide Miguel. Umschwirrt von Moskitos, sahen Ameisenautobahnen, riesige Termitenhügel, Stabheuschrecken, exotische Blüten und natürlich die berühmten Urwaldriesen, mächtige Bäume mit Wurzelwerk so gross wie ein kleines Haus. Wir konnten uns auch wie Tarzan von Liane zu Liane schwingen, eine sehr anstrengende Sportart, kann ich euch sagen. Aus mir wird bestimmt keine Jane.
Am 2. Tag gingen wir "Piranha-Fischen" gemäss Programm. Wir fingen auch Fische, allerdings "nur" Katzenfische. Da dies mein erster Fischfang war (ich erwischte ganze 3 an einem Morgen), war ich natürlich stolz, doch trotzdem hätte ich gerne mal so einen Piranha gesehen, schliesslich hatte uns Miguel gebratene Piranhas zum Mittagessen versprochen. Als ich nachfragte, hiess es, nun sei keine Piranha-Saison, diese hätten genug anderes zu fressen. Weitere (bewusste?) Fehlinformation... Am Nachmittag gingen wir in ein Rehabilitationszentrum für gefangene Tiere, die wieder in die Freiheit entlassen und in die Wildnis integriert werden sollten (Miguel: "Ihr braucht nichts mitzunehmen, nur Wasser zum Trinken"). Als wir dann zum Eingang des Reservats kamen, meinte er: "hier könnt ihr nun Bananen für die Affen kaufen, wenn ihr wollt..." Super, mein Geldbeutel liegt im Camp, weil ich nicht annahm, dass ich den brauchen würde. Ärger Naja, jemand hatte ein bisschen Münz im Hosensack, wir kauften Bananen und paddelten los entlang des Ufers der Lagune. Schon nach wenigen Minuten wurden wir von Affen begleitet, die, sobald wir nahe genug ans Ufer paddelten, ins Boot stiegen und uns die Banane förmlich aus den Händen rissen und genüsslich verschlangen. Das war zwar für uns ein Riesengaudi, wie die Affen auf unsere Schultern und Knie hüpften, um nach den Bananen im Boot zu forschen, aber irgendwie fragte ich mich dann, was das mit Reintegration in die Wildnis zu tun haben sollte... Ein weiteres Mantra in Peru: stell nicht zu viele Fragen über ökologische Ethik. Hauptsache, die Touristen werden unterhalten. Nun, das waren wir, es war herzig, wie die wolligen Äffchen die Bananen aus unseren Fingern mampften. Auf dem Rückweg machten wir einen Halt im Dorf, "hier könnt ihr kaltes Bier kaufen, wenn ihr wollt!" (Super, Miguel - und das Geld? Zum Glück hatte Greg, unsere Bank, genug dabei für ein kühles Helles für alle), bevor es zurück ging ins Camp, während eines wunderschönen Sonnenuntergangs. Nachts fuhren wir erneut mit dem Boot raus, in eine der vielen Lagunen hier in der Gegend. Zwar sahen wir nicht sehr viel, aber ich genoss die nächtlichen Dschungelgeräusche enorm, besonders die Froschkonzerte. Auch gibt es hier einen Vogel, der - anstatt zu singen - Geräusche aus der Natur nachahmt, z.B. das Aufklatschen eines Wassertropfens im Fluss - schräg! Er kann offensichtlich auch das Geräusch einer Kettensäge nachahmen, ein leider nach wie vor häufiges Geräusch im Amazonasbecken. Auf dem Rückweg sah ich meine erste peruanische Schlange, die ich erst für eine Ente hielt, da sie von uns wegschwaderte wie ein Vogel. Also, ich habe v.a. gesehen, wie sich etwas durchs Wasser pflügte, aber war dennoch etwas beunruhigt, da wir bereits sehr nahe bei unserem Camp waren. Nachts um 3 Uhr weckte uns Miguel, er hatte doch noch einen Kaiman gefangen, und wir durften ihn alle halten und fotografieren - daher die Fotos im Pijama;-) Der arme Kaiman hat wahrscheinlich ein Trauma fürs Leben, erst 4 Jahre alt und schon im Internet.
Am nächsten Morgen erzählte dann Sebastian, ein deutscher Tourist, er hätte beim nächtlichen Toilettengang eine kleine, grüne Schlange mit dreieckigem Kopf neben dem Eingang zu unserem Schlafhaus gesehen und fragte Miguel, ob diese gefährlich sei. Betroffenes Schweigen. "Das war ein Fer-de-Lance." "Ist der giftig?" "Ein Freund von mir, ein anderer Guide, wurde mal von einem gebissen. Nach 5 min. blutete er aus Nase und Mund, dann aus den Augen und Ohren." "Und, hat er's überlebt?" "Ganz knapp. Wir waren draussen in der Wildnis, daher gaben wir ihm Schlamm vom Flussufer zu essen, zusammen mit viel Salz und Zucker. In die Wunde haben wir auch Salz gestreut, das half. Er hats überlebt." Von da an verklemmte ich mir nächtliche Toilettengänge bis ich fast in die Hosen machte, und dann zitternd und mit der Taschenlampe vor mir her fackelnd, die 20m zum WC abspulte. Mittlerweile habe ich mich etwas über diese Schlange informiert (ihr kennt mich ja), und kann die Geschichte mit dem Schlamm nicht mehr so ganz glauben, aber möglich ist vieles. Der Amazonas bietet unglaublich viele Heilmittel für auch schwerwiegendere Krankheiten wie Diabetes oder Krebs.
Am 3. Tag fuhren wir dann raus zum Campen im Urwald. Wieder hiess es paddeln, doch auf dem Weg dorthin sahen wir am meisten Tiere von allen Trips, also war es die Anstrengung wert. Immer wieder tauchten neben unseren Kanus rosa und graue Flussdelfine auf (die wegen des trüben Wassers fast blind sind), plötzlich fischte Miguel eine Baumboa aus dem Busch und reichte sie herum (ungiftig, 50cm lang, knallgrün und ganz dünn, aber ich konnte mich trotzdem nicht überwinden, sie anzufassen), und wenig später sahen wir unser erstes Faultier, hoch oben im Baum. Wenig später noch eines, diesmal "nur" auf ca. 10m Höhe. Zu unserem Erstaunen und dann Entsetzen kletterte Miguel wie ein Äffchen den Baum hoch, fischte das arme Tier von seinem Fressplatz und warf es kurzerhand vom Baum, wo es im Wasser neben unseren Kanus landete und vom andern Guide, Jhonny, herausgefischt wurde. Wenigstens kratzte es Miguel ordentlich am Arm mit seinen 3 Krallen (und ja, es sah wirklich aus wie Sid the Sloth, v.a. so pitschnass, wie es aus dem Fluss gefischt wurde). Auf die Faultiere hatte ich mich besonders gefreut, weil mir ihre Gemütlichkeit so sympathisch ist;-), und irgendwie war ich natürlich begeistert, es von so nahe betrachten zu können, andererseits litt mein Tierfreundherz schrecklich, das arme Tier so verschüchtert zu sehen, und ebenso die Vorstellung, dass es nun auf den nächsten Zweig gehängt wurde und wahrscheinlich 2 Tage brauchte, um wieder an seinen Stammplatz zurückzukommen (ganz geschweige vom Schock). Wir sprachen Miguel mehrfach darauf an, dass wir das nicht so toll fänden, aber er meinte nur, das mache den Tieren nix aus. Hier im Dschungel geht's eben in allen Lebenslagen hart zu und her, Fressen oder Gefressen werden...
Unser Campingtrip endeten Greg, Jessica und ich (wir hatten uns schon auf dem Schiff nach Iquitos kennengelernt) dann frühzeitig, da es wie aus Kübeln goss und wir alle fanden, wir hätten genug Pfadilager erlebt, in denen Bäche durch unsere Schlafsäcke flossen, und müssten das mit über 30 nicht mehr haben. Wir schliefen dann gemütlich im Base Camp, und genossen heute morgen nochmals einen interessanten Spaziergang mit Jhonny, der uns viele Heilpflanzen zeigte, sowie ein paar giftige Ameisen und noch mehr Affen (diesmal ohne Bananen und mit gutem Gewissen).
Nun bin ich wieder zurück in Iquitos, mit vielen Fotos, die ich nicht hochladen kann (Internet ist viel zu langsam heute), vielen zwiespältigen Gefühlen (insbesondere auch ob der Tatsache, dass ich heute morgen feststellte, dass in meinem Portemonnaie Geld fehlte), vielen Moskitobissen und einem leichten Sonnenbrand. Fazit: Der Dschungel ist ein faszinierender Ort, enorm reich an Flora und Fauna, die Gerüche, Geräusche und Farben sind einmalig und unbeschreiblich. Andererseits ist da der Mensch, der sich überall breit macht, Bäume fällt, Häuser baut, Fischernetze spannt, Fallen stellt und versucht, Touristen eine tolle Show zu bieten. Und wiederum müssen die Leute hier von was leben, da ist es mir lieber, sie holen Faultiere vom Baum als dass sie Kokain verarbeiten oder mein Geld klauen. So viele Widersprüche
Nun, ich lasse euch eure eigene Meinung bilden, meine ist, dass ich jetzt genug philosophiert habe und ins Bett gehöre;-)
Melde mich sicher nochmals aus dem Dschungel, entweder von hier, oder ännet am Fluss, aus Kolumbien.

Machts gut,
xxx Kathrin

Fotoalbum Jungle Camp

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