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Piraten der Karibik

Die letzten 170km zeigte sich Mexiko nochmals von der schönsten Seite: wir fuhren durch eine paradiesische tropische Landschaft mit herzigen Dörfern aus Holzhütten, mit Palmenblättern gedeckten Dächern. Es war auch noch ziemlich viel Dschungel vorhanden und noch nicht alles abgeholzt. Mittags konnten wir jeweils im Fluss abkühlen. Am ersten Abend zelteten wir "wild" am Fluss, waren jedoch innert kürzester Zeit von einer Schar Kinder umringt, welche uns neugierig anstarrten, wie wir Zelt aufstellten, Kocher in Gang setzten, Wasser filterten, etc. Ein Dutzend Kinderhände befingerten staunend alles, was herumlag, was die Kocherei zur Nervensache machte;-). Als es dunkelte, verschwanden die Kinder und machten hunderten von Glühwürmchen Platz. Am zweiten Tag zelteten wir im Indianerdorf Lacanja, hier laufen alle Männer mit langen Haaren und einer Art Nachthemd als traditionelles Kostüm herum. So sind die Toilettenschildchen für Männlein / Weiblein dort etwas schwer zu unterscheiden. Das ist aber eine prima Ausrede, wenn ich feststelle, dass bei den Herrenduschen das Wasser heisser läuft als bei den Damen;-).
Am nächsten morgen wurden wir dann dafür kalt geduscht: der erste Regenschauer seit Wochen platschte kurz nach Tagesanbruch aufs Zelt (welches wir der Hitze wegen ohne Überzelt aufgestellt hatten). Schöner Stress vor dem ersten Kaffee!! Dafür rollten wir danach wie geschmiert zur Grenze. Die Strasse wurde immer schlechter, sozusagen ein Vorgeschmack dessen, was uns auf der andern Seite erwarten würde. Eine Barke brachte uns über den Rio Usumacinta hinüber nach Guatemala, Land Nummer 8 auf meiner Reise. Guatemala machte es uns am ersten Tag nicht leicht, es zu mögen. Verwöhnt von der mexikanischen Küche, gestaltete sich die Nahrungssuche im Grenzort Bethel frustrierend (Reis & Bohnen), beim Geldwechsel erhielten wir einen lausigen Kurs und die Grenzbeamten wollten uns mit einer inoffiziellen "Einreisegebühr" abzocken. Doch es kam noch schlimmer: die Piste, welche aus Bethel herausführte, war so übel, dass wir eine gefühlte Ewigkeit strampelten, bis uns nach ca. 20km ein Bus überholte, aus dem uns Werner zuwinkte. Er war 3 Tage nach uns in Palenque aufgebrochen und holte uns gleich mit an Bord, samt Fahrrädern, welche unsanft auf dem Dach mitritten. So schafften wir es noch am selben Tag nach Flores, die Velos zwar leicht lädiert, die Stimmung am Tiefpunkt nach einer Meinungsverschiedenheit mit dem Gepäckjungen über den Fahrpreis, aber wenigstens alle Plomben noch drin trotz der Holperpiste;-).
In Flores, einer hübschen Kolonialstadt auf einer Insel im Lago Peten Itza, gönnten wir uns ein paar Ruhetage zum Akklimatisieren ans neue Land und neue Sitten. Wir fanden bald heraus, dass es auch hier dunkles Bier gibt, das schmeckt, und dass man Guatemala die Milchshakes "bitte mit Milch" bestellen muss, sonst kriegt man ein Fruchtpüree auf Eis. Hatten wir das (und die Zeiten für die happy Hour) erst mal begriffen, gefiel es ums gleich viel besser. Trotzdem war es an der Zeit, weiterzureisen Richtung Belize. Auf dem Weg dorthin besichtigten wir noch die eindrücklichen Mayaruinen von Tikal. Am besten schaut ihr euch die Fotos vom letzten Eintrag an, um euch ein Bild zu machen, die mystische Stimmung ist schwer zu beschreiben. Dort sahen wir auch ganz viele exotische Tiere. Somit freuten wir uns, als wir Richtung Belize radelten, später nochmals nach Guatemala zurückzukehren.
Belize ist ein für Lateinamerika sehr untypisches Land. Landessprache ist offiziell englisch, da ehemalige britische Kolonie, die meisten Leute sprechen jedoch kreolisch. Ein Großteil der Bevölkerung sind Nachfahren von afrikanischen Sklaven, es gibt jedoch auch Latinos, Mennoniten und viele Amerikaner, welche sich hier niedergelassen haben. Belize ist ziemlich teuer, wir schluckten schon recht, als wir für den Milchkaffee so viel wie zuhause bezahlen sollten, dafür aber nur Nescafé mit Milchpulver erhielten. Die Infrastruktur wird nämlich den hohen Lebenskosten nicht gerecht. Für Radfahrer hat dies Vorteile, denn es gibt kaum Verkehr auf den Hauptstraßen. In Belize lockten uns vor allem die Karibikstrände und ein erneutes Zusammentreffen mit Werner, sowie die Ankunft von Werners Sohn Jean und Urs, einem weiteren Freund von Sven. Somit düsten wir über die Berge und durch Zitrusplantagen an die Küste, wo wir endlich in die Badewannenwarme Karibik hüpfen durften. Es dauerte ein paar Tage, bis wir den perfekten Strand zum campen fanden, doch schließlich entdeckte ihn Werner auf einem frühmorgendlichen Spaziergang: bei der Familie von Marta und Hermann durften wir direkt am Strand Zelten und Hängematten aufspannen. Von der Familie erhielten wir frische Kokosnüsse und Eier, Jean fing einen Fisch und wir hatten einen coolen Grillabend. Wir verbrachten eine tolle Woche dort, hatten viel Spass, gingen täglich schnorcheln (am Schluss kannten wir alle Fische und Seesterne beim Vornamen, und auch die Stachelrochen grüßten freundlich). Wir machten noch einen Ausflug zu einem Mini-Atoll, es war so klein, dass man die Palmen auf dem Inselchen an einer Hand zählen konnte, aber prima, um drumherum zu schnorcheln. Hier waren viel mehr bunte Fische unterwegs als an "unserem" Strand, und es hatte auch ein paar grössere Exemplare dabei, z.B. ein Hai. Wir sahen auch eine angriffslustige Riesenschildkröte und viele riesige Rochen mit einer Spannweite von über einem Meter. Cool, mit diesen Tieren schnorcheln zu können! Da nahmen wir sogar die nasse Bootsfahrt in Kauf (wir wurden patschnass). Dafür gingen wir am Abend dann Rum trinken und zur Reggaeband abtanzen, das wärmte uns wieder ordentlich (bis uns der Regen erneut abkühlte;-).
Nach sooo viel Meer (und sooooooo vielen Moskitos) lockten nun die Berge wieder. Somit verließen wir Land Nr 9 wieder - thanks Belize, we had loads of fun! Urs, Jean und Werner fuhren per Autostopp vor nach Guatemala, um einen coolen Kletterspot zu finden. Sven und ich schwangen uns nochmals auf die Räder für den Spurt zur Fähre nach Livingston.
Nun sind wir also wieder in Guatemala, die letzten paar Tage haben wir in Rio Dulce verbracht und verträumt die Segelboote aus aller Welt angestarrt. Freddy und ich haben mittlerweile 8600 km auf dem Buckel, Sven hat in Rio Dulce seinen 8000sten gefahren (dazu "mussten" wir extra noch einen Ausflug zu einer heissen Quelle einbauen;-). Es wird Zeit für eine Radelpause. So sind wir im Moment ohne Räder unterwegs und trampen durch die Berge von Guatemala auf der Jagd nach Urs, Jean und Werner. Es macht viel Spass, gestern sind wir hinten auf einem Kardamon-Transporter mitgefahren, heute auf 8 verschiedenen Trucks, Minibussen und Pickups. Sogar die Polizei hat uns ein Stück mitgenommen. Morgen hoffen wir, den Atitlansee zu erreichen. Dort setzten wir uns dann in die heißen Vulkanquellen und kurieren unsere wunden Hintern (wer hätte gedacht, dass Pickup- und Busfahren so anstrengend sind wie radfahren!).
Herzliche Grüße aus den Bergen!

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