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Mas vino, menos bandidos

Hola muchachas y muchachos,

Seit meinem letzten Eintrag aus Mendoza ist viel passiert, leider auch viel Unerfreuliches. Als wir am Morgen des 30. April in Mendoza aufbrachen (nach einer schlaflosen Nacht im lauten Hostel), waren wir zum Glück ahnungslos ob der Dinge, die noch vor uns lagen. Wir waren nur froh, endlich aus der verkehrsreichen, chaotischen Stadt raus zu sein und wieder auf dem Land zu radeln. Die ersten Kilometer waren leider nicht sehr erfreulich, durch hässliche Vororte und viele Müllhalden, auf denen sogar Menschen leben. Dies hatten wir in Argentinien nicht erwartet! Die Lebenskosten sind hier viel teurer als in Guatemala, aber den Menschen geht es davon offenbar nicht besser.
Nach einigen Stunden kurbelten wir aber dann durch landwirtschaftliches Gebiet, vorbei an kleinen Dörfern und Feldern. Die Sonne schien, es war warm und wir genossen eine kurze Trinkpause am Strassenrand der Ruta 40. Plötzlich kamen zwei junge Typen aus dem Gebüsch direkt auf uns zu. Ich dachte mir im ersten Moment nichts weiter dabei, dies passierte in Guatemala und Mexiko auf dem Land auch ständig - Feldarbeiter, die mit ihren Macheten irgendwo in der Pampa auftauchen und meist freundlich grüssen, oder wenigstens neugierig gucken. Diese beiden hier hatten leider andere Absichten: der eine schwang einen Revolver und wollte "Plata" (Geld). Dabei fuchtelte er mit dem Revolver unbeholfen vor Sven hin und her, während der andere versuchte, meinen Rucksack zu greifen. Es war ein völlig absurder Augenblick, einer dieser Momente, wo man sich fragt, ob man im falschen Film ist (und einem der verrückte Gedanke durch den Kopf geht, ob das Ding, das wie eine Spielzeugpistole aussieht, wohl echt ist). Nach der ersten Schrecksekunde versuchte ich, zu beschwichtigen, und holte den Geldbeutel raus, in der Hoffnung, dass dies genügen würde. Doch der Typ mit der Knarre grabschte sich Svens Rucksack, während der andere etwas hilflos an meinem Rucksack rumzerrte - ich versuchte, ihnen das Geld aufzuschwatzen im Tausch gegen Svens Rucksack, doch ohne Erfolg. In dem Moment kamen zum Glück wieder Autos auf der sonst viel befahrenen Ruta 40 - die beiden Typen mussten hinter den Büschen auf einen Moment ohne Verkehr gewartet haben. Wir konnten zum Glück um Hilfe rufen und ein Auto anhalten, doch die beiden Räuber waren schon weg, mitsamt Svens Rucksack. Die ganze Überfallszene spielte sich in weniger als einer Minute ab. Der Fahrer des Autos, der angehalten hatte, rief sofort die Polizei an, und innert wenigen Minuten (die uns endlos lange vor kamen) war die Gendarmeria da. Mittlerweile war auch die Nachbarin mit dem Gewehr aufgetaucht, um uns zu bewachen, und innert kürzester Zeit war das ganze Polizeiaufgebot der Gegend mit Blaulichtern zugegen. Auch das halbe Dorf (oder wenigstens all diejenigen, welche ein Pferd besitzen) war auf den (Pferde-)beinen und durchsuchte die Pampa in der Richtung, in welche die Banditen davon gerannt waren.
Nun ging für uns das endlose Warten los, ob noch etwas gefunden würde, und immer wieder mussten wir die Geschichte erzählen. Leider befanden sich in Svens Rucksack viele wichtige Dinge: sein Pass, sein Geldbeutel inklusive Bankkarten, sein Netbook, Kamera, Tagebuch und viele weitere persönliche Gegenstände. Als es dunkel wurde, wurde die Suche aufgegeben und wir wurden zur Polizeistation in Mendoza gefahren, wo Sven einen Polizeirapport erstellen musste. Dies ging zum Glück glimpflicher als damals bei meinem Kameradiebstahl in Peru, dafür war der Schaden natürlich um einiges grösser...
Netterweise setzte uns die Polizei dann in einem angenehmeren Hostel im Zentrum von Mendoza ab - wir waren am Verhungern und hatten definitiv keine Lust mehr, im Dunkeln durch die grausigen Vororte von Mendoza zu fahren. Im Hostel wurden wir sehr freundlich aufgenommen, eine andere Travellerin lieh Sven ihren Laptop, so dass er umgehend seine Kreditkarten sperren konnte, und es gab billiges Bier, von welchem irgendwie innert kürzester Zeit 2 Liter "verdunsteten".

Nun mussten wir also ungewollt ein paar Tage in Mendoza verweilen. Zum Glück gibt es hier ein deutsches Konsulat, welches die ganzen Formalitäten für einen neuen Pass für Sven erledigen kann, den er in ein paar Tagen in Salta abholen kann. Auch seine neue Kreditkarte ist mittlerweile unterwegs. Die Stimmung war allerdings gedrückt, wir wussten nicht, ob wir in Argentinien mit den Fahrrädern weiterreisen wollten, doch Sven musste auf jeden Fall auf seinen neuen Pass warten, um das Land verlassen zu können. Ausserdem wollten wir nach wie vor die Nationalparks nördlich von Mendoza sehen - aber mit keinen zehn Pferden hätte uns nochmals jemand mit den Velos auf die Ruta 40 nach San Juan gebracht. Also mieteten wir ein Auto für eine Woche und fuhren eine Runde nördlich von Mendoza durch die Nationalparks Ischigualasto und Talampaya, dann über Villa Union, Rodeo, Barreal und Uspallata zurück nach Mendoza. Landschaftlich war es wunderschön, wenn auch irgendwie etwas deprimierend. Dies lag sicher an der grandiosen Herbststimmung (in unserem Innern ist es eben trotzdem irgendwie Frühling im Mai!), an den kühlen Temperaturen und an den endlosen Weiten. Mit dem Auto brauchten wir teilweise Stunden, um eine Ebene zu durchqueren. Mit dem Fahrrad würde dies Tage dauern! Argentinien ist eben ein gigantisch grosses Land, und es hat sich uns bisher nicht allzu sehr von der Sonnenseite gezeigt.
Andrerseits hat uns die Pause vom Radfahren sicher gut getan, wir "lernten" wieder, zu zelten, ohne uns dabei zu fürchten, und die bombastischen Landschaften waren Balsam für die Seele. Die Fotos von diesem Trip findet ihr im letzten Beitrag.

Nach der Autorückgabe beschlossen wir, den Bus zu nehmen nach La Rioja, um weiter nördlich wieder auf die Velos zu steigen und nach Salta zu fahren. Mittlerweile sind wir schon wieder fast 10 Tage am Radeln, es fehlen nur noch ein paar hundert km bis Salta. Es geht auf und ab, sowohl das Höhenprofil, als auch die Stimmung. Mal geht es uns dreckig, mal sind wir frohen Mutes, manchmal ist es zum Heulen, dann kugeln wir uns wieder vor Lachen. So langsam geht es aber bergauf, und wir freuen uns auf Salta. Der grobe Plan ist weiterhin, nach Bolivien und Peru zu reisen, aber in Salta gibt es sicher nochmals eine Verschnaufpause, während wir auf Pass und Kreditkarte warten. Mittlerweile konnte Sven die wichtigsten Sachen ersetzen (er spielt voller Freude auf seiner neuen Mundharmonika und seinem neuen Laptop), obwohl es nicht einfach war. Argentinien scheint ziemlich restriktive Importbestimmungen zu haben, so dass bei uns vertraute Markenprodukte kaum oder nur zu horrenden Preisen erhältlich sind. So war es zB. ein ziemlicher Chrampf, einen guten Bike-Rucksack mit Trinksystem zu finden, vom Netbook ganz zu schweigen...

Wir versuchen nun, noch viele positive Eindrücke von Argentinien zu gewinnen, damit diese am Schluss über die Negativen überwiegen, und wir nicht "Don´t cry for you, Argentina" singen müssen beim Verlassen des Landes. Heute sind wir in Cafayate eingetroffen, einem herzigen Städtchen mitten im Weinbaugebiet südlich von Salta. Hier fühlten wir uns sofort willkommen und haben beschlossen, ein, zwei Tage zu bleiben. Cafayate macht einen sauberen Eindruck, die Leute sind freundlich und die Weingüter wirken nicht so wie Fort Knox, wie dies um Mendoza herum der Fall ist, hier wirkt es eher familiär. Wir sind in einem gemütlichen Hostel, und die Schmusekatze des Hauses räkelt sich grad auf meinem Schoss, während ich euch diese Zeilen tippe. Und der Wein schmeckt auch hier!

Muchos saludos, muchos embrazos,
Kathrin

Kommentare

  1. Liebe Kathrin

    Oje, das tut mir sehr leid für euch! War bestimmt ein ziemlicher Schock, so ein bewaffneter Überfall! Schrecklich.
    Allerdings kann man das ja dann so sehen, dass jetzt wohl nix mehr passieren wird. Ihr habt nun euer Schock-erlebnis auf dieser Reise hinter euch und die Wahrscheinlichkeit, dass das gleich nochmals geschieht ist ja sehr gering... (hoffe ich zumindest für euch!).

    Also dann, ich wünsche euch zwei viele weitere schöne Stunden und freue mich, bald wieder von dir zu lesen!
    Lg Nathalie

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  2. Hallo Nathalie,

    Ja, ich seh das auch so in der Art dass man nur einmal im Leben vom Blitz getroffen wird.
    Leider bin ich deswegen etwas misstrauischer gegenüber den Einheimischen geworden, was mich etwas frustriert und ärgert, aber ich hoffe, das vergeht wieder. Die Freude am Reisen und an neuen Abenteuern ist jedenfalls wieder da. Trotzdem freue ich mich sehr über Zeilen von zuhause, vielenDank!
    Vlg. Kathrin

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