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Von Gletschern und Palmen


hallo miteinander,

eine Weile ist's her, aber ich war gerade etwas abseits der Zivilisation. Letzten Dienstag bin ich mit einer Trekking-Gruppe der Agentur "United Mice" (mir gefiel der Name;-) zu einer mehrtägigen Wanderung aufgebrochen. Unsere Gruppe bestand aus 2 Australier/-innen, einem südafrikanischen Pärchen, einer Alaska-Amerikanerin und mir, alle zwischen 18-35, ein internationaler Mix also. In 5 Tagen wanderten wir von Mollepata über einen 4600 m hohen Pass in ein Tal, welches schlussendlich in die Nähe von Macchu Picchu führt. Der Weg führte uns am 6271m hohen Salkantay vorbei, der sich leider lange in Wolken hüllte. Salkantay ist einer der vielen Apus (Berggötter), den die Inkas und bis heute noch die Bevölkerung des Hochlandes rund um Cusco verehren. Für mich bedeutete dies ein Höhenrekord und eine echte Herausforderung, ob der ich nicht sicher war, dass ich ihr gewachsen sein würde, insbesondere, dass uns die Passüberquerung gleich am ersten Tag bevorstand. Wir wurden morgens um 4.00 Uhr von unserem Guide Alain abgeholt und fuhren dann nach Mollepata, wo wir frühstückten, bevor es über eine abenteuerliche "Strasse" weiterging bis auf 3800 m, wo es für den Bus nicht mehr weiter ging. Ich war schon beeindruckt, dass er es überhaupt soweit geschafft hatte über die schlammige Piste, durch die auch immer mal wieder ein Bach floss. Von hier aus wanderten wir am ersten Tag ins Tal zwischen den beiden Bergriesen Humantay, 5810 m und Salkantay, 6271 m, bis es dann nach der Znünipause in endlosem anstrengendem Zickzack auf die Passhöhe hoch ging. Bevor wir jedoch den Anstieg in Angriff nahmen, steckten wir uns alle eine Handvoll Kokablätter in den Mund und kauten darauf herum. Es schmeckt ziemlich bitter und unappetitlich, aber es half mir wohl schon, denn ausser dass ich ziemlich ausser Atem geriet, ging es mir bis auf ein kurzes Stück vor der Mittagspause recht gut. Wir hatten Packpferde dabei, die unser Gepäck trugen, wir brauchten also nur einen kleinen Rucksack mit Wasser und Jacke zu tragen - gottlob. Mit dabei - ausser unserem Guide - war Lauriano, ein wahrer Chefkoch, und José mit seinem 7-jährigen Sohn Alexander, die die Packpferde betreuten und flink über die Berge jagten, unsere Zelte auf- und abbauten, etc. Es war also recht gediegen, nur selber laufen musste man noch. Mittags wurde jeweils dann ein Esszelt aufgebaut, Lauriano holte seinen Gasherd und seine Kochtöpfe vom Pferd und begann, ein leckeres Mahl zu kochen. Nach einem Teller voll warmer Spaghetti, viel heissem Tee und einem weiteren Kokablätter-Kaugummi in der Backe nahmen wir die letzten 400 Höhenmeter in Angriff. Es fing an, heftig zu regnen, dann zu hageln, und schlussendlich schneite es, was das Zeug her gab. Mein klopfendes Herz gab aber sein Bestes, und so standen wir innert knapp einer Stunde auf der Abra Salkantay, auf 4600 Metern über Meer. Während Steve aus Australien mehr vom Schnee begeistert war (er hatte noch nie welchen gesehen), legte ich voller Stolz einen riesigen Stein auf das bereits mächtige Steinmännchen und warf mich in Siegespose vor letzterem. Das Gipfelfoto war dann etwas beeinträchtigt durch Nebel und Schnee, und die Tatsache, dass man den wunderschönen, mächtigen Salkantay nicht sehen konnte (nur die Gletscherabbrüche hörten wir ins Tal donnern), aber das hat meiner Freude, diesen Pass beklommen zu haben, keinen Abbruch getan, auch nicht, als wir während 3 Stunden im Schnee und Regen durch knöchelhohen Schlamm abstiegen auf unser erstes Nachtlager. Gegen Abend kam die Sonne dann noch raus und beleuchtete die Berge, bis der Mond aufging - eine coole Nacht, kalt, doch dank Laurianos 3-Gang-Menü recht erträglich. Wir haben während der 5 Tage gegessen wie die Könige, obwohl wir mitten in der Pampa waren. Jeden Mittag und Abend gab es erst eine leckere Suppe, danach Reis mit Fleisch, Fisch, exotischem Gemüse und Pasta oder Kartoffeln, zum Frühstück hatten wir Pancakes und Porridge, Müsli, Fruchtsalat... Unglaublich, wie er das geschafft hat. Er kriegte sogar Lasagne auf dem Gaskocher hin, wir wundern uns bis heute, wie er das gemacht hat.
Der 2. Tag war landschaftlich mein Lieblingstag - wir stiegen gemächlich von 3800 auf 2800 m ab, dabei veränderte sich die Landschaft alle 10 Minuten. Erst kamen Büsche und Farne, dann Bambus und exotische, subtropische Pflanzen, tausende von Schmetterlingen (zT. handtellergrosse), später Palmen und wunderschöne Orchideen. Auch die Temperaturen stiegen, Pulli und Windjacke verschwanden bald tief unten im Rucksack. Immer tiefer stiegen wir ins Tal, unter uns ein reissender Fluss, über uns ein fast blauer Himmel. Nach dem Mittagessen konnten wir die heissen Quellen in Colcapampa geniessen - 43 Grad - ein wahrer Genuss, angesichts der Tatsache, dass wir keine Duschmöglichkeiten hatten in den 5 Tagen. Der 3. Tag führte uns dann definitiv in tropische Gefilde, feuchte Hitze schlug uns entgegen. Auch die Regenzeit machte sich bemerkbar, es goss mehr oder weniger den ganzen Tag wie aus Kübeln. Den Nachmittag genossen wir daher dann in dem kleinen Dorf La Playa, wo uns peruanische Popmusik aus den Fenstern entgegen dudelte (keine Highlights, kann ich euch versichern) und wir bei ein paar Bierchen das Dorfleben an uns vorbeiziehen liessen, mit seinen freundlichen Einwohnern, Hühnern, Hunden und Schweinchen, die überall herumgackern, bellen und grunzen. Der vorletzte Tag war nochmals ein anstrengender, wir wollten nämlich über den Berg ins Nachbartal, ins Urubamba-Tal wandern, um am letzten Tag dann nach Machu Picchu zu kommen. Zum Glück regnete es während des 3-stuendigen Aufstiegs, sonst wäre die Hitze wohl kaum erträglich gewesen. Wir wanderten durch herrlichen Tropenwald auf einem alten und bis vor 4 Jahren vergessenen Inkapfad hoch (das hiess natürlich: Stufen!) bis zu einem ehemaligen Kontrollposten der Inkas, Llactapata, welcher auf dem Berg gegenüber von Machu Picchu liegt, und von wo aus man einen wunderschönen Fern-Blick auf die mächtigste aller Inka-Stätten geniesst - ein Blick, den wenige Touristen je zu Gesicht bekommen. Pünktlich zu unserem Fotoshooting kam auch die Sonne wieder raus und wir klickten drauflos wie die Wilden. Um es gleich vorwegzunehmen: es sollte unser schönster Anblick von Machu Picchu sein, den am letzten Tag regnete es in Strömen. Da standen wir nun also, am 5. Tag, in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, um den ersten Touristenbus hoch nach Machu Picchu zu erwischen (5.30 Uhr), und da standen wir dann, mit unseren teuren 40 USD-Tickets in der Hand, tropfnass wie die begossenen Pudel, und konnten im Nebel kaum 10 Meter weit sehen. Wir trösteten uns damit, dass uns in Cusco wieder tausende von Postkarten angeboten würden, auf denen wir die Sicht geniessen konnten, die wir nun hätten, und folgten Alain auf unsere geführte Tour durch die Stadt der Inka-Könige. Nachdem Machu Picchu nun zu einem der "7 neuen Weltwunder" gewählt wurde, wird der Touristenstrom wohl kaum abnehmen, doch trotz gnadenloser Vermarktung und überteuerter Tickets ist diese Stätte sogar beim schlimmsten Wetter beeindruckend und den ganzen Hype wert. Wir pflotschten 2 Stunden von Tempel zu Königsgräbern zu heiligen Brunnen bis hin zum Klo des höchsten aller Inkas (er war der einzige, der eines besass... ). Alleine schon die Tatsache, wie sie diese Stadt, die über 500 Inka-Prinzen und Tempel-Jungfrauen beherbergte, auf diesem steilen Berg zuoberst hinklebten, ist unfassbar. Die Mauern sind in perfektem Zustand, nur die Strohdächer fehlen. Voller Hoffnung auf einen Wetterwechsel erklommen wir die letzten 300 m Höhe auf den Wayna Picchu (das ist der Zuckerhut-foermige Berg, der hinter jedem klassischen Machu-Picchu-Bild ersichtlich ist, und auf dem ein weiterer Tempel steht). Wenn ihr euch das obige Bild (Link) anschaut, könnt ihr euch vorstellen, wie steil der Pfad ist: 45 Minuten lang Treppen steigen, die sich so halsbrecherisch steil den Berg hochwinden, dass man schon nach 5 Minuten keine Luft mehr bekommt und sich fragt, wie man je wieder da runterkommt... Zum Glück haben sie ein paar Drahtseile installiert, doch dank dem nassen Wetter war es - v.a. zuoberst - recht abenteuerlich. Wir sassen dann eine halbe Stunde auf dem Gipfel und starrten in die Wolken, in der Hoffnung, dass sie aufreissen würden, aber schon nicht... Ab und zu entstand ein grünes Loch in der Nebeldecke, man erhaschte einen winzigen Ausschnitt von der Stadt zu unseren Füssen, alle zückten ihre bereits tropfenden Kameras und klickten drauflos... Gestern abend bin ich meine Fotos durchgegangen die meisten sind einfach weiss mit ein paar grün-grauen Flecklein dazwischen;-) Ob dem persistenten Tropenregen gaben dann irgendwann auch Goretex-Jacke und Goretex-Schuhe klein bei, so dass wir uns entschieden, die Inkas in Frieden ruhen zu lassen und uns unten im "richtigen" Dorf den weltlichen Gelüsten von einer heissen Suppe und Kaffee hinzugeben. Es war zwar schade, dass der geplante Höhepunkt des Trekkings so verregnet war, doch waren die eigentlichen Höhepunkte für mich nicht in Macchu Picchu selber gewesen, so bin ich doch sehr zufrieden. Fast wäre die gute Stimmung gestern abend noch bachab gegangen, als ich müde nach Cusco zurückkam in mein Hotel und mir mitgeteilt wurde, dass die ganze Strasse grade kein Wasser hat - also keine Dusche und kein heisser Tee... Nach einer halben Stunde wilder Telefoniererei der Rezeption mit Hotelboss, Mami und Wasserwerken kam dann aber wieder Leben in die Duschdüse und mein Abend war gerettet.
Heute geniesse ich es, frische Kleider anziehen zu können, meine Fingernägel zu knipsen, ein richtiges WC benutzen zu dürfen und sonstige Kleinigkeiten der Zivilisation. Nebenbei verarbeite ich die letzten 5 intensiven Tage, die natürlich auch nicht immer perfekt waren - unsere Gruppe war sehr gut, aber Reibereien entstehen immer, wenn man 5 Tage lang mit wildfremden Menschen zusammengewürfelt wird, so dass ich ganz froh bin, wieder alleine weiterziehen zu können. Dafür habe ich jetzt ein paar neue Kontakte in Melbourne, Juneau und Kapstadt, so dass meine nächsten Reisepläne bereits gesichert sind;-). Dank aggressiven Marketings der Jungs in unserer Gruppe habe ich mich jetzt auch bei Facebook angemeldet und somit wieder etwas mehr Web 2.0 entdeckt. Sehe bisher den Vorteil noch nicht ganz, aber mal schauen, ob ich "gefriendet" werde.
Auch habe ich ein paar interessante Beobachtungen machen können über Jobs in Peru: der Schuhputzerjob ist wohl ein allseits bekanntes Klischee Südamerikas, aber es gibt noch ein paar andere, die auch recht interessant sind (wie mans nimmt): Junge Mädchen scheinen hier sehr begehrt zu sein, um Touristen Massagen und Pediküren zu verkaufen. Ich habe euch glaub ich erzählt, dass ich ein paar mal dafür umworben wurde und dachte mir, das sei eher etwas zwielichtiges, aber Amber aus meiner Trekkingruppe hat eine gemacht und war voll begeistert. Anscheinend handelt es sich um eine Art Inka-Massage, die sehr speziell sein soll, so à la Thai-Massage. Ein Blick in den Salon de Belleza um die Ecke von meinem Hotel hat mir dann aber wieder die Lust darauf genommen - der Kellerboden bei uns zuhause sieht 10mal hygienischer aus. Andere Mädchen, kaum aus der Schule, stehen in jeder Ecke und verkaufen "llamadas", also Anrufe. Jede hat ca. 3 Handys dabei. Anstatt sich hier ein Handy zu kaufen, kann man sich einfach rasch eines Auf der Strasse leihen für einen kurzen Funk. Telefonkabinen gibt es nämlich nicht mehr so viele. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir wirklich keines kaufen müssen, aber das ist jetzt hinfällig. Ich kann immer noch keine SMS in die Schweiz schicken, obwohl es theoretisch klappen müsste, und gebe es jetzt auf, jedes Mal wieder eine halbe Stunde anzustehen, nur um ein Nümmerli zu kriegen, mit der ich dann eine weitere Stunde anstehen muss. Meine Nummer lautet (falls ich die Handschrift der Verkäuferin richtig entziffere): +51 84 9 867065. Vielleicht kann mir mal jemand ein SMS schreiben, um zu sehen, ob es in diese Richtung funktioniert? Ihr dürft mich gerne auch kurz anrufen, aber das kostet euch wohl eine Stange Geld, ist also nicht nötig (falls es jemand doch versuchen möchte, bei mir ist es 6 Stunden früher als bei euch, also jetzt grad 14 Uhr, bei euch schon 20 Uhr).
Den originellsten Job bisher habe ich jedoch in Machu Picchu gesehen. Hier arbeiten die Jungs aus dem Dorf mit den Busfahrern zusammen, die Touristen nach Machu Picchu befördern. Die Strasse führt in ca. 10 Haarnadelkurven den Berg hoch. Zu Fuss geht man jedoch gerade die Inkatreppe hoch (wie konnte es anders sein). Die Jungs verkleiden sich also als Inka, fahren mit einem leeren Bus hoch, und warten bis der Bus sich füllt, um zurück an den Bahnhof zu fahren. Kaum fährt er los, springen sie vor dem Bus her, winken und schreien wie wild. Der Bus verschwindet um die Ecke, in die erste Kurve. Die Jungs rennen die Treppe runter (barfuss!!), überholen so den Bus und stehen an der nächsten Kurve wieder bereit, wo sie erneut winken und brüllen, dann sausen sie die nächste Treppe runter, während der Bus in die nächste Kurve quietscht. Zuunterst hält der Bus dann rasch an, lässt den Jungen einsteigen, der dann im Bus Geld verlangt von all jenen, die ein Foto von ihm gemacht haben aus dem Busfenster. Wir sind die Treppe runtergelaufen, weil uns der Bus zu teuer war, und wurden ein paarmal fast von einem solchen "Runner" überrannt. Sie sind unglaublich schnell, und wenn ihr die steile Treppe gesehen hättet, wärt ihr sicher auch beeindruckt. Und die kommen nicht mal ausser Atem! Kaum sind sie unten, fahren sie schon mit dem nächsten Bus wieder hoch. Man sagt ja, Not macht erfinderisch... Es schien auch niemanden zu wundern, wieso Alexandro, der Sohn unseres Pferdetreibers, mit uns auf den Trek kam, anstatt in die Schule zu gehen- zwar mangelt es nicht an Schulen, aber hier müssen die Kinder in erster Linie mitverdienen, erst in 2. Linie gönnt man sich den Luxus einer Ausbildung, was natürlich ein Teufelskreis ist. Nachdenklich macht es einem schon.
Morgen fahre ich nach Puno an den Titicacasee, wo ich wahrscheinlich wieder ein paar Tage bleibe. Vielleicht werde ich es heute abend noch an einem andern Ort versuchen, die Fotos hochzuladen, ansonsten könnt ihr euch ja mal die Fotogalerie auf der Website von United Mice anschauen.
Schöne Woche, liebe Grüsse, Kathrin

 

Fotoalbum Salkantay-Trekking
Fotoalbum Machu Picchu

Kommentare

  1. Sozusagen als Bettmümpfeli deine Aufzeichnungen vertilgt und ein ganz klein wenig Neid verspürt...
    (Hält sich wirklich in Grenzen, weil mir die Höhe des Säntis schon Probleme bereitet!)Und auch gleich noch zum Handy gegriffen um deine Nummer zu testen!
    Weiterhin viele gute Begegnungen und offene Augen und Ohren für all die grossartigen Sehenswürdigkeiten und Eindrücke. Liebe Grüsse
    Sylvia

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  2. liebe sylvia,

    leider scheint das mit dem handy nicht zu funktionieren - ich habe keine nachricht bekommen. aber macht ja nichts, es dient ja v.a. um hier in peru telefonieren zu koennen.
    bin momentan wieder etwas tiefer (etwa auf saentis-hoehe) und sehr froh darueber! liebe gruesse kathrin

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