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Zurück aus der Selva




hallo miteinander,

heute Mittag sind wir pflotschnass, aber zufrieden nach 5 Tagen Abenteuern zurückgekehrt aus dem Dschungel. Jetzt weiss ich auch aus persönlicher Erfahrung, wieso es Regenwald heisst- und dass wir da zur Regenzeit hingingen, half dem auch nicht ab. Bis aufs letzte Taschentuch hatte ich kein einziges trockenes Stück Kleidung mehr, aber zum Glück liess ich meine warme Jacke und Trainerhose hier in Huancayo, so dass ich jetzt, zwar im Schlabberlook, aber immerhin trocken und warm, mich wieder an die Höhe und die kalten Abende der Sierra (Hochland) gewöhnen kann. Nicht mal meine Goretex-Jacke hat dem Wasser-Ansturm standgehalten...
Am Samstag sind wir in aller Frühe losgefahren, zuerst mit dem Taxi nach La Merced (der Bus hatte gerade Panne), dann, nach einem leckeren frischgepressten O-Saft und ein paar Einkäufen für die 5 Tage (Bananen, Yucca, Maca, Kartoffeln, Tomaten...) ging es mit einem Colectivo weiter, das jedoch nach kurzer Zeit ebenfalls eine Panne hatte. Kein Stress für Don Pedro, unseren 78-jährigen Gastgeber, er winkte sich auf der Strasse ein weiteres Taxi heran, und weiter gings, über immer abenteuerlichere Strassen, die von der einsetzenden Regenzeit bereits stark geflutet waren, bis wir schliesslich in Puente Paucartambo auf einen Pick-up mit Allrad umsteigen mussten, weil es ab hier definitiv nicht mehr Taxi-tauglich war. Alex und ich hatten ein Riesengaudi auf der Ladefläche des Pick-ups. Wir fuhren durch Bananenplantagen, Mandarinenplantagen, dann wieder tiefster Dschungel, wo wir unsere Köpfe einziehen mussten, um nicht von einer Liane erschlagen zu werden, und immer höher hinauf gings, bis wir beim Haus von Don Pedro ankamen. Am Nachmittag unternahmen wir einen ersten Spaziergang der Strasse entlang, bis zu einem Wasserfall, der gleichzeitig die Dusche war- ansonsten hiess es im Haus, aus dem Regenfass schöpfen, wer sich waschen will. Es gibt keinen Strom, gekocht wird auf einer Feuerstelle und nachts bieten ein paar Gaslampen Komfort, geschlafen wird auf einem Bretterboden unter dem Moskitonetz. Trotz einfachem Leben habe ich diese Erfahrung sehr genossen (mal abgesehen von den nächtlichen Toilettengängen zum WC-Hüsli, welches ca. 50 m vom Haus entfernt war, und zu dem man einen matschigen Weg runterrutschen musste). Am Sonntag regnete es dermassen in Strömen, dass wir nur auf dem Weg wandern konnten, der ins Dorf führte, aber es war interessant, Paul, unser Guide, kennt viele Pflanzen und deren Nutzen, er konnte uns auch immer wieder wilde Mandarinli und süsse Zitronen von den Bäumen holen. Am Montag war das Wetter endlich etwas besser, und wir machten die erste Flusswanderung: ein äusserst nasses, aber spannendes Vergnügen. Wir stiegen den steilen Bach hoch, an dem wir Tags zuvor geduscht hatten. Wo es nicht mehr weiterging mit Kraxeln über moosbewachsene, rutschige Felsen, ging Paul voraus und kletterte wie ein Äffchen den Wasserfall empor, von wo aus er uns dann ein Seil herunterliess, an dem wir uns hochangelten. Mein Mut wurde arg auf die Probe gestellt bei diesem "sich durch den Busch schlagen" (habe gelernt, dass ohne Machete im Dschungel nix geht), war ich doch konstant darauf gefasst, auf etwas sich Schlängelndes zu treten, aber wir hatten wohl Glück- ausser wunderschönen Schmetterlingen und bunten Vögeln sahen wir nichts. Gegen Abend entdeckte Alex, etwas mutiger als ich, dann unter einem Stein eine Tarantula und zwei pflaumengrosse Spinnen, die aber rasch verschwanden. Zwar machen mir Spinnen nicht so viel aus, trotzdem war ich genügend beeindruckt von ihrer Grösse, und beschloss, fortan unter keinen Stein mehr zu blicken...
Gestern machten wir dann die Flusswanderung "für Fortgeschrittene", auf sehr viel höheren Wasserfällen, die zum Teil absolut vertikal und hochglitschig waren. Mehrmals hing ich noch mit einem Arm im Seil und versuchte mit den drei anderen Gliedmassen verzweifelt, irgendwo einen nicht existierenden Absatz zu finden, und mir gleichzeitig nicht in die Hose zu machen. Aber irgendwie haben Alex und ich es dann doch geschafft, obwohl wir beide einen rechten Adrenalinschub beim letzten Wasserfall hatten und beide einstimmig beschlossen, dass wir noch etwas länger leben wollten, und daher zurückkehren würden zum Haus von Don Pedro. Paul und sein Freund Luis machten das alles ohne Seil und dachten wohl, wir wären Weicheier, sie grinsten nur belustigt. An alle Kletterer unter euch: ihr wisst gar nicht, wie gut ihrs habt, auf Felsen klettern zu können, wo man einen Karabiner einhängen kann und sich notfalls in einen Sitzgurt fallen zu lassen... Ich habe das Seil so sehr umklammert, dass ich heute morgen kaum mehr eine Faust machen konnte.
Trotzdem, es war ein echtes Abenteuer und eine tolle, unkonventionelle Erfahrung. Wir haben viel über das Landleben gelernt und über diese wunderschöne Gegend, die in den 90er Jahren noch so sehr terrorisiert wurde von Sendero Luminoso. Don Pedro kam mit dem Schrecken davon, ihm haben sie nur das Haus angezündet, aber ganze Familien wurden in dieser Gegend von den Terroristen einfach umgebracht, offensichtlich sinnlos. Kein Wunder, verehren hier alle Fujimori, der Abimael Guzman, den legendären Anführer, und seine treuesten Genossen, hinter Gitter brachte und dabei erst noch die Strassen in den Dschungel teerte. Als ich Don Pedro diplomatisch darauf anzusprechen versuchte, was er denn davon halte, dass Fujimori Geld unterschlagen und in seinem harten Vorgehen gegen die Terroristen "versehentlich" ein paar Mal auch ganze, unschuldige Dörfer habe auslöschen lassen, lachte er nur, und meinte, das sei bloss bösartige Propaganda der Kommunisten, und Fujimori würde bald freikommen, wenn seine Unschuld erwiesen sei, und seine Tochter Keiko werde die erste weibliche Präsidentin Perus (Im Moment wird Fujimori gerade der Prozess gemacht, aber ich bin nicht ganz auf dem Laufenden, was wirklich passiert). Auf jeden Fall werde ich in Zukunft politische Diskussionen unterlassen 😉.
So, nun darf ich noch die Avocados aus Don Pedros Garten probieren vor dem Nachtessen. Morgen geht's weiter mit der Anden-Eisenbahn nach Huancavelica!

Hier noch ein paar Fotos aus dem Dschungel (sind leider wegen schlechter Lichtverhältnisse etwas verwackelt...).

ganz liebe Gruesse, Kathrin
Fotoalbum Selva

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