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Piratenstadt mit Charme

 


 

Hallo zäme,

gestern Abend bin ich nach einer weiteren, ermüdenden und ohrenbetäubenden Busfahrt (der Fahrer liess die Boxen mal wieder zittern mit kolumbianischen Rhythmen, und das 5 Stunden lang, Oropax waren zwecklos) endlich in Cartagena angekommen. Der Abschied vom Nationalpark Tayrona ist mir nicht leicht gefallen: Obwohl ich kein Strand-Junkie bin, haben mich Tayronas Strände verzaubert und ich bin zu einer richtigen Wassernixe geworden.
Das Schöne an Tayrona ist, dass die Strände wirklich wie in einem dieser kitschigen Ferienprospekte aussehen, weisser Sand, Kokospalmen, die ins Meer ragen, blauer Himmel, ein paar wunderschön geformte Felsen, die eine Bucht bilden, keine hässlichen Hotelblocks und kilometerlange Liegestuhlwiesen, und fast keine Menschen. Letzteres hat wohl 2 Gründe: Man zahlt einen recht happigen Eintrittspreis in den Nationalpark (Ausländer ca. 12 Fr., Kolumbianer ca. 4 Fr.), und noch wichtiger: man muss laufen;-). Es fährt zwar ein holpriger Jeep vom Eingang des Parks bis zum Parkplatz, doch von da an geht es fast 1h zu Fuss durch den Dschungel bis zum ersten Campingplatz (wo man noch nicht baden kann, wegen gefährlicher Strömungen, und nochmals 30 min. laufen muss). Das hält wohl viele Kolumbianer und auch einige Ausländer davon ab, mal kurz nach Tayrona zu fahren. In meiner Jeep-Ladung sassen 2 geschniegelte Kolumbianerinnen (Mutter und Tochter), aufgetakelt mit Gucchi-Sonnenbrille, der neusten Bademode und hippen Strandschuhen, mit denen man nicht mehr als 100 m läuft, ohne sich die Fussknöchel zu brechen, die mir und dem Jeepfahrer keinen Glauben schenken wollten, dass sie zum Strand fast 1.5 h laufen müssten. "Ach was, wir sind in Kolumbien, es gibt sicher ein Taxi!". Am Ende der Strasse angekommen, ging die Mutter dann frischfröhlich auf die Suche nach ihrem "Taxi" - sie fand einen Mauleseltreiber, der ihr anbot, sie könne ihre Badetasche aufladen bis zum 1. Strand für 10.000 Pesos, aber laufen müsse sie schon selber, das Maultier trage schliesslich nur wichtige Sachen wie Gasflaschen, Bier und Wasser, zum Camping. Ihr Gesichtsausdruck war unbezahlbar... Sie hats aber dann doch irgendwie geschafft, fluchend und humpelnd. Der Weg war nämlich ziemlich holprig, von den Maultieren entsprechend zugerichtet und versch...en, und führte über Stock und Stein durch den Dschungel. Ich schleppte ziemlich viel Food und Wasser mit, da dies im Park sehr teuer war, und fühlte mich auch eher wie ein Maultier. Bald tropfte mir der Schweiss von der Nase. Unterwegs traf ich einen Kolumbianer, der ganz aufgeregt wurde, als er erfuhr, dass ich aus der Schweiz käme. "Kennst du Vonlanthen?" fragte er mich. "Wen?" "Na, Vonlanthen dänk, den Fussballer!" Ach so, der. "Der lebt hier, gleich beim ersten Camping, in der Bäckerei, du kannst ein Autogramm von ihm holen, stell dir vor!" Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen ob dem verflixten Rucksack und meinen Schweiss-Ergüssen, aber ich dachte, ich müsste das euch Fussballverrückten evt. mitteilen, sicher seid ihr neidisch. Ich kann euch beruhigen, ich habe ihn nicht gesehen, hab mich aber ehrlich gesagt auch nicht wahnsinnig bemüht;-)
In Arrecifes, dem ersten kleinen Örtchen angekommen, stellte ich mein (also Jack's) Zelt unter die erstbeste Kokospalme und warf mich ins Badekostüm. Nun hiess es nochmals 30min. laufen bis zum Badestrand "La Piscina", der von einem Korallenriff geschützt und deshalb "schwimmbar" ist. Allein schon der Weg dahin hat mich umgehauen: über weissen Sand, entlang von kilometerlangen Kokospalmenhainen, durch die verstreut ein paar kleine Campingplätze liegen, über ein paar riesige, vom Meer rundgeschliffene und in allen Farben leuchtende Felsen erreichte ich den Badestrand und kam mir vor wie in "The Beach": wunderschön! Ein paar kolumbianische Familien breiteten sich mit Picknick, Kind und Kegel aus (aber ohne Soundanlagen, und den Abfall packten sie alle schön wieder ein), ein paar bleiche Gringos starrten andächtig wie ich aufs Meer und die Bucht, und das wars. Auch Schattenplätze bot der Strand genügend, was mich natürlich entzückte. Keine Bars, keine Musikboxen, nur ein kleines, palmendachbedecktes Hüttchen, wo die Familie von Mama Nilse frisch frittierten Fisch und kreolische Suppe verkauft sowie Flossen und Schnorchel vermietet.
Am ersten Tag erholte ich mich einfach mal am Strand, und verbrachte eine himmlische Nacht im Zelt, wo ich vom Rauschen des Meeres eingelullt wurde (und ab und zu von dem lauten "PLOFF" einer fallenden Kokosnuss aufschreckte). Am 2. Tag wanderte ich auf weiteren Dschungepfaden, die einem wie Indiana Jones vorkommen liessen, über Flüsse, durch Tunnels unter den riesigen Felsbrocken hindurch, über endlose Steinstufen hinauf ins präkolombianische Dorf "Pueblito", eine ehemalige Siedlung der Tayrona-Indianer, welches hoch über dem Meer liegt und wovon leider nur noch die Grundmauern stehen. Trotzdem war es sehenswert. Auf dem Weg dorthin sah ich wieder mal viele bunte Schmetterlinge, Vögel und exotische Libellen, winzige Kolibris (so gross wie mein kleiner Finger), viele bunte Echsen und ein komisches Tier, das aussah wie ein Riesenmeerschweinchen oder ein Mini-Wildschwein (evt. ein Capybara? Aber ich glaube, die leben nur im Amazonasgebiet... na egal).
Bei der Hitze und Feuchtigkeit war die Steigung (zwar nur 260m) die reinste Tortur, und so sprang ich nach der Rückkehr erfreut ins Meer, welches auch hier herrlich kuehl war. Zum Höhepunkt des Tages mietete ich mir eine Schnorchelausrüstung von Mama Nilse, mitsamt Schnorchelinstruktor, ihrem 14jaehrigen Sohn Luis, der gerade die Schule schwänzte und mich freudig zum Riff hinausfuhr, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben die Unterwasserwelt erkundete. Für die Taucherinnen und Schnorchler unter euch ist das wohl nix besonderes, aber für mich war es ein riesiges Abenteuer. Ich fühlte mich wie Nemo, und war total überrascht ob der Vielfalt der Fische, es war wirklich wie im Film. Ganze Schwärme der unterschiedlichsten tropischen Fische tummelte sich da in den Korallen, die an und für sich auch schon nicht zu verachten sind. Mit jedem Flossenschlag entdeckte ich weitere Wunder der Natur. Ab und zu packte mich Luis am Arm, mangels anderweitiger Kommunikation unter Wasser, und zog mich weiter, um mir einen besonders grossen oder schönen Fisch zu zeigen. Als er dies zum ersten Mal machte, erschrak ich zu Tode, weil ich dachte, er hätte einen weissen Hai gesehen, oder sowas... Jedenfalls kam mir alles wie im Traum vor, so verzaubernd. Als wir nach einer halben Stunde wieder auftauchten, mittlerweile schlotternd, da das Wasser auf diese Dauer wirklich recht kalt ist, strahlte ich wie ein Honigkuchenpferd. Und als Pünktchen auf dem i wartete Mama Nilse (eine dicke, dunkelhäutige Matrone, typisch fuer die Karibik) mit einer heissen, süssen, starken Tasse Kaffee auf mich. Ich war im Himmel! Abends ass ich jeweils leckeren Seafood im Restaurant des Campings (natürlich teuer, aber lecker), morgens sass ich am Strand vor meinem Zelt, wo die Wellen heftig auf den Strand krachten, und schlang meine Orangen und Cracker zum Frühstück runter. Definitiv, Tayrona ist eines der Highlights dieser Reise!
Leider musste ich Tayrona gestern schon verlassen, da ich auch noch Cartagena, die wohl berühmteste Stadt Kolumbiens, sehen wollte, und bisher gefällt mir diese Stadt am besten von allen, die ich seit Beginn meiner Reise gesehen habe. Natürlich hat auch die tragische Geschichte damit zu tun: Cartagena wurde anfangs 16. Jh. von den Spaniern gegründet, und bereits im selben Jahrhundert 6mal von Piraten angegriffen, u.a. auch vom berüchtigten Francis Drake, bis man schliesslich im 17. Jh. die mächtige Stadtmauer und mehrere Festungsanlagen rund um die Stadt baute. Die Stadtmauer steht grösstenteils heute noch, ist über 15m dick und umschliesst das historische Zentrum, was der Stadt einen besonderen Charme gibt. Grund für all diese Piratenattacken war die Tatsache, dass von Cartagenas Hafen aus sämtliche(s) Gold, Silber, Edelsteine und weitere Reichtümer, welche die Spanier in ihren neuen Kolonien von Kolumbien bis Peru ergatterten, nach Spanien an den Königshof verschifft wurde, was natürlich allerhand Gesindel anzog. Ihr berühmtester Held ist Don Blas de Lezo, der die Stadt im 18. Jh. gegen die englische Armada verteidigte (ein wichtiger Sieg fuer die spanische Vorherrschaft in Südamerika), und all das, obwohl er bereits in früheren Schlachten sein linkes Bein und seinen rechten Arm verloren hatte, und mit weniger als 4000 Mann gegen die Armada mit ihren 186 Schiffen und über 20.000 Mann ankämpfte. Dummerweise verlor er während der Schlacht noch seinen andern Arm und starb später an seiner Verletzung...
Aber genug der Geschichte. Heute ist das alte Zentrum Cartagenas hübsch restauriert, und voller Kolonialbauten mit ihren einladenden Balkonen. Mein Hotelzimmer hat auch so einen (wofür ich auch anständig bezahle, aber ein Balkon über den Gassen Cartagenas ist Gold wert, sehr interessant, was sich da so tut!). Alle Häuser sind bunt gestrichen, von den Balkonen hängen Blumen, und in den Gassen verkaufen die fliegenden Händler Fruchtsäfte, Kokosnüsse, leckeres Pan con Queso, und sonstige Feinschmeckereien. Ich könnte stundenlang durch die Gassen laufen. Es hat relativ wenig Verkehr, da ein Durchkommen fast unmöglich ist, nur die Pferdekutschen transportieren fleissig Touristen durch die Strassen. Heute bin ich ausschliesslich durch die Stadt gebummelt, morgen werde ich mir noch eine der Festungen ansehen, bevor ich zurück nach Bogota fliege. Von dort melde ich mich dann auch mit traumhaften Fotos aus der Karibik!
Liebe Grüsse,
machts gut, Kathrin

Fotoalbum Tayrona  

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