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Lima by Night





Hoi zäme,

nachdem ich heute morgen ganz erleichtert in Lima ankam (nach einer 12stündigen, äusserst kurvigen Busfahrt neben einem während der gesamten Fahrt kotzenden Kind), in mein cooles Hostel eincheckte und erschöpft ins Bett sank, erlebte ich dann mittags einen gewaltigen Kulturschock. Am Morgen früh war ich zu müde gewesen, um es wahrzunehmen, aber ich befinde mich in einer riesigen, unüberschaubaren 8-Millionenstadt. Nach den einsamen Tagen in der Selva und dem gemütlichen Landleben in Huancavelica hat mich das erst total überfordert. Dazu kam, dass ich mich in Miraflores befinde, dem trendigen, modernen, reichen, von allen Touristen bevorzugten Viertel Limas, welches direkt am Meer liegt. Mein Magen verlangte nach Frühstück, also spazierte ich mal los Richtung Zentrum Miraflores, und wäre bald am liebsten umgekehrt: hier reiht sich Starbucks an McDonalds, trendige Läden, die ich seit dem Flughafen Madrid nicht mehr gesehen habe, und Gringos, Gringos, Gringos... Und vom vielen Verkehr war ich sowieso überfordert. Schliesslich setzte ich mich ins erstbeste Strassencafé (an und für sich schon eine Erfindung für die Touris hier), bestellte einen Café con Leche und bekam sogar echte geschäumte Milch (ein wahrer Schock). Dann wurde ich noch von einem nach Houston ausgewanderten Deutschen angesprochen, der seit 3 Wochen Ferien in Peru macht und es keinen Meter aus dem Zentrum Miraflores rausgeschafft hat. Es hat ja schliesslich Hamburgers hier, Discos und Cafés, was will man mehr? Ob ich in Cusco gewesen sei, fragt er mich. Ja, klar! "Und, gefiels dir dort?" "Also, äh..." beginne ich, doch da werde ich schon wieder unterbrochen: "Ja, gell, langweilig, eine Kleinstadt halt. Rom, Florenz, Athen, Cusco - ist doch alles dasselbe!" Nach diesem Statement gebe ich die Konversation auf und widme mich intensiv meinem schön angerichteten Sandwich, das ich hier nicht mit den Fingern zu essen wage. Am liebsten wäre ich gleich wieder abgereist ob all dem Kommerz, doch hatte ich mich mit Betty verabredet, die mir in Ayacucho begegnet ist. Sie hatte mir damals sehr geholfen mit der Polizei und hatte versprochen, mir Lima zu zeigen. Sie und ein Freund von ihr, Armando, wollten mich um 4 Uhr abholen und rumführen, was ein wahres Glück war, denn ausgeschlafen, mit vollem Magen und zwei einheimischen Führern präsentierte sich Lima plötzlich in einem ganz andern Licht. Sie zeigten mir die schönen Strandpromenaden von Miraflores und Barranco, luden mich zu Eis, Süssigkeiten und Colectivofahrten ein (die ich ohne Hilfe nicht geschafft hätte, so konfus ist dieses System), um dann nach einem kitschig schönen Sonnenuntergang am Meer ins Zentrum zu fahren und mir Lima zu zeigen. In sämtlichen Reiseführern und auch bei Globetrotter in SG wird einem abgeraten, dort hinzugehen, und schon gar nicht abends, ein anscheinend gesetzesloser Ort. Alleine hätte ich mir das wohl kaum angetan, aber mit Armando und Betty erschien alles in schönem Licht und überhaupt nicht gefährlich - eine freundliche Fussgängerzone, hübsche Weihnachtsbeleuchtung überall, aus den Kirchen dringen Weihnachtslieder und aus den Marktständen durftet es lecker nach Essen... Sofern man weiss, wohin man geht, kein Problem! Dann fand ich auch noch raus, dass Betty Information und Dokumentation studiert hat und im Stadtarchiv arbeitet- es gibt schon Zufälle im Leben!! Sie und Armando wissen auch extrem viel über die Stadt, es war hochinteressant. Z.B. gibt es hinter dem Justizpalast (sic!) eine Strasse, in der man sich sämtliche Dokumente, die es gibt, fälschen lassen kann. Und dem Stadtheiligen, San Martin, der immer wieder Wunder produzierte, wurde es offensichtlich verboten, weitere Wunder zu bewirken, weil er dunkelhäutig war. Als dann einmal ein Arbeiter vom Dach des Regierungspalastes stürzte, hielt er ihn offensichtlich mitten im Sturz in der Luft an, rannte ins Kloster und bat seinen Abt um Erlaubnis, ein Wunder zu bewirken, damit der Arbeiter nicht zu Tode stürze. Scheinbar habe der Abt nur die Hände verworfen und gejammert: "Aber Martin, du hast das Wunder ja schon bewirkt!" Wer's glaubt... aber eine witzige Story ist es allemal. Wir haben dann auch noch die Kirche besucht, in welcher der Schädel dieses San Martin liegt (man kann ihn wirklich sehen...), und haben herausgefunden, dass Armando wahnsinnig gerne in dieser Kirche heiraten würde. Leider fehlt dazu noch ein kleines, nicht ganz unwichtiges Detail - er muss erst eine Braut finden...
Nach einem typischen Limeño-Gericht, "Pancito" (eine Art Kutteln, die Geschmackssache sind...) gingen wir noch in einen Park, der voller Wasserspiele in allen Farben und Formen ist - wunderschöner Abschluss! Seht hier:




Etwas nass wurden wir dann auch noch. Nun bin ich wieder zurück in meinem Hostel, tippe euch ganz begeistert diese Zeilen und kann mit ganzer Überzeugung sagen: Lima ist schön! Man muss sich allerdings etwas umgucken, auf den ersten Blick wirkt es eher wie ein Moloch. Ich freue mich bereits darauf, was die beiden morgen für mich bereithalten - wir gehen nach Callao, dem Hafenviertel Limas, wo die beiden leben.
Hier noch die Fotos von heute:



Fotoalbum Lima by night

Mit diesen Bildern wünsche ich euch allen jetzt schon frohe Weihnachten, da ihr morgen wohl erst nach Mitternacht Schweizer Zeit von mir hört. Alles Liebe und Gute aus dem warmen, windigen Lima, ich lege euch viel Sonne und Wärme unter den Weihnachtsbaum und denke an euch- hoffe, ihr auch etwas an mich!
Liebe Grüsse,
Kathrin

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