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GR221, Mallorca, Teil I: eine kleine Winterflucht

Auf der Suche nach einer Wanderdestination fürs Jahresende, wo man prima den Festtagen entfliehen kann, die Temperaturen angenehm sind und man trotzdem nicht um die Welt fliegen muss, bin ich auf den GR221 in Mallorca gestossen. Die Ruta de Pedra en Sec („Route der Trockensteinmauern“) führt in ca. 8-10 Etappen von der Nordküste Mallorcas an die Südwestküste, entlang der Sierra de Tramuntana, welche sich auf bis zu 1400 Meter über Meereshöhe erhebt, und somit ein echtes Gebirgsfeeling bietet. Wie man auf der Karte sieht, ist die durchgehende Beschilderung der Route noch in Arbeit, und es gibt mehrere Varianten, die man gehen kann. 


Da ich weder Strände noch Partys besonders mag, war ich noch nie auf Mallorca, mein Bild der Baleareninseln war "Ballermann" - aber dass sich hinter den Hotelburgen eine wunderschöne Berglandschaft auftut, war mir irgendwie nicht so klar. Zeit, mit dem Klischee aufzuräumen!
Leider wird nichts aus meiner Zug- und Fährreise, da die Franzosen streiken und die Bahn ausfällt, somit muss ich doch noch in den Flieger, schade. Beim Buchen der Refugis (ja, es hat sogar Wanderhütten auf Mallorca) wird mir auch klar, dass es nicht ohne Zelt geht, obwohl das Wildcampieren auf Mallorca verboten ist - über die Feiertage und generell in den Wintermonaten sind viele Unterkünfte, ja ganze Dörfer, verschlossen und verlassen. Wenn man den Weg geniessen möchte und keine Marathon-Wandertage hinlegen will, braucht es also Zelt, Schlafsack, Kocher, das ganze Programm. Mich freut's - das ist genau mein Ding. Ich buche also ein paar Hütten und Hotels für zwischendurch (ein bisschen Erholung muss sein), und packe genug Tütenmahlzeiten, Müesli, Kaffee und Studentenfutter ein, um nicht auf die winzigen Dörfer mit eventuell geschlossenen Läden angewiesen zu sein. Das wird sich als übertrieben erweisen, und ich buckle unnötig viel Food durch die Gegend. Ich werde zum Schluss noch mein Fazit und ein paar Tipps schreiben, falls jemand Lust hat, das ganze auch mal zu machen. Ich kann es nur empfehlen.
Hier mein Wandertagebuch der ersten Etappen durch die Sierra de Tramuntana, angefangen an der Nordküste Mallorcas.

Tag 1, 21.12.2019: Reise von Niederteufen nach Palma, Mallorca
Trotz unwürdig früher Tagwache vor sechs Uhr klappt alles wie am Schnürchen, bald stehe ich in Basel am Flughafen und warte inmitten von Scharen von weiteren Weihnachtsflüchtlingen an der Gepäckaufgabe. Mein Rucksack mit Trekkingstöcken wird nicht beanstandet, und die Powerbank im Handgepäck interessiert auch keinen. Der Flug vergeht im Nu, ein Bus bringt mich problemlos vom Flughafen nach Palma, wo ich bald mit Navi durch die engen Gassen der Altstadt navigiere, auf der Suche nach dem vorgebuchten Hostal Pons. Das entpuppt sich als richtig schönes urchiges Altstadt-Haus, mit Innenhof voller exotischer Pflanzen, einer Treppe hoch und einer Innenausstattung so richtig antik, enge Korridore und düstere aber gemütliche Zimmer. Der Concierge ist ebenfalls etwas antik, er schafft es nicht, meine ID zu kopieren, meine Visa-Card zu akzeptieren oder mir Rückgeld zu geben. "Mas tarde", wenn der (hoffentlich etwas jüngere, bzw. technisch begabtere) Chef kommt. Egal, ich trabe nochmals los, das nächste Problem lösen: Brennsprit für den Kocher auftreiben. Um die Ecke ist ein Corte Ingles, da versuche ich mein Glück mit "alcool metilico / alcool de quemar" in der Farmacia, die schickt mich in den Supermarkt in die Putzmittelabteilung. Erstaunlicherweise weiss man da gleich Bescheid ("Para fondue?"), und kurz darauf spaziere ich mit einem frischen Znacht und einem Liter Putzalkohol zurück ins Hostal. Dort ist man immer noch nicht weiter mit dem Rückgeld und den Kopien, ich geniesse also noch etwas das laue Wetter, die langen hellen Stunden (es ist bereits nach fünf und immer noch hell) und flaniere ans Meer und etwas durch die engen Gassen. Zurück im Hostal, ist dann endlich alles gut und ich geniesse einen ruhigen Abend bei einem Glas Wein, frischen Tomaten, knackigem Brot und Oliven mit Sardellenfüllung. Lecker!
 
  

Tag 2, 22.12.2019, Roadwalk von Port de Pollensa nach Pollensa, 7 km

Zunächst hetze ich etwas verzweifelt quer durch Palma (es hat auch noch ein paar fiese Treppen dabei), weil ich mich im Fahrplan vertan habe. Von gemütlich Ausschlafen zu hektisch Duschen, aufbrechen und mit Handy durch Palma navigieren innert wenigen Minuten. Punktlandung - es reicht noch für einen Espresso am Busbahnhof und ein Stirnrunzeln über die spanische Weihnachtslotterie, da werden die Zahlen von einem Kind gesungen. Furchtbar nervig!
Die Busfahrt beschert mir schon mal ein paar schöne Einblicke in die Berge. Nach der Busfahrt nach Port de Pollensa brauche ich erst mal "Cafe con Croassant", bis mir der Sitznachbar zu gesprächig wird. Mein Spanisch ist irgendwie total verrostet, ich verstehe sehr wenig... Ausser das er Künstler ist und das Wochenende hier verbringt.
Am Strand müssen erst mal die Füsse ins Wasser. Das Meer ist kitschig türkis, klarer und wolkenloser Himmel, aber der Wind geht anders ab...Das Wasser ist nicht mal soooo kalt, trotzdem gehe ich nicht schwimmen, sondern reibe Sonnencreme ein und lasse mich sandstrahlen. In der Ferne erkennt man Cap Formentor und dahinter, glaube ich, sogar Ibiza. Ich spaziere etwas am Quai entlang, auf der Suche nach WLAN, um Sven zu ärgern mit einem live Wetterbericht.
 

 
Dann wandere ich durch ein winziges Naturschutzgebiet voller Vögel (Reiher und Ähnliches) zur ersten Tankstelle (weil die WC am Strand alle verhüllt und verriegelt sind). Ab hier geht die erste Etappe der Hauptstrasse entlang.
Entgegen der Behauptungen im Internet finde ich es nicht so schlimm wie erwartet - es hat einen Kiesweg für Fussgänger - obwohl es laut ist, wegen Strasse und stürmischem Wind. Teilweise muss ich mich voll gegen den Wind stemmen. Also mache ich die Kopfhörer rein, Unterhaltung garantiert durch Inselradio Mallorca. Wie die süffisant den Wetterbericht aus Deutschland verlesen... dann "jetzt das Wetter in Mallorca: es ist einfach viel zu heiss!" Es sind aber wirklich angenehme 18 Grad. Am Heiligabend sollen es 21 werden... Das ist offenbar auch hier ungewöhnlich. Die einheimische Bevölkerung läuft in Daunenjacke rum (sogar die Jogger sind in Wintermontur). Da erkennt man doch gleich die Touristen im T-Shirt.
Ausserdem sehe ich knorrige Olivenbäume, Pferde, Schafe, Kakteen und Kakteenfrüchte, lustige Skulpturen, zwei sehr herzige Hunde. Wenn ich so gucken könnte wie die zwei, könnte ich die Welt beherrschen.
Langsam offenbart sich die Bergwelt im Gegenlicht. Dort werde ich morgen unterwegs sein. Im schönsten Abendlicht erreiche ich Pollensa und die Pont Roma, die Römerbrücke. So alt ist die nicht, aber hübsch auf jeden Fall.
 


Im Refugio erblicke ich als erstes zwei Katzen, die auf der Bank dösen. Dann werde ich sehr nett empfangen, Check-In geht hier etwas unkomplizierter als gestern, man gibt Auskunft über dies und jenes. Danach teste ich meinen Putzalkohol im Garten, siehe da, es funktioniert tiptop. Ausserdem sind plötzlich vier (!) Katzen da und gucken neugierig zu, was ich da treibe. Streicheln lässt sich nur eine.
Später mache ich einen Spaziergang durch das sehr hübsche, aber ausgestorbene Pollensa.
Nur an der Plaza entdecke ich etwas Leben, setze mich in eine Birreria, aus der ohrenbetäubende Opernmusik dröhnt. Dabei werde ich mal wieder nicht verstanden, als ich nach einem lokalen Bier frage, kriege ich ein baskisches IPA. Das schmeckt aber so lecker, dass ich ein zweites nehme.
Danach pilgere ich durch die romantisch beleuchteten Gassen zurück ins Refugio, es gibt ein leckeres Znacht und ich chille noch ein bisschen, bevor ich im Schlafsaal hinfalle und einschlafe.

Weitere Fotos findest du im Fotoalbum GR 221, Teil I.
 

 

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