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Home away from home

Hola muchachas y muchachos,

seit über einer Woche wohnen wir nun in San Pedro am Atitlansee. Wir haben auf Anhieb eine Wohnung für einen Monat gefunden, welche uns gefällt. Sie hat eine Dachterasse, zwei Schlafzimmer, eine Waschküche mit Bad und eine Küche mit Backofen und einer launischen Espressomaschine, mit der wir auf Kriegsfuss stehen (es ist halt eine echte Italienerin, ich muss ihr immer gut zureden, damit sie nicht einfach den Espresso in alle Richtungen speuzt). Wir haben Pflänzli auf der Terasse, welche wir regelmässig giessen sollten (ich höre schon einige von euch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen), und natürlich fehlen auch die Haustiere nicht: jeden morgen finden wir im Erdgeschoss eine halbtote Kakerlake, die alle Viere von sich streckt. Wo sie sich verstecken, und was sie zur Strecke bringt, haben wir noch nicht rausgefunden (die Theorien reichen vom herzigen scheuen Büsi bis zur nicht so herzigen, aber glücklicherweise ebenso scheuen Boa Constrictor). Wir beschweren uns ja nicht, sie fressen uns nichts weg. Da mögen wir die Ameisen schon weniger, die kommen sofort aus allen Ecken gekrochen, wenn wir das Geschirr nicht sofort abwaschen und den Herd putzen. Die sind also bestimmt vom Vermieter angestellt, damit wir die Küche sauber halten...
Unser Vagabundenleben ist also im Moment sehr geruhsam geworden: Sven geht täglich zum Spanischunterricht und lernt fleissig (noch ein paar Tage, und er kann es besser als ich!). Täglich feilschen wir mit den Marktfrauen um die besten Rüebli, etc. und erreichen schon fast Einheimischenpreise. Während Sven im Spanischunterricht sitzt, hänge ich in der Hängematte und lese ein Buch am andern oder surfe im Internet nach Segelpassagen nach Panama etc. Wie im Nu ist eine Woche vergangen, und wir geniessen es, endlich mal wieder "zuhause" zu sein, nicht jeden Tag die Taschen packen zu müssen, etc. Insbesondere die Küche und den Ofen schätzen wir sehr, da wird gekocht und gebacken wie die Weltmeister! Als erstes gab es natürlich eine Fischbananenpizza (Svens Geheimrezept), die wir schon in La Paz genossen hatten. Auch Brot haben wir schon gebacken, denn hier in San Pedro gibt es einen richtig guten "Health Food" Laden mit Vollkornmehl. Sven hat auch schon einen echten Adrenalinschub mit unserem feuerspuckenden Gasofen erlebt (die Augenbrauen sind noch dran, nur die Wimpern etwas angekokelt). Abends (insbesondere am Wochenende) kriegen wir jeweils Gratisunterhaltung von den Nachbarn (die üben fleissig Marimba und Schlagzeug) oder es findet grad irgendwo im Dorf eine Chilbi statt mit seeeehr lauter Musik und total untalentierten Musikern. Ein bisschen Guggenmusik fehlt uns also auch hier in Guatemala nicht;-)
Die letzten Tage im Februar haben wir noch mit Werner, Jean und Urs verbracht, zunächst ein paar Tage hier am Atitlansee, bevor wir dann zusammen weiterzogen nach Quetzaltenango (kurz Xela genannt), welches auf 2300m liegt und daher um einiges kälter ist als der Rest von Guatemala. Xela ist eine Kolonialstadt mit hübschem Zentrum, toll gelegen am Fuss von Vulkanen. Auf einem dieser Vulkane, dem Cerro Quemado, verbrachten wir die nächsten 3 Tage, auf fast 3000m.ü.M. Hier gibt es ein paar tolle Kletterrouten, auf die sich Jean und Urs schon seit Tagen gefreut hatten. Endlich wurden Seil, Klettergurte und -finken ausgepackt und Wände erklommen. Werner, Sven und ich genossen indessen die atemberaubende Landschaft. Der Cerro Quemado ist ein auf einer Hochebene gelegenes Lavafeld, wild verstreute Lavabrocken machen ihn zum fast undurchdringlichen Steindschungel. Am Rande fallen die Felsen senkrecht ab (hier befinden sich die Kletterrouten), und er ist nur durch einen steilen Zustieg (auf allen Vieren) erreichbar. Trotzdem oder gerade deswegen versammeln sich hier oben die Einheimischen zum Beten. Überall zwischen den Felsen und Lavablöcken haben sie kleine Altäre gebaut, bringen Blumen hierher und versammeln sich um diverse Prediger und Heiler. Diese predigen, heulen, jammern, orakeln den ganzen Tag vor sich hin, egal ob sie nun eine fromme Schar um sich ringen konnten oder nicht. Einige befinden sich wie in Trance, und oft singt, heult und jammert die ganze Zuhörerschaft mit. Wenn dann noch die Nebelschwaden vom nahen Vulkan über das Lavafeld ziehen, und überall nur Wehklagen, Beten und ominöses Predigen zu hören ist, dann ist es zeitenweise schon unheimlich. Die Gebete sind oft in Quiche, der Sprache der Indigenas, durchmischt mit etwas Spanisch. Dazwischen ein paar Gringos in Kletterfinken... die Einheimischen starrten uns so fasziniert an wie wir sie. Wenn Jean und Urs am Fels waren, versammelte sich darunter oft eine Menge von Leuten, welche fasziniert zuschauten, wie sie da die senkrechte (oft sogar überhängende) Wand hochkraxelten. Auch Sven und ich versuchten uns an einer "einfachen" Route, ich natürlich nur mit mässigem Erfolg, da ich seit meiner Kindheit nicht mehr geklettert war. Streng wars auf jeden Fall auf dieser Höhe, aber Spass hat es gemacht! Es war ein wunderschöner, sehr faszinierender Ort.
Bald war es jedoch für Svens Freunde Zeit, weiterzureisen, da sie sich langsam auf den Rückweg nach Cancun zum Flieger machen mussten. Sven und ich hatten bereits entschieden, dass wir die kommenden Wochen am Atitlansee verbringen wollten, bis Ende März erneut Besuch aus der Schweiz anstand - Ruth kommt mich zum zweiten Mal auf diesem Trip besuchen, worüber ich mich riesig freue!
Also fuhren wir zurück nach Rio Dulce (diesmal ganz zahm im Bus statt abenteuerlich auf irgendwelchen Trucks) zu unseren Velos. Wir wollten es aber doch noch wissen mit dem Segeln und schnupperten einen Nachmittag lang Segelluft mit Greg, der uns selbst bei strömendem Regen und praktisch ohne Wind das Nötigste beibrachte, und uns einen schönen ersten Segelausflug auf dem Rio Dulce bescherte. Tags darauf fuhren wir mit Joe erneut raus. Joe´s Boot war mittlerweile verkauft worden, und er wollte es noch ein letztes Mal ausfahren. Das Seeräuberboot hatte es uns ja schon bei unserem ersten Besuch in Rio Dulce angetan, und so waren wir natürlich begeistert dabei. Wir segelten zwei Tage auf dem Lago Izabal, besuchten nochmals die heissen Quellen, kochten literweise tollen Kaffee und lernten viel übers Segeln. Joe erzählte Räubergeschichten von seinen Segelabenteuern und steckte uns wieder total an mit der Lust, einen Ozean per Segel zu überqueren. Die preussische Vernunft hat uns bisher davon abgehalten, gleich ein Segelboot zu kaufen und nach Australien zu schippern... Vorläufig begnügen wir uns damit, eine Passage auf einem Segelboot zu finden, welches uns mitnimmt bis Panama oder möglicherweise Südamerika. Von andern Radfahrern, welche aus dem Süden kommen, oder gerade in Zentralamerika unterwegs sind, haben wir nicht viel Positives über die Strassenverhältnisse in den mittelamerikanischen Ländern gehört (schmale Strassen, horrender Verkehr), und wir haben keine Lust, auf Schotterpisten auszuweichen. Südamerika und die Anden locken uns nach wie vor. Mal schauen, wie es weitergeht...
Nun freue ich mich erst mal auf einen Backpackertrip durch Guatemala mit Ruth, meiner treuen Reisebegleiterin auf nun schon dem vierten Kontinent. Und sie bringt mir Schoggi mit, juhuiiii!!

Herzliche Grüsse aus San Pedro,
Kathrin

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