Direkt zum Hauptbereich

Heimatliche Gerüche

 


 

Liebe Leute,

als ich vorher mein Reisetagebuch aufschlug, um meine heutigen Erlebnisse niederzukritzeln, stand auf der heutigen Seite das Zitat, welches ich rechts im Blog eingefügt habe. Normalerweise finde ich diese Zitate eher doof, aber dieses hier trifft den Punkt ziemlich genau, zu deutsch etwa:

Um sicher durch die Welt zu reisen, braucht man die Augen eines Falken, die Ohren eines Esels, das Gesicht eines Affen, die Worte eines Händlers, den Rücken eines Kamels, das Maul eines Schweins und die Beine eines Hirsches." (Alte Weisheit)

Angesichts der heutigen Busfahrt trifft auf jeden Fall das mit den Hirschbeinen und Kamelrücken zu, und bei den Sachen, die ich teilweise schon gegessen habe, ist ein nicht allzu heikler Palate auch ein Vorteil. Als ich gestern mein Busbillet nach Celendin kaufte, hiess es, der Bus würde um 5.00 Uhr abfahren (seufz) und um 8.00 Uhr morgens bereits eintreffen (juppie). Ich beschloss also, angesichts der frühen Stunde, aufs Frühstück zu verzichten, schliesslich würde ich ja zu normaler Frühstückszeit bereits hier sein. Ein bisschen stutzig wurde ich dann, als ich im Reiseführer las, die Reisezeit betrüge 4-5h... Aber ich beruhigte mich damit, dass inzwischen die Strasse geteert wurde und daher sicher alles viel schneller gehen würde. Wir fuhren dann auch nur mit einer halben Stunde Verspätung los, da der Busfahrer erst noch 5mal die Strasse auf und abfuhr, in der Hoffnung, noch etwas mehr Passagiere aufzuladen, und die erste Stunde gings auch ganz glatt, fast alles geteert. Doch dann kam die Schotterpiste, und nach kurzer Zeit, an einem steilen Hang, eine riesige, stehende Auto- und Buskolonne. Der Busfahrer stieg mal aus, lief nach vorne, um zu schauen, was los war: ups, die Strasse ist weg! Die heftigen Regenfälle letzte Nacht hatte die Strasse glatt weggespült. Aber kein Problem, einer der Passagiere, ein Bauer aus der Region, behauptete, er kenne eine andere "Strasse" nach Celendin, da würden die Milchkannentransporter immer durchfahren. Wir wendeten also (wieder so ein Suizidmanöver), fuhren eine halbe Stunde zurück bis zu der anderen Strasse, die eigentlich einfach eine Schlammpiste war. Ich verabschiedete mich innerlich von meinem Frühstücksei um 8.00h und begann, meine Notration von Guetzli auszupacken. Im Schritttempo holperten und schlingerten wir über die Hügel, mit jensten Wende- und Rückwärtsmanövern, denn natürlich kamen uns nun alle Milchkannentransporter entgegen. Irgendwann wurde unserem Klapperbus die Steigung dann zu bunt und er spulte nur noch im Schlamm. "Bitte alle aussteigen, ihr müsst den Berg selber hochlaufen, sonst schaffen wir's nicht!" Juhu... wir kämpften uns also zu Fuss über den Pass, mir war halb schlecht vor Hunger, Müdigkeit, Schlamm und Höhe (wir waren mal wieder über der magischen 3500m-Grenze), und es fing auch noch an zu regnen. Meine Goretexjacke war natürlich fein säuberlich im grossen Rucksack eingepackt, der zum Glücke mit dem Bus mitfahren durfte... Endlich oben, sammelte uns der Bus wieder ein und hielt am nächsten Restaurant an, wo es dann Frühstück gab (hier: Suppe mit einem grossen Knochen drin, etwas was ich frühmorgens auf leeren Magen unmöglich vertragen, aber der wässrige Nescafe war sensationell;-). Mittlerweile war es bereits nach 10.0h, doch bevor wir nach Celendin kamen, sammelte der Bus noch jenste Bergbauern ein, die mit Kind und Kegel nach Celendin zum Markt wollten. Der Bus hatte am Morgen schon übel gerochen nach verbrannten Strohpuppen (wohl ein Überbleibsel vom Silvester), nun gesellte sich der frische Geruch von Kuhmist hinzu - es war mal wieder eine echte peruanische Erfahrung.
Endlich in Celendin angekommen (um 11.30 Uhr), den Rucksack in einem wunderschönen Hospedaje deponiert (siehe Föteli) und ein fettes Mittagessen im Magen, präsentierte sich Celendin als kleines Paradies. Es ist eher ein grosses Dorf als eine Stadt, und da die Strassen hierher so schlecht sind, gibt es kaum Autos, dafür viele Velofahrer, was die Lebensqualität enorm verbessert. Auch geht es dementsprechend ruhiger und gelassener zu und her, die Leute sitzen friedlich auf der Plaza, plaudern, stricken und jassen, und die Sonne schien auch wieder. Von Anfang an war mir der Ort extrem sympathisch (natürlich auch, weil ich einfach so froh war, endlich da zu sein), aber erst nach einer Weile realisierte ich, wieso: es riecht hier sehr vertraut nach Kühen und Milchprodukten, so etwa wie bei einem Sonntagsspaziergang im Appenzellerland. Der Kuhmist klebt immer noch an meinen Wanderschuhen von der unfreiwilligen Wanderung heute Morgen, aber irgendwie stört es mich jetzt überhaupt nicht mehr. Ausserdem gibt es, Kuh sei Dank, hier Kaffee mit frischer Milch statt Dosen- oder Pulvermilch, und leckeren Käse (bisher erschien mir der peruanische Käse eher als gummig). Für meine Reise morgen gibts also Chäsbrötli, fast wie zuhause. Ja, leider muss ich morgen schon wieder weg, weil hier nur 1x pro Woche ein Bus fährt nach Chachapoyas, und eine ganze Woche will ich nun - aller Heimatgefühle zum Trotz - nicht hier verbringen, da würde mir wohl der Himmel auf den Kopf fallen.
Ich habe schon mal provisorisch gefragt, wie lange es denn morgen dauern soll im Bus: 12 Stunden... Ich hoffe, die Reisezeit verdoppelt sich nicht wieder, wie heute!


Schöne Obig, liebi Grüess,
Kathrin

Kommentare