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Oh Mann, Oman

 

 
Salalah Airport, V.A.E.: wir nutzen unsere Zwischenlandung, um das zu tun, was 99% aller Iranreisenden als erstes tun, sobald sie das Land verlassen haben: wir fragen uns zum nächsten Bier durch und strahlen über beide Backen, als wir beide ein Becks zum Preis eines iranischen Wochenbudgets in der Hand halten. Prost!
Als wir das Flughafengebäude in Muscat verlassen, haut es uns fast um: eine schwüle Hitze schlägt uns entgegen, die Luftfeuchtigkeit beträgt fast 100%. Aber auch sonst ist der Unterschied zum Iran enorm, Oman erscheint uns wie Disneyland. Alles ist modern, neu, gut organisiert. Der Verkehr fliesst entspannt und geregelt, die Autos sind blitzblank (scheinbar gibt es sogar ein Gesetz, dass man eine Busse bekommt, wenn die Karre schmutzig ist). Die Klimaanlage wird zu unserem neuen besten Freund und die vielen indischen Restaurant lassen uns in Vorfreude schwelgen. Gleich am ersten Tag machen wir uns auf zur indischen Visa-Agentur und reichen unser Gesuch ein. Es soll in einer Woche fertig sein. Während die Mühlen der indischen Bürokratie mahlen, wollen wir uns das Sultanat Oman anschauen. Da es mir zu heiss ist zum Radeln, miete ich mir ein Auto mit Klimaanlage und lasse Sven alleine durch die Wüste radeln, lade ihn nur gelegentlich auf, wenn es ihm zu windig, zu heiss oder zu durstig wird.
So ziehen wir die Küste runter nach Süden. Am ersten Tag besuchen wir ein Sinkhole, eine Felsgrube, auf deren Grund türkisblaues Süßwasser sich mit Meerwasser vermischt. Doch bevor wir die steilen Stufen hinuntersteigen können, werden wir vom Wärter des Naturdenkmals in sein Häuschen gerufen - er hat gerade frischen Kaffee mit Kardamom aufgebrüht. Hadib zeigt uns, wie man im Oman Kaffee trinkt, dazu werden frische Datteln gereicht. Wir lernen, wie man diese einhändig entsteint, und wie man seine Tasse schwenkt, um zu zeigen, dass man noch mehr Kaffee möchte. Dann steigt er mit uns hinunter zum tiefblauen See am Grund des Sickerlochs und bedeutet uns, die Schuhe auszuziehen und ins kühle Nass zu stehen. Sofort stürzen sich Dutzende von winzigen Beissfischchen auf unsere Zehen und fressen die tote Haut von den Füssen - wie das kitzelt! Wir genießen die Anti-Hornhaut-Therapie, bis eine Horde britischer Touristinnen eintrifft und laut kreischend ob der kannibalischen Fische den Frieden stört.
Abends finden wir ein tolles Plätzchen am "White Beach", um unser Zelt aufzustellen. Es ist ein einsamer Strand voller weisser Kieselsteine und wir genießen unser zweites Bad im indischen Ozean. Das Wasser ist so warm wie eine Badewanne und der Kühleffekt minimal, aber wir haben den Strand fast für uns alleine. Wie schön, endlich wieder einmal zelten zu können ohne Sorgen!
Zum Sonnenaufgang genießen wir eine tolle Stimmung und trinken unseren Kaffee noch bei relativ angenehmen Temperaturen. Schon vor 10 Uhr stehen wir am Eingang des Wadi Shab, einer Schlucht, die direkt vom Meer aus ins Landesinnere geht, vom Fluss über Jahrmillionen in den Fels gefressen. Ein fantastischer Wanderweg führt ins Wadi, oft in den Fels gehauen, entlang alter Wasserleitungen, manchmal watet man direkt durch den Fluss. Eine herrliche Abkühlung bei den heissen Temperaturen! Am Grund der Schlucht ist es grün, Palmen wachsen und Blumen blühen. Kleine Wasserfälle entschädigen uns für die fehlende Dusche am Tag zuvor :-)
Irgendwann ist der Weg zu Ende, nun geht es nur noch im Fluss weiter. Wir lassen unseren Rucksack und Kamera zurück und waten durch den Fluss. Immer enger rücken die Wände des Canyons zusammen, und irgendwann geht es nur noch schwimmend voran. Das Wasser sammelt sich in tiefen, unendlich klaren Pools, mir wird fast schwindlig, als ich nach unten blicke, also Kopf hoch und weiter schwimmen... irgendwann scheinen wir in einer Sackgasse gelandet zu sein, ringsherum nur noch glatter, meterhoher Fels. Während wir Wasser treten und beratschlagen, hören wir einen unsichtbaren Wasserfall und entdecken eine winzige Spalte im Fels. Dahinter erblicken wir eine riesige Höhle, türkisblau und tief schimmert das Wasser darin. Mir klopft das Herz bis zum Hals, aber unsere Köpfe passen grad durch den Spalt, so dass wir rein schwimmen können. Zitternd klammern wir uns an die immer enger werdenden Wände. Doch was für ein Anblick, als wir erst mal drin sind!
Die Höhle ist nach oben offen, Sonnenlicht strömt herein und bricht sich im tosenden Wasserfall, der aus mehreren Metern Höhe in den unglaublichen Pool fällt, in dem wir grad schwimmen. Felsbögen spannen über die Decke der Höhle und schimmern in allen Farben. Wir genießen das Schauspiel, bis es mir irgendwann doch zu unheimlich wird - ich mag gerne Boden unter meinen Füssen und dieser Pool ist abgrundtief, wie es scheint. Wir schwimmen zurück und genießen unser wohlverdientes Picknick, bevor wir uns auf den Rückweg machen.
Am Nachmittag erreichen wir Sur, eine kleine Hafenstadt. Hier werden noch traditionelle Dhaus gebaut, mit denen die Fischer aufs Meer fahren. Wir genießen einen tollen Avocadoshake und machen einen Spaziergang am Strand. Ein paar Dhaus laufen gerade aus, dahinter erhebt sich ein malerischer Leuchtturm - sehr pittoresk.
Unser Tagesziel ist Ras-al-Jinz, eine Bucht am östlichsten Zipfel des Oman. Hier kommen das ganze Jahr Meeresschildkröten zum Eier legen an den Strand. Im Moment schlüpfen auch bereits die ersten Babyschildkröten und suchen den Weg ins Meer, es ist also ein perfekter Zeitpunkt, hier zu sein. Leider dürfen wir nicht fotografieren, zum Schutz der Schildkröten dürfen Besucher nur mit Führer in Gruppen an den Strand. Da die Schildkröten nur nachts an Land kommen, geht die geführte Strandwanderung erst bei Dunkelheit los. Kein Mond scheint, man sieht kaum Sterne - halb blind tappen wir hinter unserem Guide durch den Sand. Die andern Nationalparkwächter scouten die Schildkröten und geben sich Zeichen, wenn wieder eine ihr Nest gebaut hat. Wir dürfen erst zuschauen, wenn die riesigen Tiere sich bereits einen Meter tief in den Sand gegraben haben und am Eier legen sind, damit wir sie nicht verscheuchen. Plötzlich krabbeln vor uns ein halbes Dutzend winzige Schildkrötli aus dem Sand und irren wild über den Strand. Da sie dem Licht folgen, leuchten ihnen die Guides mit ihren Taschenlampen den Weg ins Meer. Herzig, wie sie unbeholfen und planlos über den Strand krabbeln! Wir feuern sie an: "andere Richtung, Mate!" Einige verirren sich zwischen die Füße blind umhertrampelnder Touristen und ich sehe einen Winzling von Schildi gleich vor meinen Füssen. Ich rufe den Guide, damit er ihn rettet - wir dürfen die Tiere ja nicht anfassen - und er hebt ihn auf, um ihn ins Meer zu tragen. Vorher aber hält er noch einen Vortrag darüber, wie das Geschlecht der Meeresschildkröten bestimmt wird, wild gestikulierend. Den armen Schildi hat er dabei immer noch umklammert, dem ist jetzt bestimmt sterbensübel :-)
Aber das mit der Geschlechterbestimmung ist hoch interessant: bei Sandtemperaturen unter 28 Grad gibt es Männchen, darüber Weibchen. Die Männchen kommen scheinbar gar nie an Land, verlassen aber den Dunstkreis ihres Geburtstrandes um  nicht mehr als ein paar Meilen im offenen Meer. Die Weibchen kommen dreimal im Jahr an Land zum Eier legen, danach gehen sie auf Reisen, nach Indien, Afrika... Mit der Aufzucht der Jungen haben sie nichts zu tun - das Leben würde mir auch gefallen. Wir stellen uns vor, wie die Schildkrötenmädels, nach getaner Arbeit am Strand, sich draussen auf dem Meer treffen, cool an den langweiligen Männchen vorbeiziehen: "... und jetzt auf nach Goa, Girls, in zwei Wochen ist Vollmondparty!" Wir ziehen uns zurück ins Zelt, draussen stürmt der Wüstenwind und rüttelt an unserer Stofflaube. Sven träumt von Schildkrötenbabys, die überall im Zelt und im Auto herum krabbeln.
Sven setzt sich nochmals für eine Tagesetappe aufs Fahrrad. Diesmal geht es ins Landesinnere, zu den Sanddünen von Ibra. Bereits früher sehe ich vom Auto aus die ersten Sandverwehungen und auch Kamele am Straßenrand. Gegen Mittag wird die Hitze und der Wind unerträglich, also lade ich Sven wieder ins Auto und wir suchen einen kühlen Ort, um die gnadenlosen Mittagsstunden zu verbringen. In Al Kamil sehen wir einen alten, aber schön restaurierten Lehmturm. Es stellt sich heraus, dass sich dahinter eine ganze Burg und ein Museum verbirgt. Gleich taucht auch schon der stolze Besitzer auf, Khalfan, einer der Söhne des früheren Kalifen dieser Region. Er und seine philippinische Angestellte Joyce führen uns durchs Museum. Joyce jammert, dass Khalfan alles sammelt, was ihm in die Hände kommt und nichts wegwirft. Viele historische Gegenstände, aus Landwirtschaft, Kunsthandwerk, Küche, etc. zieren seine Sammlungen, doch auch Briefmarken, Münzen, Telefonkarten, Banknoten. Ich entdecke ein paar alte Schweizer Franken und Sven findet DDR-Geld. Völlig erschlagen ob all dem Porzellan, den Töpfen, Waffen, etc. sacken wir im kühlen Burghof auf einen Stuhl und werden als Belohnung, dass wir durchgehalten haben, zum Mittagessen eingeladen.
Abends genießen wir einen herrlichen Blick auf die fast rot leuchtenden Sanddünen kurz vor Ibra. Ein Kamel schlurft über die Strasse, dahinter wiegen sich Dattelpalmen im Wind und Sven flitzt nochmals auf dem Fahrrad davon in den Sonnenuntergang - er hat endlich mal Rückenwind!
Unser letztes Ziel dieser Rundreise ist der Jebel Sham, der omanische Gran Canyon. Auf dem Weg dorthin besuchen wir noch Nizwa, mit seinem Basar, seiner verlotterten Altstadt aus Lehmhäusern und seinem mächtigen Fort zu recht ein UNESCO Weltkulturerbe.
Abends genießen wir am Fuß der Berge eine herrlich ruhige Nacht mitten in einer Steinwüste. Unter einem grandiosen Sternenhimmel packe ich mal wieder die Gitarre aus. Am nächsten Morgen wandern wir ins Wadi Guhl, aus dem sich die Felswände fast tausend Meter erheben. Unten ist es schattig, kühl, es hat ein Bächlein, in dem man sich abkühlen kann. Wir wandern ein paar Stunden durchs Tal bis zur Quelle und wieder zurück. Abends wollen wir noch hochfahren zum Jebel Sham. Eine unglaublich steile Strasse führt hinauf. Sven schwingt sich tapfer aufs Rad, ich, weniger masochistisch veranlagt, hinters Steuerrad. Doch auch das Auto hat Mühe, nur wenig schneller als Sven quält es sich den Berg hoch. Die letzten 10 km sind ungeteert und nicht weniger steil - Sven hievt Mono dankbar auf den Rücksitz. Und ich bin dankbar, muss ich diese paar Kilometer nicht selber fahren. Eine abenteuerliche Rüttelpartie! Pünktlich zum Sonnenuntergang stehen wir oben, auf fast 2000m Höhe, und genießen das Spektakel, wie der rote Feuerball in den Wolken versinkt. Es ist die erste Nacht im Oman, in der wir es ohne Klimaanlage angenehm kühl haben, sogar die Schlafsäcke kommen zum Einsatz :-)
Wir zelten auf einer mächtigen Karstklippe und stehen zum Sonnenaufgang am Abgrund - was für eine Aussicht! Vor uns liegt ein gewaltiger Canyon, unten sehen wir das Dörfchen und Wadi, durch das wir gestern gewandert sind, dahinter die weite Ebene und die Stadt.
Nach einer rasanten Abfahrt (für Sven) und glühenden Bremsen sind wir bald wieder unten und ein paar Stunden später zurück in Muscat. Am Abend fahren wir nochmals ans Meer, genießen ein halbwegs kühles Bad und kochen mit den verbliebenen Vorräten ein leckeres Mahl am Strand. Dann geht es zurück ins Hotel - duschen, Kleider waschen, Internet - die Zivilisation hat uns wieder. Oman ist ein fantastisches Land für Wüstenfreaks und Camperfreunde, es hat uns prima gefallen. Das Reisen ist - zumindest mit dem Auto - einfach und günstig, die Benzinpreise sind lachhaft (21 cent der Liter).
Nun können wir nur noch warten und hoffen, dass unser Indien-Visum eintrifft, bevor unser Oman-Visum ausläuft. Nach zahlreichen Telefonaten und zwei Besuchen der Visa-Agentur halten wir es endlich im den Händen, hurra! Schnell ein Flug gebucht, und am nächsten Tag heben wir bereits ab, Destination: New Delhi. Auf ins Abenteuer Indien!

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